Achte Szene

[198] GOLO springt auf, ihm entgegen.

Ihr habt sie fliehen lassen!

BALTHASAR.

Unbesorgt!

Ist dies hier


Er erhebt das Schwert.


Blut? Ist dies


Er zeigt die Locken.


Ihr Haar?

GOLO bedeckt sich das Gesicht.

Es ists!

BALTHASAR.

So lobt mich!

GOLO.

Hund, ich sagte –

BALTHASAR.

Sollten wir

Mit Ruten die Entkräftet-Taumelnde

Fortpeitschen, bis sie lautlos und entseelt

Zusammen sank? Den toten Leichnam dann

Hätt man zerhacken, keine Lebende

Exekutieren können!

GOLO wirft sich im höchsten Schmerz auf die Bank.

BALTHASAR für sich.

Sprach sie wahr?

Es scheint mir fast! So sieht kein Richter aus,

Wenn man das Schwert ihm bringt. Ich prüfe ihn.

Bring ichs heraus, so nutz ichs, wie ich kann.


Laut.


Es ist doch schad um sie!

GOLO.

Verruchter, schweig,

Wenn du das jetzt erst fühlst.

BALTHASAR.

Hätt ichs gefühlt,

Als ich –


Er macht die Bewegung des Kopfabhauens.


So starb sie nicht!

GOLO.

So starb sie nicht!

BALTHASAR.

Zwar überliefs mich kalt, als ich das Schwert

Auszog, und sie das Haupt, anstatt es feig

Zu senken, wie dies sonst geschieht, erhob.


Er erzählt langsam und lauernd fort. Golo starrt ihn an.[198]


Und sonderbar, ich muß es Euch gestehn,

Ward mir zumute, als sie manches sprach

Vom Drago und von Euch. Ihr werdet bleich.

Nun – nun – ich ward nicht irre, wie der Hans.

GOLO.

Der Hans?

BALTHASAR einen Schritt zurücktretend.

Rief laut: Herr Golo ist ein Schuft!

GOLO nickt.

BALTHASAR.

Verzeiht das Wort. Dann kehrt er sich zu ihr

Und sprach: Ich schütze Euch!

GOLO.

Und du?

BALTHASAR.

Ja, ich!

Ich tat, was Ihr nicht denkt. Ihr habt in mir

Nicht eben viel gesucht, ich weiß es wohl.

Darum ergriff ich die Gelegenheit,

Euch darzutun, daß man mir trauen darf.

Ich sprach zu Hans: Du lügst! Und stach ihn tot.

Nun drang der Klaus, der tolle, auf mich ein,

Von hinten mir das Schwert, eh ichs gedacht,

Entreißend, daß mir zur Verteidigung

Nichts, als mein Grabscheit blieb. Dies Menschentier

Zu fällen, ward mir schwer. Zuletzt gelangs.

Den Bauch schlitzt ich ihm auf, dem Ungetüm.

Sprecht, ob das Eifer war in Eurem Dienst?

Zwiefacher Mörder ward ich, ehe ich

Ihr Henker werden konnte. Dankt Ihrs mir?

GOLO.

Vergeh, wie ich! Unschuldig, wie das Kind,

Das sie geboren, war sie.

BALTHASAR für sich.

Hab ich dich?


Frech.


Das weiß ich!

GOLO.

Wie?

BALTHASAR.

Das wußt ich, eh ich ihr

Den Kopf herunter hieb. Sie war nicht stumm

Und ich nicht taub.

GOLO will sich erheben, aber starre Wut fesselt ihn an die Bank.

Und doch?

BALTHASAR.

Ja seht, so ist

Ein Mann. Ich hatt Euch feierlich gelobt,[199]

Sie abzutun, und ehrlich hielt ich Wort.

Doch keineswegs versprach ich Euch, dem Herrn

Das zu verschweigen, was sie mir vertraut,

Und mein Gewissen, durch den letzten Schrei

Der Sterbenden geweckt aus seinem Schlaf,

Treibt mich –

GOLO springt auf, rasend.

Du wußtest, daß sie schuldlos war,

Und dennoch? Wehr dich deines Lebens, Knecht!

Du hast ein Schwert! Ich will dich adeln! Brauchs!


Er reißt sein Jagdmesser heraus.


Komm an! Ich habe nur dies Messer! Komm!

BALTHASAR in Angst.

Sie – ist –

GOLO.

Unschuldig!

BALTHASAR.

Ja – allein –

GOLO.

Wicht! Wicht!

Kannst du nur ziehen auf ein Weib?

BALTHASAR wirft das Schwert weg und flieht.

GOLO.

Fahr hin!


Er ersticht ihn.


BALTHASAR fällt im Gebüsch nieder und stirbt.

GOLO.

Hätt ichs getan mit meiner eignen Hand,

Ich trüge es, und wohnt in meiner Tat,

Wie Satan in der Hölle, die er schuf,

Indem er stürzte, einsam, unnahbar,

Doch jetzt!


Gen Himmel knirschend.


Du! Du! Ich nehm mein Wort zurück!

Das ist nicht recht!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 198-200.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Genoveva
Samtliche Werke (1, No. 10); Abt. 1.Bd. Dramen I (1841-1847). Judith. Genoveva. Der Diamant
Samtliche Werke (1, No. 9); Abt. 1.Bd. Dramen I (1841-1847). Judith. Genoveva. Der Diamant
Friedrich Hebbel's Sämmtliche Werke: Bd. Genoveva ; Agnes Bernauer (German Edition)
Genoveva: Eine Tragödie in Fünf Acten (German Edition)

Buchempfehlung

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von

Gedichte

Gedichte

»Was soll ich von deinen augen/ und den weissen brüsten sagen?/ Jene sind der Venus führer/ diese sind ihr sieges-wagen.«

224 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon