Dritte Szene

[495] EIN DIENER tritt ein.

Die Königin!

MARIAMNE folgt ihm auf dem Fuß.

HERODES geht ihr entgegen.

Du kommst mir nur zuvor!

Ich wollte –

MARIAMNE.

Doch nicht in Person den Dank

Für deine wunderbaren Perlen holen?

Ich wies dich zwei Mal ab, es noch einmal

Versuchen, ob ich meinen Sinn gewendet,

Das wär für einen Mann zu viel gewesen

Und ganz gewiß zu viel für einen König.

O nein, ich kenne meine Pflicht, und da du

Seit meines muntren Bruders jähem Tod

Mich jeden Tag so reich beschenkst, als würbest

Du neu um mich, so komme ich auch endlich

Und zeige dir, daß ich erkenntlich bin!

HERODES.

Ich sehe es!

MARIAMNE.

Zwar weiß ich nicht, wie du

Es mit mir meinst. Du schickst für mich den Taucher

Hinunter in das dunkle Meer, und wenn[495]

Sich keiner findet, der um blanken Lohn

Des Leviathans Ruhe stören will,

So tust du deine Kerker auf und gibst

Dem Räuber den verwirkten Kopf zurück,

Damit er dir die Perlen fischt für mich.

HERODES.

Und scheint dir das verkehrt? Ich ließ wohl auch

Den Mörder schon vom Kreuz herunternehmen,

Als es ein Kind aus einer Feuersbrunst

Zu retten galt, und sagte ihm: Wenn dus

Der Mutter wieder bringst, so gilt mir das,

Als hättest du dem Tod die Schuld bezahlt.

Er stürzte auch hinein –

MARIAMNE.

Und kam er wieder

Heraus?

HERODES.

Es war zu spät! Sonst hätt ich ihm

Mein Wort gehalten und ihn als Soldat

Nach Rom geschickt, wo Tiger nötig sind.

Man soll mit allem wuchern, denke ich,

Warum nicht mit verfallnem Menschenleben?

Es kommen Fälle, wo mans brauchen kann!

MARIAMNE für sich.

O, daß er nicht die blutgen Hände hätte!

Ich sag ihm nichts! Denn, was er auch getan,

Spricht er davon, so scheint es wohl getan,

Und schrecklich wär es doch, wenn er mich zwänge,

Den Brudermord zu finden, wie das andre,

Notwendig, unvermeidlich, wohl getan!

HERODES.

Du schweigst?

MARIAMNE.

So soll ich reden? Wohl von Perlen!

Wir sprachen ja bis jetzt von Perlen nur,

Von Perlen, die so rein sind und so weiß,

Daß sie sogar in blutgen Händen nicht

Den klaren Glanz verlieren! Nun, du häufst

Sie sehr bei mir!

HERODES.

Verdrießt es dich?

MARIAMNE.

Mich nicht!

Du kannst mir dadurch nimmer eine Schuld

Bezahlen wollen, und mir deucht, ich habe[496]

Als Weib und Königin ein volles Recht

Auf Perlen und Kleinodien. Ich darf

Vom Edelstein, wie Cleopatra, sagen:

Er ist mein Diener, dem ich es verzeihe,

Daß er den Stern so schlecht bei mir vertritt,

Weil er dafür die Blume übertrifft!

Doch hast du eine Schwester, Salome –

HERODES.

Und diese –

MARIAMNE.

Nun, wenn sie mich morden soll,

So fahr nur fort, das Meer für mich zu plündern,

Sonst – gib dem Taucher endlich Ruh! Ich stehe

Schon hoch genug in ihrer Schuld! Du siehst

Mich zweifelnd an? Doch! Doch! Als ich vorm Jahr

Im Sterben lag, da hat sie mich geküßt.

Es war das erste und das einzge Mal,

Ich dachte gleich: Das ist dein Lohn dafür,

Daß du von hinnen gehst! So war es auch,

Ich aber täuschte sie, denn ich genas.

Nun hab ich ihren Kuß umsonst, und das

Vergaß sie nicht. Ich fürchte sehr, sie könnte

Sich dran erinnern, wenn ich sie besuchte,

Die Wunderperlen um den Hals, durch die

Du mir zuletzt gezeigt, wie du mich liebst!

HERODES für sich.

Es fehlt nur noch, daß meine linke Hand

Sich gegen meine rechte kehrt!

MARIAMNE.

Ich würde

Zum wenigsten den Willkommstrunk verschmähn!

Und böte sie mir statt gewürzten Weins

Auch im Kristall unschuldges Wasser dar,

Ich ließe selbst dies Wasser unberührt!

Zwar würde das nichts heißen! Nein! Es wäre

Auch so natürlich; denn das Wasser ist

Mir jetzt nicht mehr, was es mir sonst gewesen ist:

Ein mildes Element, das Blumen tränkt

Und mich und alle Welt erquickt, es flößt

Mir Schauder ein und füllt mich mit Entsetzen,

Seit es den Bruder mir verschlungen hat,

Ich denke stets: im Tropfen wohnt das Leben,[497]

Doch in der Welle wohnt der bittre Tod!

Dir muß es noch ganz anders sein!

HERODES.

Warum?

MARIAMNE.

Weil du durch einen Fluß verleumdet wirst,

Der seine eigne, grausam-tücksche Tat

Dir aufzubürden wagt! Doch fürcht ihn nicht.

Ich widersprech ihm!

HERODES.

In der Tat?

MARIAMNE.

Ich kanns!

Die Schwester lieben und den Bruder töten,

Wie wär das zu vereinen?

HERODES.

Doch vielleicht!

Wenn solch ein Bruder selbst aufs Töten sinnt,

Und man nur dadurch, daß man ihm begegnet,

Ja, ihm zuvorkommt, sich erhalten kann!

Wir sprechen hier vom Möglichen! Und weiter!

Wenn er, an sich zwar arglos, sich zur Waffe

In Feindeshänden machen läßt, zur Waffe,

Die tödlich treffen muß, wenn man sie nicht

Zerbricht, bevor sie noch geschwungen wird.

Wir sprechen hier vom Möglichen! Und endlich!

Wenn diese Waffe nicht ein Einzelhaupt,

Nein, wenn sie eines Volkes Haupt bedroht!

Und eins, das diesem Volk so nötig ist,

Wie irgend einem Rumpf das seinige.

Wir sprechen hier vom Möglichen, doch denk ich,

In allen diesen Fällen wird die Schwester,

Als Weib aus schuldger Liebe zum Gemahl,

Als Tochter ihres Volks aus heilger Pflicht,

Als Königin aus beiden sagen müssen:

Es ist geschehn, was ich nicht schelten darf!


Er faßt Mariamnens Hand.


Wenn eine Ruth mich auch nicht fassen mag,

Wie hätte sies gelernt beim Ährenlesen,

Die Makkabäerin wird mich verstehn!

Du konntest mich in Jericho nicht küssen,

Du wirst es können in Jerusalem!


Er küßt sie.[498]


Und wenn der Kuß dich doch gereuen sollte,

So höre, was dich mir versöhnen wird:

Ich habe ihn zum Abschied mir genommen,

Und dieser Abschied kann für ewig sein!

MARIAMNE.

Für ewig?

HERODES.

Ja! Antonius läßt mich rufen,

Doch, ob auch wiederkehren, weiß ich nicht!

MARIAMNE.

Du weißt es nicht?

HERODES.

Weil ich nicht weiß, wie hart

Mich meine – deine Mutter bei ihm verklagte!

MARIAMNE will reden.

HERODES.

Gleichviel! Ich werds erfahren. Eins nur muß ich

Aus deinem Munde wissen, wissen muß ich,

Ob ich und wie ich mich verteidgen soll.

MARIAMNE.

Ob du –

HERODES.

O Mariamne, frage nicht!

Du kennst den Zauber, der mich an dich knüpft,

Du weißt, daß jeder Tag ihn noch verstärkte,

Du mußt es ja empfinden, daß ich jetzt

Nicht für mich kämpfen kann, wenn du mir nicht

Versicherst, daß dein Herz noch für mich schlägt!

O, sag mir, wie, ob feurig oder kalt,

Dann werde ich dir sagen, ob Antonius

Mich Bruder nennen, oder ob er mich

Zum Hungertod im unterirdschen Kerker,

In dem Jugurtha starb, verdammen wird!

Du schweigst? O, schweige nicht! Ich fühl es wohl,

Daß dies Bekenntnis keinem König ziemt;

Er sollte nicht dem allgemeinen Los

Der Menschheit unterworfen, sollte nicht

Im Innern an ein Wesen außer sich,

Er sollte nur an Gott gebunden sein!

Ich bin es nicht! Als du vor einem Jahr

Im Sterben lagst, da ging ich damit um,

Mich selbst zu töten, daß ich deinen Tod

Nur nicht erlebte, und – dies weißt du nun,

Ein andres wisse auch! Wenn ich einmal,

Ich selbst, im Sterben läge, könnt ich tun,[499]

Was du von Salome erwartest, könnte

Ein Gift dir mischen und im Wein dir reichen,

Damit ich dein im Tod noch sicher sei!

MARIAMNE.

Wenn du das tätest, würdest du genesen!

HERODES.

O nein! o nein! Ich teilte ja mit dir!

Du aber sprich: ein Übermaß von Liebe,

Wie dieses wäre, könntest dus verzeihn?

MARIAMNE.

Wenn ich nach einem solchen Trunk auch nur

Zu einem letzten Wort noch Odem hätte,

So flucht ich dir mit diesem letzten Wort!


Für sich.


Ja, um so eher tät ich das, je sichrer

Ich selbst, wenn dich der Tod von hinnen riefe,

In meinem Schmerz zum Dolche greifen könnte:

Das kann man tun, erleiden kann mans nicht!

HERODES.

Im Feuer dieser Nacht hat sich ein Weib

Mit ihrem toten Mann verbrannt; man wollte

Sie retten, doch sie sträubte sich. Dies Weib

Verachtest du, nicht wahr?

MARIAMNE.

Wer sagt dir das?

Sie ließ ja nicht zum Opfertier sich machen,

Sie hat sich selbst geopfert, das beweist,

Daß ihr der Tote mehr war, als die Welt!

HERODES.

Und du? Und ich?

MARIAMNE.

Wenn du dir sagen darfst,

Daß du die Welt mir aufgewogen hast,

Was sollte mich wohl in der Welt noch halten?

HERODES.

Die Welt! Die Welt hat manchen König noch,

Und keiner ist darunter, der mit dir

Den Thron nicht teilte, der nicht deinetwegen

Die Braut verließe und das Weib verstieße,

Und wärs am Morgen nach der Hochzeitsnacht!

MARIAMNE.

Ist Cleopatra tot, daß du so sprichst?

HERODES.

Du bist so schön, daß jeder, der dich sieht,

An die Unsterblichkeit fast glauben muß,

Mit welcher sich die Pharisäer schmeicheln,

Weil keiner faßt, daß je in ihm dein Bild

Erlöschen kann; so schön, daß ich mich nicht[500]

Verwundern würde, wenn die Berge plötzlich

Ein edleres Metall, als Gold und Silber

Mir lieferten, um dich damit zu schmücken,

Das sie zurückgehalten, bis du kamst;

So schön, daß – – Ha! Und wissen, daß du stirbst,

Sobald ein andrer starb, aus Liebe stirbst,

Um dem, der dir voranging, nachzueilen,

Und dich in einer Sphäre, wo man ist

Und nicht mehr ist, ich stell mir das so vor,

Als letzter Hauch zum letzten Hauch zu mischen –

Das wär freiwillgen Todes wert, das hieße

Jenseits des Grabes, wo das Grauen wohnt,

Noch ein Entzücken finden: Mariamne,

Darf ich dies hoffen, oder muß ich fürchten,

Daß du – Antonius hat nach dir gefragt!

MARIAMNE.

Man stellt auf Taten keinen Schuldschein aus,

Viel weniger auf Schmerzen und auf Opfer,

Wie die Verzweiflung zwar, ich fühls, sie bringen,

Doch nie die Liebe sie verlangen kann!

HERODES.

Leb wohl!

MARIAMNE.

Leb wohl! Ich weiß, du kehrst zurück!

Dich tötet


Sie zeigt gen Himmel.


Der allein!

HERODES.

So klein die Angst?

MARIAMNE.

So groß die Zuversicht!

HERODES.

Die Liebe zittert!

Sie zittert selbst in einer Heldenbrust!

MARIAMNE.

Die meine zittert nicht!

HERODES.

Du zitterst nicht!

MARIAMNE.

Nun fang ich an! Kannst du nicht mehr vertrauen,

Seit du den Bruder mir – Dann wehe mir

Und wehe dir!

HERODES.

Du hältst das Wort zurück,

Das schlichte Wort, wo ich auf einen Schwur

Von dir gehofft: worauf noch soll ich baun?

MARIAMNE.

Und leistete ich den, was bürgte dir,

Daß ich ihn hielte? Immer nur ich selbst,

Mein Wesen, wie dus kennst. Drum denke ich,[501]

Du fängst, da du mit Hoffnung und Vertraun

Doch enden mußt, sogleich mit beiden an!

Geh! Geh! Ich kann nicht anders! Heut noch nicht!


Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 495-502.
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