Vierte Scene.

[103] BREITE hängt sich plötzlich leidenschaftlich an Tine. Tindla! Tindla! – A – a – a – Sie bekommt keinen Atem. Du mußt – Du mußt – Du mußt – Tindla – Du mußt –

TINE hastig. Was denn? Nee, was denn?

BREITE. Du mußt mir – Du mußt mir – meins, meins, meins! 's is aus! 's is aus! 's is aus![103]

TINE. Nee, was is d'n? Was is d'n?

BREITE. 's is aus! 's is aus! 's is aus!

TINE energisch. Nee, Jeses! Junge Frau!

BREITE schauerlich. Und d'r Vater – d'r Vater – d'r Vater –

TINE. Was is d'n mit'n Vater?

BREITE. Wenn's d'r Vater alles hiert –! 's sohl – kee Unglick war'n! O – o – o –!

TINE sie rüttelnd. Breitla! Breitla! Kumm zu'n D'r! Kumm zu'n D'r!

BREITE. 'r hot ins furtgestußa!

TINE. War denn?

BREITE. D'r Joseph – d'r Joseph – 'r hot mich und mei Kindla furtgestußa –

TINE aufgeregt. Nee, da ruf ich doch aber weeß Gott – Sie will ins Zimmer zum Stübel eilen.

BREITE leise flehend, wie halb besonnen sie zurückhaltend. Tindla! Tindla! – Tine bleibt im Hause stehen. Ich mag nimmeh! – Sihste! – Du – wißt's ju! Verändert weich im Ton. Ach nee, nee! Du kaust D'r'sch ju nee asu denka! Wie heimlich ihr was anvertrauend. Mei Joseph – Wieder klagend. wenn 'r asu heemkimmt! –

TINE resolut. Nu kimmst De ei de Stube und setzt Dich uf de Ufabanke. Ich war d'r flink a Neegla Kaffee ga'n, daß De a wing zu Verstande kimmst. Breite sitzt nun. Tine hantiert am Röhre. Du mußt Dich doch au a wing zusammanahma. Sie giebt ihr aus einem Töpfchen zu trinken. Nu trink! immer trink! Während Breite trinkt. Ebens is d'r Vater Jakob 'naus uf a Weg. Dar liß Euch au noch alle grissa![104]

BREITE. Mei Joseph – wenn 'r asu heemkimmt! Ich war D'r was sa'n, Tindla – 'r hot – 'r is ju de ganze Nacht nee heemgekumma! – 'r hot bei dar Fremda – bei dar Fremda – hilf m'r, Tindla, ich wiß mir kenn' Rot meh –

TINE. Wenn De nu nee stille bist und wieder nufgihst. 's kan en'n ju Angst und Bange war'n – bei dam Gerede! – Du trinkst noch amol! Sie trinkt. 's werd D'r ju besser war'n!

BREITE darnach ruhiger. Ich wiß nu –. Fir mich is kee anderer Rot – Ich – Ich – Wieder in Klage. Tindla – 's is aus! 's is aus!

TINE. Hust d'u was Genaues gehort?

BREITE. Hahaha – ich – und das nee merka, wenn uf eemol alles tut is! Ich – und das nee merka, ob 'r noch ei Liebe kimmt! Unheimlich. Ich wihl keene Hurenkinder ha'n! Ich wihl keene Hurenkinder ha'n! Sie erhebt sich scheu. Nee nee! Ich war – Gih ock! Gih ock! Ich war schun –

TINE. Wu willst De hie?

BREITE. Gih ock! Gih ock! Luß mich ock a wing frische Luft –

TINE sie energisch haltend. Du blei'st! Suste ruf ich de Ahlen – Sie ruft einmal. Frau –

BREITE wütend. Nee nee! D'r Vater – d'r Vater –! Wenn Du rufst, wenn Du rufst! Ich erwirg Dich –

TINE. Nu Jeses! Da brauchst de gar nee asu grob zu sein!

BREITE. Wenn d'r Vater! Wenn d'r Vater –![105] Ich fercht mich doch asu! Ich mechte doch nee ha'n, daß d'r Vater erscht was merkt!

TINE. Da gih aber wieder nuf und ruh Dich noch a wing aus! Das is doch's allerbeste!

BREITE im Gehen nach oben stehen bleibend. O meins, meins! meins! Weinend. Ich wihl keene Hurenkinder ha'n! – Ich wihl keene Hurenkinder ha'n! Sie trocknet ihre Thränen plötzlich. Tindla – Lieblich. 's is asu schien, wenn ma' en'n zum Herz springa gerne hot – das wißt Du nee! Lächelnd. Ach, das wißt Du nee! – Wißt De –! Sie versinnt sich. ich bin asu tumm – ich – Du wißt ju – ich – ich – Ju, was denn? – Lächelnd. Nee nee, ich war m'r nee erscht gruß 's Herze schwer macha!

TINE. Nu ebens! Da gih Du nuf und ruh Dich endlich a wing aus!

BREITE unheimlich. Jitze – schläft a – a schläft – Dar schläft feste – Nee nee! Unheimlich leise. Ich mag doch nimmeh! Wenn 'r asu heemkimmt! Wenn 'r asu frustig is! Aufgeregt. A andrer is 'r! A andrer is 'r! Ich mag mich nimmeh neber a lä'n! Ich scham' mich.

TINE. Du gihst nuf!

BREITE klagend. Ich wiß ju, wuhar 'r kam! Weinend. Ich wiß ju, wuhar 'r kam! O meins! o meins! o meins! Ich bihn weggeschmissa! Ich bihn weggeschmissa – und niemand kan meh halfa –

TINE sie haltend. Iberhaupt stiht de Mutter schun uf.

BREITE sich plötzlich losmachend. Luß mich! Luß mich! Sie flieht unversehens zum Hofe hinaus.[106]

TINE ruft ihr nach. Breitla! Breitla! Dann kommt sie aufgeregt zurück und klopft an die Stübelthür. Frau! Frau!


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 103-107.
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