Verlorene Nacht

[218] Schlaf! Du trauriges Kameel

hast auf deinem Wiegerücken

aus der lieblichsten Oase

in die Wüste mich getragen ..


Hielt ich, siegverwöhnter Pascha,

doch im Arm das zappelnd lustige

Mädchen, das sich nicht verhüllte,

das so süss und kindisch tollte,

meiner lässigen Hände lachte,

meine müden Augen küsste ..

Und ich schlief an ihren Brüsten,

im Besitze reich mich fühlend,

wohlig ein – eh noch die Sinne

die beseligten gesättigt.
[219]

Da – was dringt für rauhes Lärmen

von der Strasse? Ich erwache,

reib verdrossen mir die Augen,

seh der Sonne frechen Frühblick –

Doch kein Mädchen mir zur Seite.

Draussen hör ich auf dem Gange,

wie sich fremde Stimmen kreuzen –

und nun klopft es. Gott verdamm mich!


Tritt ein Comitécollege,

so ein Kerl im schwarzen Gehrock,

höflich grinsend an mein Lager –

mahnt mich, dass es höchste Zeit sei,

einen andren Herrn Collegen,

wie versprochen, aufzusuchen ...


Schlaf! Du trauriges Kameel

hast auf deinem Wiegerücken

aus der lieblichsten Oase

in die Wüste mich getragen!

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 218-220.
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