Dritte Szene

[164] Siegfried erscheint mit Kriemhild.


KRIEMHILD auf ihr Gewand deutend.

Nun? Dankst dus mir?

SIEGFRIED.

Ich weiß nicht, was du meinst.

KRIEMHILD.

Sieh mich nur an!

SIEGFRIED.

Ich dank dir, daß du bist,

Daß du so lächelst, daß du blaue Augen

Und keine schwarze hast –

KRIEMHILD.

Du lobst den Herrn

In seiner Magd! Du Tor, hab ich mich selbst[164]

Geschaffen, und die Augen, die du rühmst,

Mir ausgesucht?

SIEGFRIED.

Die Liebe, dünkt mich, könnte

So seltsam träumen! Ja, an einem Morgen,

Wo alles mailich funkelte, wie heut,

Hast du die beiden hellsten Tropfen Taus,

Die an den beiden blausten Glocken hingen,

Dir weg gehascht, und trägst seitdem den Himmel

Zwiefach im Antlitz.

KRIEMHILD.

Lieber danks mir doch,

Daß ich als Kind so klug gefallen bin,

Denn diese Augen waren arg bedroht,

Als ich mir hier die Schläfe zeichnete.

SIEGFRIED.

Laß mich die Narbe küssen!

KRIEMHILD.

Hitzger Arzt,

Verschwende deinen Balsam nicht, die Wunde

Ist längst geheilt! Nein, weiter!

SIEGFRIED.

Nun, so danke

Ich deinem Mund –

KRIEMHILD.

Mit Worten?

SIEGFRIED will sie umarmen.

Darf ich so?

KRIEMHILD weicht zurück.

Glaubst du, ich fordre auf?

SIEGFRIED.

Mit Worten denn

Für Worte! Nein, für Süßeres, als Worte,

Für dein Gelispel holder Heimlichkeiten,

Dem Ohr so köstlich, wie dein Kuß der Lippe,

Und für die Heimlichkeiten selbst, fürs Lauschen

Am Fenster, als wir in die Wette warfen,

O, hätte ichs geahnt! und für dein Höhnen

Und Spotten –

KRIEMHILD.

Um mit Ehren zu verweilen,

Nicht wahr, so legst dus aus? Wie boshaft, Freund!

Das sagt ich dir im Dunkeln! Willst du sehn,

Ob ich erröte, wenn dus jetzt bei Tage

Mir wiederholst? Mein Blut ist gar zu dumm,

Es steigt und fällt zu rasch, und meine Mutter

Vergleicht mich oft mit einem Rosenstock,[165]

Der Rot und Weiß auf einem Stengel trägt.

Sonst hättst du nichts von alledem erfahren,

Doch fühlt ichs wohl, wie meine Wangen brannten,

Als mich mein Bruder gestern morgen neckte,

Da mußt ich dir die Missetat gestehn!

SIEGFRIED.

Daß der den besten Hirsch noch heute träfe!

KRIEMHILD.

Und ihn verfehlte! Ja! Das wünsch ich auch. –

Du bist wohl einer, wie mein Ohm, der Tronjer,

Der einen neuen Rock, den man ihm stickt

Und heimlich vor sein Bette legt, nur dann

Bemerkt, wenn er zu eng geriet?

SIEGFRIED.

Warum?

KRIEMHILD.

Du siehst nur das, was Gott und die Natur

An mir getan, mein eigenes Verdienst

Entgeht dir, das beginnt erst bei den Kleidern,

Und nicht einmal der Gürtel fällt dir auf.

SIEGFRIED.

Nun, der ist bunt! Doch lieber mögt ich noch

Den Regenbogen um den Leib dir winden,

Mir deucht, der paßt zu dir und du zu ihm.

KRIEMHILD.

Bring mir ihn zur Nacht, so wechsle ich,

Doch wirf ihn nicht so hin, wie diesen andern,

Ich hätte dein Geschenk fast übersehn!

SIEGFRIED.

Was redest du?

KRIEMHILD.

Wenn nicht die Steine wären,

So läge er wohl jetzt noch unterm Tisch,

Doch Feuer kann sich freilich nicht verstecken.

SIEGFRIED.

Der wär von mir?

KRIEMHILD.

Gewiß!

SIEGFRIED.

Kriemhild, du träumst!

KRIEMHILD.

Ich fand ihn in der Kammer.

SIEGFRIED.

Deine Mutter

Wird ihn verloren haben!

KRIEMHILD.

Meine Mutter!

O nein, ich kenne ihren Schmuck! Ich dachte,

Er stamme aus dem Nibelungenhort,

Und legt ihn eilig an, dich zu erfreun!

SIEGFRIED.

Das dank ich dir, allein ich kenn ihn nicht!

KRIEMHILD nimmt den Gürtel ab.[166]

Dann mach der goldnen Borte wieder Platz,

Die du bedeckst! Ich war schon ganz geschmückt

Und schnallte ihn nur über, um die Mutter

Und dich zugleich zu ehren, denn die Borte

Ist von der Mutter!

SIEGFRIED.

Das ist wunderlich! –

Du fandst ihn an der Erde?

KRIEMHILD.

Ja!

SIEGFRIED.

Zerknüllt?

KRIEMHILD.

Siehst du, daß du ihn kennst! Der zweite Spaß

Gelang dir, wie der erste, und ich habe

Zwiefache Müh!


Sie will den Gürtel wieder umschnallen.


SIEGFRIED.

Um Gottes willen, nein!

KRIEMHILD.

Ist das dein Ernst?

SIEGFRIED für sich.

Sie suchte mir die Hände

Zu binden.

KRIEMHILD.

Lachst du nicht?

SIEGFRIED für sich.

Da ward ich wütend

Und brauchte meine Kraft.

KRIEMHILD.

Noch immer nicht?

SIEGFRIED für sich.

Ich riß ihr etwas weg!

KRIEMHILD.

Bald werd ichs glauben.

SIEGFRIED für sich.

Das pfropft ich, weil sie wieder darnach griff,

Mir in den Busen, und – – Gib her, gib her,

Kein Brunnen ist so tief, den zu verbergen,

Ein Stein daran, und in den Rhein hinab!

KRIEMHILD.

Siegfried!

SIEGFRIED.

Er ist mir dann entfallen! – Gib!

KRIEMHILD.

Wie kam er denn in deine Hand?

SIEGFRIED.

Dies ist

Ein furchtbar unglückseliges Geheimnis,

Verlange keinen Teil daran.

KRIEMHILD.

Du hast

Mir doch ein größres anvertraut, ich kenne

Die Stelle, wo der Tod dich treffen kann.

SIEGFRIED.

Das hüte ich allein![167]

KRIEMHILD.

Das andre hüten

Wohl zwei!

SIEGFRIED für sich.

Verflucht! Ich eilte mich zu sehr!

KRIEMHILD bedeckt sich das Gesicht.

Du schwurst mir etwas! Warum tatst du das?

Ich hatt es nicht verlangt.

SIEGFRIED.

Bei meinem Leben,

Ich habe nie ein Weib erkannt!

KRIEMHILD hält den Gürtel in die Höhe.

SIEGFRIED.

Ich wurde

Damit gebunden!

KRIEMHILD.

Wenns ein Löwe sagte,

Es wäre glaublicher!

SIEGFRIED.

Und doch ists wahr!

KRIEMHILD.

Dies schmerzt! Ein Mann, wie du, kann keinen Fehler

Begehn, der ihn, wie schlimm er immer sei,

Nicht doch noch besser kleidet, als die Lüge,

Womit er ihn bedecken will!


Gunther und Brunhild treten auf.


SIEGFRIED.

Weg, weg!

Man kommt!

KRIEMHILD.

Wer kommt? Brunhild? Kennt die den Gürtel?

SIEGFRIED.

Verbirg ihn doch!

KRIEMHILD.

Nein, nein, ich zeige ihn!

SIEGFRIED.

Verstecke ihn, so sollst du alles wissen.

KRIEMHILD indem sie den Gürtel verbirgt.

Sie kennt ihn also wirklich?

SIEGFRIED.

Hör mich an!


Beide folgen dem Zuge.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 164-168.
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