Unendliche Zeit

Wirklich, bist du zu schwach, dich der seligen Zeit zu erinnern?

Über dem dunkelnden Tal zogen die Sterne herauf,

Wir aber standen im Schatten und bebten. Die riesige Ulme

Schüttelte sich wie im Traum, warf einen Schauer herab

Lärmender Tropfen ins Gras: Es war keine Stunde vergangen

Seit jenem Regen! Und mir schien es unendliche Zeit.

Denn dem Erlebenden dehnt sich das Leben: es tuen sich lautlos

Klüfte unendlichen Traums zwischen zwei Blicken ihm auf:

In mich hätt ich gesogen dein zwanzigjähriges Dasein

– War mir, indessen der Baum noch seine Tropfen behielt.

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 176-178.
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