Mailied

[47] In des Maies schönen Tagen,

Auf, frisch auf! und lasst uns jagen

Durch den Wald und durch's Gefild.

Unsre Jagd gilt nicht den Füchsen,

Nicht den Hasen, Reh'n und Lüchsen,

Frei sei heute jedes Wild.


Auf, frisch auf! und lasst uns jagen

Alles Jammern, alles Klagen,

Alle Noth und Qual und Last;

Jagen lasst uns was uns bücket,

Was uns zwängt und drängt und drücket

In den tiefsten Waldmorast!


Jagt die reichen Hungerleider

Und die Hasser und die Neider

In den dicksten Dornenstrauch!

In die Nesseln werft den Hadrer,

An den Baum hängt jeden Nadrer

Und die Herrn Censoren auch.


Heute muß die Jagd gelingen:

Hört ihr nicht das Vöglein singen

Auf des Maies Blüthenast?

»Wer die Freude will gewinnen,

Muß zuvor den Kampf beginnen

Mit des Lebens Leid und Last.«

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder von Hoffmann von Fallersleben, 1. + 2. Theil, 1. Theil, Hamburg 1841, S. 47-48.
Lizenz:
Kategorien: