[495] Das süßeste Genießen
Ist, nichts von Stolze wissen,
Sich seiner Demuth freun.
Wer seiner Pflicht sich freuet
Und jede Hoffart scheuet,
Der fühlt das Glück, er selbst zu sein.
Was nützen uns die Gaben,
Die wir, nicht Andre haben,
Wenn wir nicht brauchen sie?
Was stören uns die Gaben,
Die Andre für uns haben?
Wer sich hat, der entbehrt sie nie.
Mit Dir hast Du verloren
Dich selbst, Dich selbst, den Thoren,
Der Alles übernahm.
Was hast Du als Dein Leben?
Und ward es Dir gegeben,
Daß Du's verschwendetest im Gram?
Herr, laß uns unser Fehlen
Und unsre Tage zählen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns selbststehend werden
Und vor Dir, hier auf Erden
Wie dort im Himmel, Kinder sein!
Was nützen uns Geschäfte,
An die wir unsre Kräfte
Verschwenden ohne Pflicht?
In uns, in uns zu wohnen,
Uns durch uns selbst zu lohnen:
Die Demuth gieb uns, Hochmuth nicht!
In Wolken schwinden Dünste,
Nach Wolken zielen Künste,
Die sich des Leeren freun.
In wem sich Menschheit reget,
In wem sich Kraft beweget,
Der fühl' das Glück, er selbst zu sein!
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