[196] Ein anderer Platz im Walde. Quell. Rasenbank.
GOLO geht unruhig auf und ab.
Das Maß des Grausens, statt der Seligkeit,
Hab ich geleert. Die höchste Reue schlägt
Den Weg nicht ein, der sie zur Gnade führt.
Nein, nein! Verzweifelnd an dem letzten Recht
Des Sünders, an dem Recht zur Umkehr selbst,[196]
Nährt sie den Fluch, indem sie ihm erliegt,
Zwingt sich, die Missetat, die sie verdammt,
Nachdem sie halb getan ist, ganz zu tun,
Und bläst ins Höllenfeuer, statt es feig
Mit Tränen auszulöschen, selbst hinein.
Jetzt steh ich da, wo das Erbarmen mich
Nicht mehr erreicht, wo ich durch neue Schuld
Den innern Ekel nicht mehr steigern kann,
Drum lasse ich das Letzte ungetan.
Und wie ein Mensch im Ozean das Boot,
Das ihn getragen, wegstößt mit dem Fuß
Und sich im Meer begräbt, so stoß ich jetzt
Das Leben von mir, und entriegle mir
Die Nacht der Nächte, wo ich nichts mehr bin,
Als ein Gedanke meiner Missetat.
Das ist dein Ende, Trotz! Du darfst den Spruch,
Der dich verdammt, bekämpfen, weil du ihn
Bestätigen, weil du bekennen sollst:
Gott tat mir recht und Gott allein hat recht!
Doch, Trotz, ich schelt dich darum nicht! Du hast
Mich mit mir selbst bekannt gemacht, ich weiß
Jetzt, wer ich bin, und was auch kommen mag:
Gott tut mir recht, und Gott allein hat recht!
Da sind sie!
Er tritt ins Gebüsch; nach einer Weile kommt er wieder hervor.
Noch nicht? Fiel sie unterwegs
In Ohnmacht, oder – Kniee, brecht nicht ein!
Er setzt sich auf die Bank.
Das ist unmöglich.
Er ruft.
Hans! Balthasar! Hier!
Man hört mich nicht. Der Wind bläst gar zu stark.
Ich will die Augen schließen
Er tuts.
und mir selbst
Ein Märchen vorerzählen, grauenvoll,
Wie's nur ein Teufel, der in seiner Brust
Den letzten Schauder wecken will, ersinnt.
Dumpf, gedehnt.
Ich will mir denken, daß die Knechte sich
Verirrten, daß sie, während ich mit Angst
Auf ihre Ankunft harre, roh und stumpf[197]
Das Schlächter-Amt vollziehn und blutbespritzt,
Wie ich die Augen öffne, vor mir stehn.
Langsam kommt Balthasar. Wie Golo die Augen öffnet, erblickt er ihn mit dem blutigen Schwert.
Ausgewählte Ausgaben von
Genoveva
|
Buchempfehlung
Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.
244 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro