[159] Daß ihrs nur wisset dergestalt
Ich hier an diese Wand gemalt.
Mit mir treibt besser keinen Spott.
Bin unser Herr der liebe Gott.
Ich sehe mir die Menschen an
So gut ichs unverrathen kann.
Wie sie verworren stehn und gehen
Sich selber und Leben nicht verstehen
Und bei ihren Geschichten und Sachen
Kommt mir manchmal ein heimliches Lachen.
Wie sie ihr Herz an Puppen hängen
Und in fertige Kasteln das Leben zwängen.
Oft sind's auf ihre Gedanken stolz
Als wärens aus Schildkrot und Ebenholz
Sind oft von Trugbildern so besessen
Dass sie aufs Wirkliche vergessen.
Sie lernen nimmer sich bescheiden
Und wollen immer von Lust und Leiden
Die allertiefsten Wurzeln fassen
Die sich halt nicht betasten lassen
Und mit solchem Graben und Wühlen
Springt Glanz und Schmelz von den Gefühlen.
Und das Leben ist doch so eingerichtet
Dass es mit einem spielt und dichtet.
Man muss sich nur recht führen lassen
'S führt einen die wunderlichsten Straßen.
Auf eines werden zu ihrem Frommen
Sie doch mit Grübeln nimmer kommen.
Zwar sie zerfaserten's auch recht gern
Doch ist es der tiefste verschlossenste Kern.
Ich meine den Grund von allen den Sachen
Die selig und die elend machen.
Warum kann man aus Menschenaugen[160]
Die grenzenlose Seele saugen?
Warum liegt Weinen im wandernden Wind?
Warum giebts Gärten die traurig sind?
Und lächelnde Lippen ein rundes Kinn –
Was haben die für einen Sinn?
Warum ist irgend ein Geigenklang
Unsäglich lockend süss und bang?
Warum sind Kinder schön? Warum?
Das Leben ist halt einmal stumm.
'S ist ihnen wenig nur bekannt
Mit welchem verworrenen Gedränge
Welch unirdisch dumpfer Menge
Sie eines sind und nah verwandt.
Ausgewählte Ausgaben von
Die Gedichte 1891-1898
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