[316] ETZEL.
Bringt mir den Helm!
HILDEBRANT in den Saal schauend, ballt die Hand gegen Kriemhild.
Du, Du!
KRIEMHILD.
Wer ist gefallen?
HILDEBRANT.
Dein Bruder Gerenot.
KRIEMHILD.
Er hats gewollt.
HILDEBRANT.
Was ist das für ein Licht, das mich so blendet?
Ich seh nicht mehr! – Der Balmung! – Hagen schreitet
In einem Meer von Funken, wo er haut;
In Regenbogenfarben tanzen sie
Um ihn herum und beißen in die Augen,
Daß ich sie schließen muß. Das ist ein Schwert!
Es schlägt die tiefsten Wunden, und es macht
Sie unsichtbar durch seinen Blitz. Jetzt hält
Der Schnitter ein! Wie stehts? Der hat gemäht!
Nur wenig Halme heben noch ihr Haupt.
Auch Giselher –
KRIEMHILD.
Was ist mit Giselher?[316]
HILDEBRANT.
Er liegt.
KRIEMHILD.
Er liegt? Nun wohl, so ist es aus.
HILDEBRANT.
Der Tod hat wieder Odem, und es bricht
Von neuem los. Wie wütet Rüdeger!
Der löst den Eid so treu, als tät ers gern,
Doch ist er jetzt schon ganz allein!
KRIEMHILD.
So hilf!
HILDEBRANT.
Man schlägt die Nibelungen ohne mich! –
Dankwart, du lehnst dich müßig in die Ecke,
Statt deine Pflicht zu tun? Siehst dus denn nicht,
Daß Volker stürzt? – Ach, er hat guten Grund,
Die Mauer hält ihn aufrecht, nicht der Fuß,
Der ihn durch tausend schwere Kämpfe trug! –
O Gott!
KRIEMHILD.
Was gibts?
HILDEBRANT.
Sie liegen Brust an Brust!
KRIEMHILD.
Wer?
HILDEBRANT.
Rüdeger und der Tronjer!
KRIEMHILD.
Schmach und Tod!
HILDEBRANT.
Spar dir den Fluch! Sie waren beide blind
Vom angespritzten Blut und tasteten
Herum, um nicht zu fallen.
KRIEMHILD.
Da verzeih ichs.
HILDEBRANT.
Jetzt wischen sie die Augen, schütteln sich,
Wie Taucher, küssen sich und – Willst du mehr,
So steige selbst herauf und schau hinein.
KRIEMHILD.
Was könnt es nun noch geben, das mich schreckte?
Steigt empor.
HAGEN ihr entgegen, als sie die Treppe halb, erstiegen hat.
Der Markgraf Rüdeger bittet um sein Grab!
ETZEL greift nach dem Helm, den ihm ein Diener reicht.
Nun ists an mir, und keiner hält mich mehr.
DIETRICH.
Es ist an mir, der König kommt zuletzt.
Geht in den Saal.
HILDEBRANT.
Dem Herrn sei Preis und Dank! Die Kraft der Erde
Ward in zwei Hälften unter uns verteilt,
Die eine kam auf all die Millionen,
Die andre kam auf Dietrich ganz allein.[317]
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