Sechste Szene

[172] Kriemhild und Brunhild kommen Hand in Hand, es sammeln sich viele Recken und Volk.


KRIEMHILD.

Nun, ists nicht besser, Kämpfe anzusehen,

Als selbst zu kämpfen?

BRUNHILD.

Hast du beides schon

Versucht, daß du vergleichen kannst?

KRIEMHILD.

Ich mögt es

Auch nimmermehr.

BRUNHILD.

So spiele nicht so kühn

Die Richterin! – Ich meine das nicht schlimm,

Du kannst mir deine Hand noch immer lassen,

Auch mags so sein, nur, dächt ich, diese Lust

Wär mir allein bestimmt.

KRIEMHILD.

Wie meinst du das?

BRUNHILD.

Es kann doch keine jubeln, die den Gatten

Erliegen sieht!

KRIEMHILD.

Gewiß nicht!

BRUNHILD.

Noch sich täuschen,

Wenn er nur darum fest im Bügel bleibt,

Weil ihn sein Herr verschonte.

KRIEMHILD.

Auch wohl kaum!

BRUNHILD.

Nun denn!

KRIEMHILD.

Davor bin ich doch wohl geschützt?

Du lächelst?

BRUNHILD.

Weil du gar zu sicher bist.

KRIEMHILD.

Ich darf es sein!

BRUNHILD.

Zur Probe kommts wohl nicht,

Und auch ein Traum ist süß. Schlaf zu, schlaf zu,

Ich wecke dich nicht auf!

KRIEMHILD.

Wie redest du!

Mein edler Gatte ist nur viel zu mild,[172]

Um den Verwaltern seiner Königreiche

So weh zu tun, sonst hätt er seinen Degen

Schon längst zu einem Zepter umgeschmiedet

Und über die ganze Erde ausgestreckt.

Denn alle Lande sind ihm untertan,

Und sollte eins es leugnen, bät ich mirs

Sogleich von ihm zum Blumengarten aus.

BRUNHILD.

Kriemhild, was wäre da der meinige?

KRIEMHILD.

Er ist mein Bruder und erhält den Stempel,

Wie schwer er immer sei, man wiegt ihn nicht.

BRUNHILD.

Nein, denn er selbst ist das Gewicht der Welt,

Und wie das Gold der Dinge Preis bestimmt,

So er den Wert der Recken und der Helden!

Du mußt nicht widersprechen, liebes Kind,

Ich will dafür geduldig auf dich hören,

Wenn du mir zeigst, wie man die Nadel braucht.

KRIEMHILD.

Brunhild!

BRUNHILD.

Ich sagt es wahrlich nicht im Hohn,

Ich mögt es können, und es ist mir nicht

So angeboren, wie das Lanzenwerfen,

Für welches ich des Meisters nicht bedurfte,

So wenig, wie fürs Gehen oder Stehn.

KRIEMHILD.

Wir können gleich beginnen, wenn du willst,

Und da du doch am liebsten Wunden machst,

So fangen wir beim Sticken an, ich habe

Ein Muster bei mir!


Sie will den Gürtel hervorziehen.


Nein, ich irre mich!

BRUNHILD.

Du blickst nicht mehr, wie sonst, auf deine Schwester,

Auch ist es gar nicht freundlich, mir die Hand,

Die ich so liebreich faßte, zu entziehn,

Bevor ich selbst sie lasse, unsre Sitte

Zum wenigsten verlangt das Gegenteil.

Kannst du es nicht verwinden, daß das Zepter,

Von dem du träumst, in deines Bruders Hand

Gegeben ist? Du solltest doch als Schwester

Dich trösten, denn der Ruhm des Bruders ist

Zur Hälfte dein, auch, dächt ich, müßtest du[173]

Vor allen andern mir die Ehre gönnen,

Die dir nun einmal doch nicht werden konnte,

Denn keine hätt dafür bezahlt, wie ich!

KRIEMHILD.

Ich seh, wie alle Unnatur sich rächt:

Du hast der Liebe widerstrebt, wie keine,

Nun macht sie dich zur Strafe doppelt blind.

BRUNHILD.

Du sprichst von dir und nicht von mir! Es ist

Kein Grund zum Streit. Das weiß die ganze Welt!

Eh ich geboren wurde, wars bestimmt,

Daß nur der Stärkste mich besiegen solle –

KRIEMHILD.

Ich glaubs ja gern.

BRUNHILD.

Und doch?

KRIEMHILD lacht.

BRUNHILD.

So bist du toll!

Ist deine Angst so groß, daß wir zu streng

Mit den Vasallen sind? Besorge nichts!

Ich lege keinen Blumengarten an,

Und auch den Vortritt werde ich nur einmal

Verlangen, wenn du nicht zu störrig bist,

Nur heut, nur hier am Dom, und niemals mehr.

KRIEMHILD.

Ich hätte dir ihn wahrlich nicht versagt,

Doch da es meines Gatten Ehre gilt,

So weich ich keinen Schritt.

BRUNHILD.

Er wird es dir

Schon selbst gebieten.

KRIEMHILD.

Wagst dus, ihn zu schmähn?

BRUNHILD.

Er trat bei mir zurück vor deinem Bruder,

Wie ein Vasall vor seinem Herrn, und wehrte

Dem Gruß, den ich ihm bot. Das fand ich auch

Natürlich, als ich ihn – er nannte sich

Ja selber so – für einen Dienstmann hielt,

Nun aber kommts mir anders vor.

KRIEMHILD.

Und wie?

BRUNHILD.

Ich sah den Wolf wohl so vor einem Bären

Bei Seite schleichen, oder auch den Bären

Vor einem Auerstier. Er ist Vasall,

Wenn er auch nicht geschworen hat.

KRIEMHILD.

Nicht weiter![174]

BRUNHILD.

Du willst mir drohn? Vergiß dich nicht, mein Kind!

Ich bin bei Sinnen! Bleibe du es auch!

Es mußte doch ein Grund vorhanden sein.

KRIEMHILD.

Es war ein Grund! Und schaudern würdest du,

Wenn du ihn ahntest.

BRUNHILD.

Schaudern!

KRIEMHILD.

Schaudern! Ja!

Doch fürchte nichts! Ich liebe dich auch jetzt

Noch viel zu sehr und kann dich nie so hassen,

Um dir den Grund zu nennen. Wäre mirs

Geschehn, ich grübe mir mit eignen Händen

In dieser Stunde noch das Grab! Nein, nein!

Nicht ich will das elendeste Geschöpf,

Das auf der ganzen Erde atmet, machen,

Sei stolz und frech, ich bin aus Mitleid stumm!

BRUNHILD.

Du prahlst, Kriemhild, und ich verachte dich!

KRIEMHILD.

Das Kebsweib meines Gatten mich verachten!

BRUNHILD.

Legt sie in Ketten! Bindet sie! Sie rast!

KRIEMHILD zieht den Gürtel hervor.

Kennst du den Gürtel?

BRUNHILD.

Wohl! Es ist der meine,

Und da ich ihn in fremden Händen sehe,

So muß er mir bei Nacht gestohlen sein!

KRIEMHILD.

Gestohlen! Dennoch gab ihn mir kein Dieb!

BRUNHILD.

Wer sonst?

KRIEMHILD.

Der Mann, der dich bewältigt hat!

Doch nicht mein Bruder!

BRUNHILD.

Kriemhild!

KRIEMHILD.

Diesen hättest

Du Mannweib ja erwürgt und dann vielleicht

Zur Strafe in den Toten dich verliebt:

Mein Gatte gab ihn mir!

BRUNHILD.

Nein! nein!

KRIEMHILD.

So ists!

Nun setz ihn noch herab! Gestattest du

Mir jetzt, daß ich den Dom vor dir betrete?


Zu ihren Frauen.


Folgt mir! Ich muß ihr zeigen, was ich darf!


Ab in den Dom.[175]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 172-176.
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