Unser Hufeisen

[214] Im Solling, auf sonnigen Waldeshöhn

Altheimischer Weserlande,

Hinschlenderten wir – der Tag war schön –

An reifender Felder Rande.


Du stecktest Gerste, Roggen und Korn,

Drei volle, wiegende Ähren,

Zu roten Raden und Rittersporn –

Wir schwelgten in ländlichen Sphären.


Da, wie wir so streiften den Rain entlang –

Die Lerchen stiegen im Blauen

Und sangen dem Sommer den Jubelgesang –

Sah ich scharf zu Boden dich schauen.


Ein altes Hufeisen lag bestaubt

Zur Rechten im Fahrgeleise ...

Du nahmst es – wir haben gleich dran geglaubt –

Ich trug's ... es ging mit auf die Reise.


Im Koffer verpackt zwischen Prosa und Reim,

Siebensachen, Andenken und Kragen,

Hat das Nageleisen ins neue Heim

Uns hannoversche Erde getragen.
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Erde vielleicht von derselben Spur,

Wo vor Zeiten zu Rosse nach Bremen

Mein Vater geritten stromabwärts die Tour,

Gold für Getreide zu nehmen.


Erde vom selben Pfade vielleicht,

Wo im sommerlich blühenden Schmucke

Die Mutter heiter die Hand ihm gereicht

Zur Rückkehr mit liebendem Drucke ...


Nun hängt uns das alte Hufeisen schlicht

An dicker, geschmiedeter Kette,

Umschließt des Eingangs glühendes Licht

Und stärkt und segnet die Stätte.


Das soll mit seiner gebogenen Kraft

Um die leuchtende Birne sich krümmen,

Neu Leben mit wurzelzäher Haft

Soll zaubrisch drin glühen und glimmen.


Es künde den Freunden ein echtes Herein!

Soll treu sich und wirksam erweisen,

Und mag es ein Köhlerglaube nur sein,

Uns ist es ein Glaube von Eisen.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 214-216.
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