Im Café

[48] Gläser klirren,

Plaudereien schwirren,

Übers Billard saust der glatte Ball;

Zigaretten glimmen,

Blaue Wölkchen schwimmen,

Flinke Kellnerschöße überall.

Ist ein Summen und Zeitungsrauschen,

Kugelstoßen und Debattieren –

In der Ecke bequem zu lauschen,

Mag ein Weilchen mich amüsieren.

Aus dem Geschlacker zum Heil meiner Seele

Lockte der gütige Gott ins Café,

Wärmender Mokka rinnt in die Kehle,

An den Scheiben verträut der Schnee.

Jener Spieler, der elegante,

Weit vorbeugt er die schlanke Gestalt

Über des grünen Tuches Kante –

Lächelnd richtet sich auf der Gewandte,

Glücklich Kugel auf Kugel prallt,

Und ein lohnendes Bravo schallt.

Mir zur Seite die beiden alten

Herren legen die Stirn in Falten,[49]

Schwierig scheint die Situation:

Mit dem nächsten kühnen Zuge

Naht die Entscheidung, naht im Fluge,

Wird trotz seinen Trabanten jetzt

Majestät schachmatt gesetzt,

Und kein Turm, kein Bismarck naht ...

Drei Studenten – versteht sich – Skat ...

Zwischen der Gäste gleichgültigen Reihn

Drückt sich frostzitternd von Tisch zu Tisch

Lilienbläßlich ein Mägdelein,

Rosen im Korbe, junifrisch.

Von dem Rotblond wirrer Locken

Niederschmelzen die nassen Flocken,

Daß das Wasser dem armen Kind

In den offenen Nacken rinnt.

»Rosen, Rosen!«

Freudelosen

Schrittes schleicht's hinaus in die finstre Nacht.

Wirbelnder Schneesturm braust.

Gläser klirren,

Plaudereien schwirren,

Eine Kugel über die Barrière saust ...

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 48-50.
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