Berlin 8

[188] Schornsteine stehn in großem Zwischenraum

Im Wintertag, und tragen seine Last,

Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast.

Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum.


Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus,

Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt,

Und auf vereisten Schienen mühsam schleppt

Ein langer Güterzug sich schwer hinaus.


Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein,

Die Toten schaun den roten Untergang

Aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein.


Sie sitzen strickend an der Wand entlang,

Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein,

Zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang.
[188]

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 188-189.
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