Hunger macht Narren gescheid.

[18] Anno 1713. hat sich Gumer / nahe bey Nogent an der Seyne / zugetragen / daß eine geraume Zeit taub und unsinnig gewesen / ein 22. jähriges Mägdlein / nachdem sie sich aus der Bewahrung ihrer Befreunden /die schlechte Leute auf dem Land waren / und sie aus Mitleyden aufgenommen hatten / losgemacht / in einen dick dabey gelegenen unsichern Wald geloffen /in demselben 5. Täg lang ohne alle Nahrung und ohne[18] Noth von denen Wölffen / deren es doch daselbst eine grosse Menge gibt / verharret / und als mittler Zeit ein sehr kalter Sturm und Regen mit Hagel untermischt /so hefftig entstanden / daß man keinen Hund / geschweige ein so elend und schlecht gekleides Mensch gern hinaus lassen hätte / auch 2. gantzer Täge gewähret / endlich von denen Nachbarn / absonderlich einigen Jägern aufgesucht / am sechsten Tag / und zwar zur männiglicher Verwunderung ihrer Taubheit und Unsinnigkeit gäntzlich befreyt / frisch und gesund / zwar vom Hunger und Kälte etwas abgemattet gefunden / hineingeführet / geliebet / und von vielen Curiosen besucht worden.

Quelle:
Hilarius Salustius, / MELANCHOLINI / wohl-aufgeraumter / Weeg-Gefärth, / Vorbringend / Lächerliche, anbey kluge Fabeln, [...]. Gedruckt im Jahr 1717, S. 18-19.
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