[265] Kriemhild mit großem Gefolge tritt auf.
HAGEN.
Noch immer schwarz!
KRIEMHILD zu den Nibelungen.
Seid ihr es wirklich? Sind das meine Brüder?
Wir glaubten schon, es käm ein Feind gezogen,
So groß ist euer Troß. Doch seid gegrüßt!
Bewillkommnung, aber ohne Kuß und Umarmung.
Mein Giselher, den Herren von Burgund
Entbot die Heunen-Königin den Gruß,
Dich küßt die Schwester auf den treuen Mund.
Herr Dieterich, mir trug der König auf,
Euch Dank zu sagen, daß Ihr seine Gäste
Empfangen habt. Ich sag Euch diesen Dank!
Reicht ihm die Hand.
HAGEN.
Man grüßt die Herren anders, als die Mannen,
Das ist ein Zeichen wunderlicher Art,
Das manchen dummen Traum zu Ehren bringt.
Bindet seinen Helm fester.
KRIEMHILD.
Auch du bist da? Wer hat denn dich geladen?
HAGEN.
Wer meine Herren lud, der lud auch mich!
Und wem ich nicht willkommen bin, der hätte
Auch die Burgunden nicht entbieten sollen,[265]
Denn ich gehör zu ihnen wie ihr Schwert.
KRIEMHILD.
Dich grüße, wer dich gerne sehen mag:
Was bringst du mir, daß dus von mir erwartest?
Ich habe dich des Abschieds nicht gewürdigt,
Wie hoffst du jetzt auf freundlichen Empfang!
HAGEN.
Was sollt ich dir wohl bringen, als mich selbst?
Ich trug noch niemals Wasser in das Meer
Und sollte neue Schätze bei dir häufen?
Du bist ja längst die Reichste von der Welt.
KRIEMHILD.
Ich will auch nichts, als das, was mir gehört,
Wo ists? Wo blieb der Hort der Nibelungen?
Ihr kommt mit einem Heer! Es war wohl nötig,
Ihn her zu schaffen. Liefert ihn denn aus!
HAGEN.
Was fällt dir ein? Der Hort ist wohl bewahrt,
Wir wählten einen sichren Ort für ihn,
Den einzigen, wos keine Diebe gibt,
Er liegt im Rhein, wo er am tiefsten ist.
KRIEMHILD.
So habt ihr das nicht einmal gut gemacht,
Was doch noch heut in eurem Willen steht?
Dich, sagst du, hielt man nötig für die Fahrt,
Und nicht den Hort? Ist das die neue Treu?
HAGEN.
Wir wurden auf das Fest der Sonnenwende
Geladen, aber nicht zum Jüngsten Tag,
Wenn wir mit Tod und Teufel tanzen sollen,
So sagte mans uns nicht zur rechten Zeit.
KRIEMHILD.
Ich frage nicht für mich nach diesen Schätzen,
Ich hab an meinem Fingerhut genug,
Doch Königinnen werden schlecht geachtet,
Wenn ihre Morgengabe gar nicht kommt.
HAGEN.
Wir trugen all zu schwer an unserm Eisen,
Um uns auch noch mit deinem Gold zu schleppen,
Wer meinen Schild und meinen Panzer wiegt,
Der bläst das Sandkorn ab und nicht hinzu.
KRIEMHILD.
Ich bin hier noch die Brautgeschenke schuldig,
Doch das ist Etzels Sache, meine nicht,
So legt denn ab und folgt mir in den Saal,
Er wartet längst mit Ungeduld auf euch.
HAGEN.
Nein, Königin, die Waffen nehm ich mit,[266]
Dir ständen Kämmrerdienste übel an!
Zu Werbel, der auf Kriemhilds Wink Hagens Schild ergreift.
Auch du bist gar zu höflich, süßer Bote,
Die Klauen sind dem Adler nie zur Last.
KRIEMHILD.
Ihr wollt in Waffen vor den König treten?
So hat euch ein Verräter auch gewarnt,
Und kennt ich ihn, so sollt er selbst erleiden,
Womit er euch aus Hinterlist bedroht.
DIETRICH tritt ihr gegenüber.
Ich bin der Mann, ich, Dietrich, Vogt von Bern!
KRIEMHILD.
Das würd ich keinem glauben, als Euch selbst!
Euch nennt die Welt den edlen Dieterich,
Und blickt auf Euch, als wärt Ihr dazu da,
Um Feuer und Wasser einen Damm zu setzen
Und Sonne und Mond den rechten Weg zu zeigen,
Wenn sie einmal verirrten auf der Bahn:
Sind das die Tugenden, für die's der Zunge
An Namen fehlt, weil sie kein Mensch vor Euch
Besessen haben soll, daß Ihr Verwandte,
Die sich versöhnen wollen, neu verhetzt
Und Euren Mund zum Blasebalg erniedrigt,
Der tote Kohlen anzufachen sucht?
DIETRICH.
Ich weiß, worauf du sinnst, und bin gegangen,
Es zu verhüten.
KRIEMHILD.
Und was wär denn das?
Wenn du den Wunsch in meiner Seele kennst,
Den du als Mann und Held verdammen darfst,
So nenn ihn mir und schilt mich, wie du magst.
Doch, wenn du schweigen mußt, weil du nicht wagst,
Mich eines Unrechts zu beschuldigen,
So fordre diesen ihre Waffen ab.
HAGEN.
Das braucht er nur zu tun, so hat er sie.
DIETRICH.
Ich steh dir für sie ein!
KRIEMHILD.
Für Etzel auch,
Daß er die Doppelschmach nicht grimmig rächt?
Mit meinen Perlen schmückt die Nixe sich,
Mit meinem Golde spielt der plumpe Fisch,
Und statt sich hier zum Pfand des Friedens jetzt[267]
Den Arm zu binden, blitzt ihr Schwert als Gruß.
HAGEN.
Herr Etzel war noch nimmer in Burgund,
Und wenn du selbst es ihm nur nicht verrätst,
So weiß er viel, was Brauch ist unter uns.
KRIEMHILD.
Ein jeder wählt sein Zeichen, wie er will,
Ihr tretet unter dem des Blutes ein,
Doch merkt euch: wer da trotzt auf eignen Schutz,
Der ist des fremden quitt, und damit gut.
HAGEN.
Wir rechnen immer nur auf uns allein
Und achten alles übrige gering.
DIETRICH.
Ich werde selbst das Salzfaß überwachen,
Damit kein Zank entsteht.
KRIEMHILD.
Du kennst sie nicht
Und wirst noch viel bereun!
HAGEN zu Rüdeger.
Herr Markgraf, stellt
Euch doch als Blutsfreund vor. Da sieht sie gleich,
Daß wir ein friedliches Geschäft betreiben,
Denn Hochzeitsstifter suchen keinen Streit.
Ja, Königin, wir gehen zwar in Eisen,
Allein wir haben Minnewerk gepflogen
Und bitten dich, den neu geschloßnen Bund
Der Giselher vereinigt mit Gudrun,
Mit deinem Segen zu bekräftigen.
KRIEMHILD.
Ists so, Herr Rüdeger, und kanns so sein?
GISELHER.
Ja, Schwester, ja!
KRIEMHILD.
Ihr seid vermählt?
GISELHER.
Verlobt.
HAGEN.
Die Hochzeit erst, wenn du gesegnet hast!
Zu Gunther.
Jetzt aber, scheint mir, wird es endlich Zeit,
Zu Hof zu gehn! Was sollen wir uns länger
Begaffen lassen!
DIETRICH.
Ich geleite euch!
Ab mit den Nibelungen.
KRIEMHILD im Abgehen zu Rüdeger.
Herr Rüdeger, gedenkt Ihr Eures Schwurs?
Die Stunde naht, wo Ihr ihn lösen müßt.
Beide ab, es erscheinen immer mehr Heunen.[268]
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
|
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro