Auf Reisen

[231] Die Sonne lag noch auf den Strassen,

es war am hohen, reifen Tag;

ein stummer Jubel ohne Massen

erhöhte meines Herzens Schlag.

Es klang in mir ein Spiel der Sinne

aus Kinderlust und Manneskraft,

und stolz und wonnig ward ich inne

des Glücks der freien Wanderschaft.


Kein banger Führer, der mich leiten,

kein Freund, der mich begleiten darf;

mein sind die Höhen, mein die Weiten,

rauh weht die Luft, so frisch und scharf.

Und dennoch süss mit sanften Mächten

dringt Sonnenwärme tief ins Herz,

und wie ein Traum aus fernen Nächten

verschwindet jeder alte Schmerz.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 231-232.
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