Achte Scene.


[471] Rose. Die Mutter von rechts zurückkehrend.


MUTTER noch draußen.

Da ist sie! Hab' ich's doch gewußt! O Kind,

Wie soll ich ohne dich –

ROSE.

Mutter, was kehrt Ihr

Noch einmal um?

MUTTER eintretend.

So soll ich gehn, du Angstkind,

Und dich hier sterben und verderben lassen?

Nun bleib' ich auch, nun bringt mich Nichts mehr fort.


Setzt sich auf einen Stuhl links, nahe dem Schreibsecretär.


ROSE.

Mutter!

MUTTER.

Zum zweiten Mal, du Hinterlist'ge,

Schaffst du mich nicht beiseit'. Ich war dabei,

Als meine Eltern und dein Vater starben,[471]

Und allen Drei'n drückt' ich die Augen zu,

So weh mir's that. Jetzt will ich auch dabei sein,

Wenn unsre arme Stadt begraben wird.

ROSE.

Ja, Mutter, Ihr habt Recht.

MUTTER.

Gieb mir die Bibel.

Ich fand erst gestern einen schönen Spruch,

Wie unser Herr im Schwachen mächtig ist.

ROSE.

Hier, Mutter!

MUTTER.

Gieb. Ich will's schon wieder finden.

ROSE für sich.

Sie weiß noch nicht; ich will es ihr verschweigen.


Wieder am Fenster.


Da sind sie schon am Schleusenthor. Ich sehe

Die weißen Haare meines lieben Pathen.

Er wendet sich. Die Sonne scheint so klar

Auf seine offne Stirn. Nun deutet er

Hinüber nach dem Stadtwald. Setzt nicht eben

Ein Trupp des Feindes dort sich in Bewegung?

Mutter!


Sich umwendend, erblickt sie Gneisenau.


MUTTER.

Mir däucht, es war im Römerbrief.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1872–1910, S. 471-472.
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