Przetislaues an Juthen

Przetislaues an Juthen

[21] Hier schreibet, dessen Hand und Auge du nicht kennest,

Der dich nur durch Bericht allein hat angeschaut,

Erweg' eh' als du mich zu kühn und thöricht nennest,

Wie Lieb und Hoffnung uns viel fremde Schlösser baut.

Ich weiß es die Vernunfft reimt dieses nicht zusammen,

Ich war durch dich beraubt, und sahest mich doch nicht,[21]

Doch dencke, daß die Brunst mit kräfftenreichen Flammen,

Durch Mauer der Vernunfft und der Gesetze bricht.

Ich muß es nur gestehn und schreib es unverholen,

Dieweil die Feder mir durch Liebe wird bewegt,

Du hast, dir unbewust, das Hertze mir gestohlen,

Und in das Kloster hin nechst den Altar gelegt.

Sucht mancher nicht mit Angst ein Schaf viel Tag und Wochen?

Ist mancher nicht bemüht zu finden einen Stein?

Wie sollt ich Armer denn nicht auch mein Hertze suchen?

Man weiß das ohne diß wir todt und nichtig seyn.

Doch nehm' ich ohne dich mein Hertze nicht zurücke,

Ich will die Räuberin und auch den Raub zugleich,

Nicht wundre dich darob, es seyn zwey liebe Stücke,

Ich achte sie vielmehr als meines Vaters Reich.

Es kan mein Hertz und Du nicht Kloster Luft vertragen,

Die Kutte, wie mich deucht, steht beyden übel an,

Der, dessen Psalm du singst, wird dir es selber sagen,

Daß Brunst und Jugend nicht gebunden werden kan;

Mein Fräulein, solt du dich die Glocke meistern lassen?

Solst du dem kalten Ertzt stets zu Gebothe stehn?

Soll denn dein zarter Arm nur Holtz und Stein ümfassen?

Willst du gesund und jung zu deinem Grabe gehn?

Willst du die Zelle dir vor einen Thron erwehlen?

Verwest dein schöner Leib im Kloster vor der Zeit?

Will dann dein süsser Mund nur Vater unser zehlen?

Soll deine Rose seyn im Frühling abgemeit?

Nein diese Blume war zu etwas mehr gebohren,

Es öffnet sich vor Sie das Paradieß der Welt,

Es hat der Thau der Lust ihr schönes Blat erkohren,

Und will als Perle hier auf Nacker seyn gestellt.

Der Klostergarten ist zuschlecht dich zu verschlissen,

Kein Auge kennt allhier die Hohheit deiner Pracht,

Und wilst du meinen Sinn in wenig Worten wissen,

Das Chor und alles diß ist nicht vor dich gemacht.

Das Alter sucht die Ruh, die Jugend liebt die Freude,

Der Winter Traurigkeit, der Frühling Spiel und Lust.

Was runtzlicht ist den Schleir; vor dich ist Gold und Seide,[22]

Die Liebe bettet ihr auf deiner weissen Brust.

Sie läst sich wie es scheint auf Schwanen Federn wigen,

Dein süsser Athem ist ihr lieblicher Zibeth.

Dein Haar wird ihr zum Schirm, dein Aug' ist ihr vergnügen,

So wie ein lichter Stern bald auf- bald unter geht.

Ich weiß dein rother Mund wird mir entgegen setzen,

Daß man den Kloster Bund nicht leichtlich brechen kan,

Daß du für eine Braut des Himmels bist zuschätzen,

Und dessen Willen auch must leben unterthan.

Gewiß diß ist ein Wort umzirckt mit tausend Schrecken,

Waß aber schrecket uns, wenn Fleisch und Blut erwacht?

Ein brünstig Aug' erkießt nicht alle kleine Flecken,

Es ist auf seine Lust und sonst auf nichts bedacht.

Und dencke nur: wer kan sich gäntzlich binden lassen,

Viel Sachen seyn wie Glaß und scheinen trefflich wohl,

Man kan sie meisterlich in schöne Worte fassen,

Doch wann man nun den Spruch zuwercke richten soll,

So wird das höchste Gold uns oft zu Dunst und Winde,

So fehlt der Moses selbst, der die Gesetze trägt,

So wird was Lehrer war, zu einen schlechten Kinde,

Und oftmahls wird der Artzt in das Spital gelegt.

Ich lobe zwar die Hand so Klöster hat erfunden,

So hier den ersten Stein hat in den Grund gesenckt,

Ich lobe diesen Geist, der Fleisch und Bluth gebunden,

Und noch, als Engel, nicht auf heisse Regung denckt.

Wo aber ist doch wohl dergleichen Volck zu finden?

Die Mauren weiß ich zwar, den Orden kenn ich auch,

Viel tausend wollen sich der Keuschheit unterwinden,

Doch Dornen lassen nicht den edlen Rosen Strauch.

Daß einer dort und hier des Fleisches sich entrissen,

Das weiß ich, doch es seyn auch Sonnen ihrer Zeit;

Ach Fräulein, unser Schluß steht gar auf schwachen Füssen,

Wann uns die Hand der Lust mit ihren Körnern streut.

Es ist hier nicht genug die Hände rein zuhalten,

Es muß der edle Geist hier auch als Jungfrau stehn,

Was sonst zu Brande wird, muß wie das Eiß erkalten,

Und mit dem Willen stets in weissen Atlas gehn.[23]

Das Fleisch nicht anzusehn, das Fleisch nicht zubegehren,

Muß warlich hier ein Wort und eine Meinung seyn,

Der auch der Träume sich nicht weißlich kan erwehren,

Der setze doch den Fuß nicht in das Kloster ein.

Und was man auch forthin vom Kloster Leben sage,

Ich rede hier als Mensch und Bürger dieser Welt,

Das Kloster und sein Joch ist nur der Jugend Plage,

In dessen Einsamkeit der Krantz der Lust zerfällt.

Mein Fräulein übe dich den Freudens Baum zu lieben,

Es hat das Paradieß diß Werck schon angeschaut,

Es hat es iederzeit die Jugend fort getrieben,

Eh' eine Nonne war, ward Eva zu der Braut.

Ein mehrers kan ich itzt der Feder nicht vertrauen,

Mehr saget dir ein Mund der meine Zunge trägt,

Der wird dir Sonnenklar die Regung lassen schauen,

So mich den kleinen Brief zuschreiben hat bewegt.

Ich leg ihn ohngescheut zu deinen Füssen nieder,

Es nehm ihn deine Faust mit gleichen willen an,

Doch gib vor einen Brief mir auch mein Hertze wieder,

Der ohne diß und dich nicht ferner leben kan.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 21-24.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon