Perpetua

[246] Perpetua, heil'ge Martyrin,

Gegrüßet sei mir tausendmal!

Wer trug wie Du so hohen Sinn?

Wer litt wie Du so herbe Qual?


Das hingewürgte Gotteslamm,

Das schmiegte sanft sich an Dein Herz;

Der für uns starb am Kreuzesstamm,

Der nahm dem Tode seinen Schmerz.


Du gingst, als gingest Du zum Tanz,

Mit klarem, freudigem Gemüth

Und wandest schön den Flechtenkranz

Und sangst ein hoch begeistert Lied.
[247]

Du drückst noch einmal an die Brust,

Das Du gebarst, das zarte Kind,

Hebst es empor mit Opferlust

Und giebst es dann zurück geschwind.


Da reißt von Deinem keuschen Leib

Die Kleider eine freche Hand:

Du bist nicht nackt, Du edles Weib,

Du bist gehüllt in Lichtgewand.


Man hetzt auf Dich das wilde Thier;

Du siehst es an und wehrst Dich nicht

Und sprichst: »Ihr Lieben, seht an mir,

Wie sanft ein Christenherz zerbricht.«


Wie war Dein ganzer Leib so wund,

Wie reichlich floß Dein reines Blut!

Da ward es manchem Herzen kund,

Woher Dein freudenvoller Muth.


Das hingewürgte Gotteslamm,

Das schmiegte sanft sich an Dein Herz;

Der für uns starb am Kreuzesstamm,

Der nahm dem Tode seinen Schmerz.
[248]

Die Du auf dieser dunkeln Erd',

Von Qual und Kampf und Tod bedrängt,

Zum Glauben Viele hast bekehrt,

So Viele zu dem Heil gelenkt:


O solltest Du im Himmel nun

Zu Füßen unsers Jesu Christ

Für uns nicht noch ein Gleiches thun?

O, bitt' Ihn, daß Er gnädig ist.


O, bitt' Ihn, daß Er uns vereint

In Seiner Kirche allzumal,

Und daß, so weit die Sonne scheint,

Auch leuchte Seiner Lehre Strahl.


Berlin, 1817.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 246-249.
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Lieder (Ausgabe von 1879)
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