Zweiter Akt

[115] Die große Stube in Pehrson Dahlsjös Haus. Die linke Wand der Stube wird von der Felswand des Berges gebildet, an den das Haus angebaut ist. Nur ganz vorne links ist der Raum für eine kleine Tür, die in einen schmalen Gang führt. Rechts zwei Fenster in den freundlichen Garten. In der Mitte des Hintergrundes eine Tür ins Vorhaus, daneben links eine kleine Tür zu Annas Kammer. Rechts vorne eine Tür zu Dahlsjös Stube. Im Hintergrund rechts von der Ausgangstür noch ein Fenster in den Garten: hier werden alle zuerst sichtbar, die ins Vorhaus und von dort in die Stube treten. Mitten ein schwerer eichener Tisch, links vorne ein altertümlicher Lehnstuhl für die Großmutter. In der linken natürlichen steinernen Wand an Haken allerlei altertümliches Berggerät: Bergeisen, Spitzhämmer, Handfäustel, Grubenlampen.

Pehrson Dahlsjö steht an der Tür im Hintergrund. Vor ihm der Knecht, der ein mäßig großes Felleisen hält. Christian vorne, reisefertig, seine Kappe in der Hand, steht zwischen der Großmutter, die in ihrem Lehnstuhl sitzt, und Anna, die seine linke Hand in ihren beiden hält.


DAHLSJÖ zum Knecht.

Die Lis ist krumm? So spann den Falben ein

In Gottes Namen. Acht auf das Felleisen,

Sind gute Kleider drin, daß es nicht naß wird.


Der Knecht mit dem Felleisen ab.

Dahlsjö am rückwärtigen Fenster, weist ihm noch etwas.


CHRISTIAN.

Schwester, leb wohl; du weinst nicht, du bist brav.

Es ist auch nicht zum Weinen. Wer ein Mann

Will heißen, muß die Welt gesehen haben.

Was seh ich hier? Das Tal ist eng und klein.

Nein, schöner, schöner – weiß ich – ist es nirgends!

Allein, müßt ich hier bleiben immerfort,

Mich täts ersticken. Du verstehst das nicht,

Weil du ein Mädel bist.[115]

ANNA.

O ich versteh dich.

Wär ich ein Bub, wie gern ging ich mit dir,

Schlief jede Nacht in einem andern Bett,

Säh jeden Tag was Fremdes.

CHRISTIAN.

Darum ists nicht.

Ich spür es nun einmal, ich muß hinaus.

Da drunten in den großen Städten, wo wir

Die Handelsfreunde haben, muß ich wohnen,

Muß mich umtun, muß sehen, wie sies treiben.

Hier rollt im alten Gleise alles fort,

Und was geschieht, mir ist, als wär es nichts.

Ich will gehorchen lernen und befehlen,

Ertragen was ich soll, und wagen was ich darf,

Will sehn, wies zugeht dort, wo Bettelbuben,

Emporgewühlt vom blinden Ungefähr,

Fürstliche Töchter heuern, wo verfallne

Berühmte Männer, die ein Flugblatt schildert,

Sich irgendwo in einem finstern Stall

Mit Hund und Katz um einen Knochen balgen,

Wo alles zu gewinnen ist und alles

Der Preis kann werden, den man zahlen muß,

Wo tausend Falltür'n lauern, wo – was weiß ich! ...

DAHLSJÖ hinzutretend.

Laßt ihn nur gehn. Ihn leidets nicht bei uns.

Er hat ganz recht. Da ist ein zu eintönig Leben.

Da ist ein Vater, der einsilbig wird,

Ein Bergwerk, dessen Adern allgemach

Versiegen, alles das schleppt sich so hin,

Dann kommt ein Tag, da wird es stocken. Laßt ihn:

Er ist so eine von den klugen Ratten:

Er geht rechtzeitig seines Weges, laßt ihn!

CHRISTIN.

So bitter, Vater, du! und, Kleine, dein Gesicht

Auch blaß und bebend vom verhaltnen Weinen?

Großmutter, so hilf du mir, sag es ihnen:

Was nütz ich hier dem Werk, wenn ich gleich bleib.

Ich will was lernen, ich will durch die Welt,

So wie dein Vater: triebs den nicht zu uns[116]

Durch Gott weiß wieviel Königreich' und Länder?

Von drunten aus dem Venezianischen

Kam er, als hätte ihn ein Stern geführt,

Hierher in unser Tal. Sags ihnen doch!

In manchem Menschen steckts so wie in jungen Bäumen,

Daß er umgraben werden muß, auf daß

Die Wurzeln ihm im Boden nicht verwesen.

Wie gern wär ich schon wieder da, nur laßt mich!

GROSSMUTTER.

Ja, ja, laßt ihn den Weg gehn, den er will,

Zwängt ihr zu bleiben ihn, er könnte sich

Auch wachend schwerer Träume nicht erwehren.

Ein Etwas treibt ihn vorwärts: laßt ihn gehn,

Ausschütten all sein Finstres in die Welt!

Kehrt er zurück, wie hell ist ihm das Tal,

Wie gern umarmt er die, die dann noch da sind.


Dahlsjö hat inzwischen aus der Stube rechts vorne einen gefüllten Lederbeutel gebracht, den er Christian zusteckt.


CHRISTIAN halblaut.

Vater, das ist mehr, als die Abred war.

So haben wirs doch nicht.

DAHLSJÖ.

Laß gut sein, Christian,

Du wirst es brauchen. Nein, nicht viele Worte!


Er tritt mit Christian etwas nach rechts, von den Frauen weg.


Ob deines Vaters Haus ein gutes Haus war,

Das wirst du draußen, kann sein, innewerden.

Christian, wirf dich nicht weg: bleib lieber durstig,

Als daß du trinkst, wo dich der Becher ekelt.

Es schwindet alles, alles gleitet hin,

Dein Leib bleibt dir nicht treu, kaum bist dus noch,

Doch daß du deine Lippe hast befleckt,

Das bleibt, und wär die Lippe weggeschwunden.


An der Türe rechts vorne.


Komm her, schau noch einmal hinein: da drinnen

Steht deiner Mutter Bette und das deine:

Da drin bist du geboren und die Anna,

Und deine Mutter starb da drinnen.


Leise.


Christian,[117]

Eh dir ein Weib was wird, so frag dich selber,

Ob sie dir gut genug wär, da hinein

Mit ihr zu gehn. Die's nicht ist, rühr nicht an!

Jetzt geh, mach schnell.

ANNA.

Ich fahr mit dir im Wagen

Bis zu der Mühle, dann lauf ich zurück.

Ich wollt, ich wär ein Bub, sei lustig, Bruder!

CHRISTIAN.

Du, bis ich wiederkomm, vielleicht –

ANNA.

Nein, nein, nein!


Will lachen, muß aber weinen, läuft zur Tür hinaus, ihr Weinen zu verbergen.

Christian umarmt die Großmutter.


ANNA ruft durchs Fenster herein.

Schnell du, der Falbe scharrt schon!

CHRISTIAN.

Vater, Vater!

DAHLSJÖ.

Leb wohl.

CHRISTIAN geht, man sieht ihn und Anna rasch am Fenster vorbeikommen.

DAHLSJÖ nachdem er durchs Fenster nachgesehen, tritt nach links vorne in die Nähe der Großmutter; seine Stimme klingt gepreßt.

Da geht er fort: mir ist recht schwer ums Herz.

Die Kinder, das ist wahr, die stürmen hin

Und wissen nicht, was in den Eltern vorgeht.

Und öfter wärs mit einem Fremden leichter

Zu reden als mit ihnen. Mutter, hörst du mich?

GROSSMUTTER.

Ja, mein Kind, ja.

DAHLSJÖ.

Es steht nicht, wie es soll,

Mit uns. Und ich glaub, ich bin schuld daran.

Ich hab das Bergwerk wohl geerbt vom Vater,

Allein das andre hab ich nicht geerbt.

GROSSMUTTER.

Was denn?

DAHLSJÖ.

Die große Kraft und Ständigkeit,

Die Macht. Siehst du: sie waren andre Leute.[118]

Der Vater, der Großvater, ihnen wär

Nicht widerfahren, was mir widerfährt.

Wo sie den Balken legten, stand der Fels

Und drängte nicht herab; wo sie dem Wasser

Ein Wehr hinbauten, duckte sich das Wasser;

Wo sie die Knappen hießen Licht hintragen,

Da floh der Dunst und fraß das Licht nicht auf.

Wo ich mein Bergwerk führ, frißt mich das Wasser,

Das Wetter schlägt, der Felsen drückt mich tot.

Weich ich zurück und bleib, wo sie mirs bauten,

So weicht das Erz vor mir in seinen Adern

Nach rückwärts. Mutter, hörst du, was ich sag?

GROSSMUTTER nickt.

DAHLSJÖ.

Manchmal, wenn ich im Bett lieg und nicht schlafe,

Ist mir, ich seh sie aus der Nische treten

Und hör sie leise reden über mich.

Da sagt der Vater zum Großvater – beide

Deuten auf mich –: »Das ist ein schwacher Herr,

Der wird das Haus vertun, das wir ihm bauten.«

Da überläufts mich siedendheiß, ich mach

Ein Licht und geh umher im Haus und alles,

Mein ich, sieht mich mit stillem Vorwurf an.

GROSSMUTTER.

Komm, setz dich her zu mir.

DAHLSJÖ setzt sich zu ihr.

Ja, Mutter, alles

Sieht mich so an: das Bett, drin meine Frau

Im Wochenfieber starb, die Türen, hinter denen

Die Kinder schlafen, dieser Stuhl da, der,

In dem der Vater immer saß, das alles!

Mutter, könnt ich dir in die Augen schaun!

GROSSMUTTER streichelt seinen Kopf.

Mein Sohn! bist mehr als fünfzig und so weich!

Dein Vater war wohl anders ...

DAHLSJÖ.

Nicht wahr, Mutter!

GROSSMUTTER.

Allein darum bist du nicht schlimmer. Hast du

Noch nicht gefühlt, wie alles sich verzweigt?[119]

Wer ist denn stark, wer ist denn schwach? Mein Sohn,

Sieh, wie ich jung war, dünkt mich jetzt, ich war

Ganz Sehnsucht, nichts als ein beseeltes Auge.

Mit meinen Augen sog ich wie im Traum

Die Welt in mich hinein, von innen trat

Die Seele an dies Fenster, und dein Vater

Liebte mich um nichts andres auf der Welt.

Nun starben mir die Augen ab – und ich

Bin drum nicht minder ganz: im Innern drängt

Sich ein Gewinde, ein Gewühl empor,

Verbunden alles wie in Blumenketten.

Dich und die Kinder und die nicht mehr sind,

Ihr aller Schicksal fühle ich in Einem,

Wie wenn die Hände Blüten und Gezweige

Von einem Strauch betasten. Alles blüht!

Aufwachsen laß die Kinder, häng dein Herz

Nicht an dein Haus, hängs nicht an dein Gewerb:

Du kannst das Glück nicht in verschlossnen Höhlen

Dir halten, denn es atmet nur im Flug!

DAHLSJÖ.

Mutter, wie leicht muß dir die Seele sein!

Ich kann mein Herz nicht auftun, auf mir lastets!


Er steht auf.


GROSSMUTTER.

So geh nur deinen Sorgen nach. Bald, bald

Wechselt auch das. Ich hab so viel, so viel

Schon wechseln sehen. Wie der Christian sagte:

»Der Anna ihr Gesicht ist blaß«, da dacht ich:

So ist sie wieder anders: ein Jahr her,

Da wurde sie noch kindisch rot vom Weinen.

Hörst du die Amsel draußen? Die sitzt jetzt

Beim Singen nicht mehr, wo sie früher saß:

Wie schön das alles ist, auch wenn mans nicht sieht!

Hörst du die Anna kommen? Wie sie springt!

Sie ist doch noch ein rechtes Kind. Geh, geh,

Dein Bergwerk kommt auch wieder in die Höh.

DAHLSJÖ.

Wüßt nicht, wie das geschehen sollte, Mutter,[120]

Es stiege denn der Vater aus dem Grab

Und stieß mich weg und legte seine Hand an.


Er geht durch die Türe rechts hinaus.


ANNA kommt mit der fünfjährigen Rigitze rückwärts herein.

Ich hab mir die da mitgebracht vom Nachbarn,

Daß ich Gesellschaft hab. Da, geh hinein

Und hol dir eine Puppe aus der Kammer.


Nimmt aus einem Schrank an der rechten Wand Tischzeug und fängt an, aufzudecken.


KIND geschäftig bei ihr.

Ich helf dir.

ANNA.

Bin schon fertig.

KIND.

So erzähl mir!

ANNA.

Was?

KIND.

Von der Königstochter.

ANNA.

Welcher?

KIND.

Die

Hat gehen müssen und dem fremden Mann ...

ANNA.

Du weißts ja so.

KIND wichtig.

Der Mann war ein Soldat!

ANNA.

Was hat sie müssen?

KIND.

Ihn bedienen, alles:

Stiefel ausziehen, Zimmer kehren.

ANNA.

Nun?

KIND.

Warum hat sie ihm dienen müssen?

ANNA.

Weißts ja!

KIND.

Weil er die Lampe angezündet hat?

Ja? Sag!

ANNA.

Die Lampe freilich.

KIND.

Von der Hexe die?

ANNA indem sie den Tisch deckt.

Da zog es sie, sie mußte hin zu ihm

Und hatte beide Augen halb geschlossen

Und wußte nichts von sich und diente ihm.[121]

KIND.

Gibts solche Lampen, Anna? Sag mir, Anna!


Zupft sie.


ANNA singt halblaut, indes sie Messer und Gabel zu jedem Gedeck legt.

Er blickte ihr ins Herz hinein:

Du mußt mir ganz leibeigen sein!

Den Willen mach dem meinen gleich,

So wird mein Herz so freudenreich.


Indessen trippelt das Kind in die rückwärtige Kammer, deren Tür links von der ins Vorhaus führenden größeren Tür.


ANNA.

Da leg ich für den Christian ein Besteck!

Der Platz bleibt heute leer. Nun wein ich doch!


Nach einer Pause.


Daß unsereins die Welt so gar nicht kennt!

Es gibt so viele schlechte Menschen, heißt es.

Wie die nur sind? Mit Absicht schlecht, Großmutter?


Eine kleine Pause.


Ob er zu solchen kommen wird, die ihn

Darum nicht leiden mögen, weil er fremd ist?

Ob er manchmal auf seinem Bett wird sitzen

Und gar nichts um sich haben, was ihm lieb ist,

Nichts Heimliches, nichts Zutrauliches fühlen

Als seine eigenen zwei armen Hände

Vor dem Gesicht! Großmutter, wird das sein?


Eine kleine Pause.


Großmutter, schläfst du?

GROSSMUTTER.

Nein, ich denk und seh

Den Christian in einem fremden Haus.

ANNA.

Und wie denkst du dirs aus? Sind sie ihm freundlich?


Eine kleine Pause.


Großmutter, wenn zu uns ein fremder Mensch

Tät hereintreten, wär er häßlich auch

Und rauh und gäb er uns kein freundlich Wort,

Ich mein: wärs einer, der die Menschen haßt,

Vielleicht, weil sie ihm unrecht tun, verstehst du,[122]

Solch ein Verfolgter, wie man manchmal hört ...

Ich kann mir gar nichts so wie du ausdenken,

Ich bin recht dumm. Allein, ich mein, wir müßten

Gut sein zu ihm, nicht wahr?

GROSSMUTTER aufstehend.

Ja freilich, Kind.

ANNA.

Gehst du in Garten?

GROSSMUTTER die kleine Tür links vorne aufdrückend.

Nein, in meine Kammer.


Anna summt vor sich hin, indem sie mit dem Aufdecken zu Ende kommt.

Kind in der rückwärtigen Kammer, schreit kläglich.


ANNA.

Das Kind! Was ist mit dir, Rigitze, was?

KIND läuft auf sie zu, preßt den Kopf an sie.

ANNA.

Was ist? Ich bin bei dir!

KIND mühsam.

Ich fürchte mich!

ANNA.

Warum denn? Sag mir doch, warum!

KIND.

Am Fenster ...

ANNA.

Am Fenster ist kein Mensch, schau hin! kein Mensch!

KIND stockend.

Er war am Fenster, draußen...

ANNA.

Wer?

KIND von Angst geschüttelt.

Der Torbern!

Der alte Torbern! Ich hab ihn gesehn!


Verbirgt den Kopf.


ANNA küßt sie.

Wer hat dir denn von dem erzählt?

KIND.

Der Pehr,

Und auch der Onkel, Anna!

ANNA nimmt sie in den Arm.

Kind, mein Kind:

Der alte Torbern lebt ja längst nicht mehr!

KIND.

Ja, ja! Er ist ein Zauberer! Der wars![123]

ANNA.

Warum muß ers gewesen sein?

KIND.

Er hat so ausgeschaut.

ANNA.

Wie denn?

KIND.

Mit blutigen Augen, und der Hals

So lang und nackt!

ANNA.

Rigitze, jetzt merk auf:

Der Torbern war einmal ein weiser Bergmann,

Den hat der Berg verschüttet, und das ist

Zweihundert Jahr jetzt her.

KIND.

Zweihundert Jahr?

Das ist sehr lang?


Nickt.


Er ist sehr alt.

ANNA.

Mein Kind,

Kein Mensch kann so lang leben.

KIND.

Gar kein Mensch?

Warum?

ANNA.

Weil alle früher sterben müssen.

KIND.

Warum?

ANNA.

Halt, wenn sie alt sind. Manche auch

Schon früher.

KIND.

Mußt du auch bald sterben? Sag!


Klammert sich an sie.


ANNA.

Merk auf: jetzt gehen wir hinein ins Zimmer,

Und ich näh deiner Puppe für den Sommer

Ein weißes dünnes Hemd.

KIND ängstlich.

Nein, nicht hinein!


Eine Pause.


KIND aufs neue furchtsam.

Sie haben doch gesagt, er geht herum!

ANNA.

Wer denn?

KIND.

Der Torbern.

ANNA.

Früher hat man das

Geglaubt.[124]

KIND.

Erzähl mir, was?

ANNA.

Daß er herumgeht ...

KIND fürchtet sich.

Ja, ja!

ANNA.

Nein, nein, nicht hier: im Land da draußen.

Und wenns an Bergleuten gefehlt hat hier,

So hat er neue hergeschickt.

KIND.

So alte?

ANNA.

Nein, junge.

KIND.

Hergeschickt?

ANNA gleichmütig.

Aus den Seestädten,

Und sonst vom Land.

KIND ängstlich.

Fehlts jetzt an Leuten, Anna?

Ich fürcht mich!

ANNA.

Hör doch auf, wir gehn in Garten

Und holen Petersil.

KIND läuft ihr voraus, am rückwärtigen Fenster in den Garten spähend, schreit es.

Da! da!

ANNA läuft hinzu.

KIND bei ihr.

Ein Mann!

Ein fremder Mann! Er kommt! Er ist im Garten!

ANNA.

Der ist ja jung! Wie einen du erschreckst!

Schau selber!

KIND den Kopf in Annas Schoß versteckt.

Kommt er? Hat er blutige Augen?


Elis wird am rückwärtigen Fenster sichtbar.


ANNA.

Wie du und ich!

KIND weint.

ANNA.

Du Ding, gib Ruh, ein Fremder

Wirds sein, der sich vergangen hat.

KIND an ihr hängend.

Nicht gehn!

ELIS tritt durch die Eingangstür, unschlüssig, die Klinke nicht loslassend.

Verzeiht, nicht in die Stube wollt ich treten,

Auch nicht ins Haus. Es führt ein Weg wohl durch ...[125]

ANNA.

Wie?

ELIS.

An den Berg.

ANNA.

Ein Pfad?

ELIS.

Ja, durch den Garten,

Wohl hinterm Haus.


Sieht sich um.


ANNA schüttelt den Kopf.

Kein Pfad führt hinterm Haus.

ELIS.

So trat er hier herein?

ANNA.

Wer trat herein?

Wen sucht Ihr?

ELIS.

Den, der eben vor mir kam.

ANNA.

Hier kam


Stockend.


kein Erdenmensch vorbei.

KIND.

Der Torbern!

ELIS.

Was sagt das Kind?

ANNA sieht ihn groß an.

Das Kind ist schreckhaft.

ELIS zwischen Tür und Angel.

Ja, verzeiht, ich geh.


Unschlüssig, vor sich.


Doch hab ich ihn gesehn: er sah sich um

Und zögerte am Kreuzweg, schritt dann links

Und deutete ... Der Weg führt durch den Garten?

ANNA.

Ins Haus, nicht weiter.

ELIS.

Aber an den Berg?

ANNA zeigt auf die Wand links.

Der Berg ist hier. Er springt uns hier ins Haus.

ELIS geht mechanisch hin, befühlt die steinerne Wand, schüttelt den Kopf, wendet sich, fortzugehen.

Ei ja. Ich geh. Schön guten Abend.

ANNA plötzlich, fast heftig.

Nein, sitzt nieder.

Ihr seid ermüdet, ich bring Euch zu trinken.

Ich fühl, Euch dürstet. Setzt Euch! Hier, ans Fenster.[126]

Ihr seht die Straße, und der, den Ihr sucht,

Wird wiederkommen – nicht? – nach Euch zu sehen!

Ich bitt Euch, ruht Euch aus!

ELIS steht an der Tür.

Was ist die Uhr?


Sieht nach der Wanduhr, für sich.


Noch sieben nicht. Gestern um diese Zeit

Da wars noch nicht.

ANNA zutraulich.

Der Vater kommt auch bald,

Er ist im Berg.

ELIS tut einen Schritt auf sie zu.

Er dient im Berg, nicht wahr?

ANNA.

Der Schacht, in dem er anfährt, ist sein eigen.

Wollt Ihr nicht sitzen, ich hol Euch schnell was.


Elis läßt sich an der untern Schmalseite des Tisches auf einen Stuhl nieder, halb umgewandt, daß er das Fenster rechts im Auge behält und auf die Straße achten kann.


KIND kommt zutraulich auf ihn zu.

Ich weiß ein Sprüchel!

ANNA die links rückwärts am Schrank kniet.

Quäl den Herrn doch nicht!

ELIS streichelt das Kind, halb zerstreut.

So sags nur, du.

KIND.

Seeleut sind lustige Leut,

Bauersleut sind geizige Leut,

Stadtleut sind schlechte Leut,

Bergleut sind rechte Leut.


Anna kommt nach vorne, stellt einen Krug und ein Brot vor Elis.

Eine kleine Pause.


ELIS.

Seeleut sind nicht so lustig, wie sie meint.

ANNA.

Ihr seid auch einer?

ELIS nach einer kleinen Stille.

Wo ich geboren bin, da sind auch Berge.

Dann zogen wir hinab.

ANNA.

Da ists wohl anders.[127]

ELIS.

Mit dreizehn kam ich auf ein Schiff.

ANNA.

So jung!

ELIS.

Nun ists mir wie im Traum, daß ich einmal

Im Herbst des Hirschen Schrei gehört, im Sommer

Des Kuckucks Ruf, und Lindenduft geatmet!

ANNA.

Wir haben auch drei Linden, da.


Zeigt durchs Fenster.


ELIS blickt hinaus.

Und drüben

Laubbäume viel.

ANNA.

Ja, dort den Bach entlang.

ELIS.

Mit Vögeln in den Kronen? Sterne blinken

Durchs Laub?

ANNA.

Zuweilen sind so schöne Nächte,

Doch lebt man immer hier, man achtets kaum.


Sie lehnt sich an den Tisch, zutraulich plaudernd.


Mit vierzehn, fünfzehn, da lief ich herum,

Bis dunkel war, und tief hinein in Wald.

Manchmal schlugs mir den Atem ein, mir war,

Es käm des Nöcken Singen durch die Luft,

Den ich erlösen müßte, ich allein.

Dann wieder triebs mich in den Büschen fort,

Und wie der Kuckuck rief und rief, so riefs

In mir, es war kein Wünschen, süßer wars

Als Sehnsucht, so beklommne Fülle wars

Und süße Leere, und er rief und floh

Und rief ... bis alles um mich dunkelte

Und durch das Laub die feuchten Sterne drangen.

Und wie sie winkten, da und dort um mich

Im stillen Bach aufblinkten und am Rand

Der dunklen Berge ruhten still wie Lämmer,

Da fing ich an zu zählen, aus dem Bette

Stieg ich im Dunklen und ich zählte sie,

Und die ich mir gezählt, die waren dann

Mir untertan und mußten mir einmal

Wünsche erfüllen. Gar wenn einer fiel![128]

Wie einem das entschwindet. Wenn nun Nacht ist

Und sie aufziehen droben ohne Zahl:

Ich mag gar nicht hinaufschaun, mich verwirrts.

Ja, gestern wie wir baden, weißt, Rigitze,

Im Dämmer, da fiel einer nah von uns,

So nah, daß ich mich unters Wasser duckte,

Denn er erhellte wie ein Wetterleuchten

Die Uferstauden rings. Ich red vor Euch

Schon alles! Was Ihr nur Euch denken müßt.

KIND eifrig.

Die Puppe war auch mit im Bad.

ANNA verlegen.

Ja, ja.

ELIS zerstreut, nach einem suchenden Blick durchs Fenster, wieder zu ihr gewandt.

Ein Wetterleuchten? Und Ihr ducktet Euch?

ANNA.

Nein doch, ein Stern, der fiel. Ihr macht mich rot.

ELIS.

Ich sah Euch auf den Mund und gab nicht acht.

Ein Stern, habt Ihr gesagt? ein Stern, der fiel?

Im Abenddämmern? fiel? Hier fiel mein Stern!


Steht auf, vor sich.


Es sind nicht Träume, oder dieses All

Träumt mit. Hier ist das Ende meines Weges.

Von hier muß ich hinab.

ANNA.

Seid Ihr unruhig,

Daß Euer Freund nicht kommt? Ihr seht verstört.

Wüßt ich nur ein gescheites Wort zu sagen.

Wollt Ihr nicht essen? Sagt, kommt Ihr weither?

ELIS.

Wenn, Anna, du einmal wirst meiner denken,

So wird es sein, als wie an einen Gast,

Der dir herabkam flüchtig, schattengleich

Von einem Stern, von einem funkelnd roten,

Des ganze Lebensluft ein schwindliges Gemisch

Von Wonne und Entsetzen. Niemals geht

Ein zweiter dir vorbei mit gleichem Schicksal.

ANNA sieht ihn mit großen Augen an.

Ich weiß nicht, was für ein Geschäft das sein mag,[129]

Das Euch hierhertrieb. Draußen in der Welt

Muß vieles sein, das unsereins nicht ahnt.

Allein Ihr seid noch jung und sprecht so wild

Und blickt so scheu um Euch, und Eure Augen

Sind überwacht. Ich bitt Euch, bleibt bei uns:

Wir sind zu drei; der Vater ist so gut,

Und wohnt Ihr hier bei uns, so kann Euch niemand

Was anhaben. Seht, hier ist ein Platz leer

An unserm Tisch, der Bruder ist heut fort

Für lang, und seine Kammer steht auch leer.

ELIS für sich.

Mit vielen Zeichen weisest du den Weg!

ANNA indem sie den in sich Versunkenen leise anrührt, wie Kinder tun.

Die Kammer ist nicht groß, doch licht und rein.

Merkt: – wenn Ihr aufsteht, morgen in der Früh,

So tretet leise auf, daß Ihr das Kind

Nicht weckt. Sie schläft mir dann nicht wieder ein:

Ich hab sie öfters über Nacht bei mir,

Und Eure Kammer ist der unsern über.

Hört Ihr? Nicht wahr, Ihr bleibt? Wärs auch für kurz!


Das Kind hat sich weggestohlen, ist in Annas Kammer gegangen und hat die Türe hinter sich angelehnt gelassen.


ELIS.

Jetzt steht die Tür von deiner Kammer offen:

Da wirst du leben drin und deine Tage,

Die werden kommen und vorüberrinnen


Anna geht, indessen er redet, leise hin und macht die Türe zu.


So wie der Brunnen draußen, hör nur, hör.

Und Nächte auch, erst solche wie bisher,

Dann eine, wo du liegst und glühst im Dunkeln,

Weil der im Dunkeln steht, dem du gehörst ...

Doch vorher noch so viel: des Kuckucks Ruf

Wird durch den Abend dringen, weit herab,

Weit hin, nur nicht hinunter, Stürme werden

Am Fenster rütteln, sanfte Regenbogen

Aufsteigen aus den Schluchten, immer wirst du

Die Glocken läuten hören, Anna, Anna –,

Ich will nicht ganz vergessen sein hier oben![130]

ANNA.

Gott sei uns gnädig! Wollt Ihr denn ins Grab?

ELIS die gefalteten Hände beschwörend vor seinen Mund erhoben.

Du bist so schön und gut, du mußt mich fassen!

Nimm, ich blieb lange hier, heroben, hier,

Bei euch im Haus, du sähst mich Tag um Tag ...

Dann käm ein Etwas und das zwänge dich,

An einem Morgen, einem Abend etwa,

Seis früher, später, einmal käms dich an

Und zwänge dich, mit einem andern Blick

Mich anzusehen: das käme so, das ist so:

Ich weiß vom Schiff, da war ein Junge drauf,

Ein halb Jahr aßen wir an einem Brett

Und schliefen in demselben Raum, ich sah ihn

Und sah ihn nicht, er war mir wie ein Holz,

Die Katz im Schiffsraum gab mir mehr zu denken. –

Bis einmal – er ist tot, er fiel von Bord –

Einmal, da lag er da und schlief, da kam ich

Und streift ihn und er schlug die Augen auf

Und zog den Kopf so zu der Schulter, da,

Da konnte ich ihn sehn, ich sah durchs Auge

Bis in sein Herz hinein, und von dem Tag

Half ich ihm bei der Arbeit, und des Abends

So setzten wir uns mit verschlungnen Fingern

In einem Winkel auf gerolltes Tau

Und sahen eins das andre an und schwiegen,

Und die uns spotten wollten, sagten: »Brautleut!«

Nimm, ich blieb lange hier, so käm der Tag,

Da du mich sehen könntest, wie ich bin ...

Allein, auch so, du hast nicht Ursach, freilich,

Allein so denk, du sitzest da im Garten

Und riechst zu deinen Blumen, und da tut

Der Grund sich auf und schlingt vor deinen Augen,

Der grüne Rasengrund, der dich sanft trägt,

Schlingt mich hinunter und im Sinken spräch ich

Zu dir, du fingst den letzten Seelenblick,

Der aus den schon verdrehten Augen schießt,

Mit deinen Augen auf, und eh die Erde

Den Mund mir füllte, rief ich noch zu dir:[131]

Du blasse rote Blume, wo du mein

Vergessen kannst, so hab ich nie gelebt,

Denn nichts bleibt auf der Welt, das mein gedenke.

ANNA.

So hast du keine Heimat, armer Mensch?

ELIS faßt sie an.

In dir! Denn du sollst meiner denken, sollst!

ANNA tritt einen Schritt zurück.

Weiß ich doch deinen Namen nicht einmal,

Nicht, wo du herkommst, nicht, wohin du gehst.

ELIS.

Und wenn ich dorthin geh, wo keiner rückkehrt?

ANNA.

Du willst dir Leid antun! Was ist auf dir?

ELIS sanft.

Nicht fragen, wenn ich geh, wo keiner rückkehrt,

Nimm, wenn ich ginge, Liebe, hör mir zu:

Wenn sie – und brächten dir die Botschaft wieder:

Er kommt nicht, darf nicht, kann nicht mehr zurück:


Dicht an ihr.


Sie brächten dir die Botschaft hier herein,

Und du im Dämmer stündest da und wüßtest,

Nicht dächtest – wüßtest: der kommt nie mehr wieder,

Nie, nimmer, nimmermehr, sag, Anna, sag,

Wie denn geschäh dir? Anna, wär dir weh?

ANNA schweigt.

ELIS.

Nicht wahr, du sagtest dir: was er mir war,

Eh ich ihn sah, das ist er mir nun wieder,

Kann sein, ich träumte auch am hellen Tag.

So sprächest du und schütteltest den Schauder

Von deinem Leib, wie nach dem Bad im Bach?


Er streckt die Arme gegen sie aus und schlägt dann die flachen Hände bittend wie ein Kind zusammen.


Nicht so? Nicht diese Rede? Anna, sag!

ANNA.

Was quält Ihr mich?

ELIS.

Du sollst mirs sagen, Anna![132]

ANNA.

Ich kann Euch doch nicht fassen, Eure Rede

Springt um, so wie ichs beim Großvater sah,

Bevor er starb. Du lieber Gott im Himmel,

Was kann ein Mann erleben, das ihm so

Den Sinn zerrüttet!

Ihr sprecht von mir, von Euch, vom Gehn, vom Bleiben,

Und wie Ihrs aussprecht, ängstet mich ein jedes.

Ich bitt Euch, sagt, wie ich Euch helfen kann.

Um welches Ding auf Erden tratet Ihr

In dieses Haus?

ELIS sich völlig zusammennehmend.

Sei ruhig, gutes Mädchen.

Weil ich ein Bergmann werden will, darum.

Weil ich in deines Vaters Dienst will einstehn.

ANNA.

Nein, so dürft Ihr nicht zu mir sprechen, Herr.

Ich weiß, ich bin jung und nicht klug, doch nicht

Gewohnt zweideutige und schlechte Rede.

Das, was Ihr sagt, so viel versteh ich schon,

Daß Ihrs nicht meinen könnt.

ELIS.

Bei Gott, ich mein es.

ANNA.

Warum dann tratet Ihr mit einer Lüge

Herein, als wärt Ihr auf der Wanderung,

Als wär ein Freund vorauf, und was noch alles!

Sprecht lieber nicht mit mir. Kann sein, Euch liegt

Nicht viel daran. Ihr nehmts für einen Scherz ...

Mit mir spricht niemand so und mich verwirrts.

Es brächt mich um mein Zutraun zu den Menschen.

ELIS tritt dicht vor sie.

Sieht so die Lüge aus?

ANNA.

Ich möcht Euch gern,

So gerne alles glauben, wie nur?

ELIS.

Anna, hör mich:

Der mich geführt hat, wird nicht wiederkommen:

An Zeichen hab ich erst erkennen müssen,

Daß ich am Ziel bin, daß ich her hab müssen

In euer Haus.[133]

ANNA.

An Zeichen?

ELIS.

Sinn nicht nach.

Sinn nicht darauf. Du sinnsts nicht aus.

ANNA.

Das muß wohl sein. Und doch ist mir ... Nein, nein.

Ich möchte fragen. Nein, ich frag Euch nichts.

Mich schauderts an und ich begreif es nicht,

Und für Euch ist es Wirklichkeit, es ist.

Sie haben oft gesagt, ich bin so kindisch,

Ich faß nur, was ich mit den Händen greif:

Könnt ich denn das erfassen, was Ihr meint?

Ihr dürft nie lügen, Ihr, mit Worten nie

Und anders nie, ich bitt Euch. Denn wenn das

Geschäh, verlör ich allen Halt. Mir ist schon jetzt,

Als wär ichs nicht. Es gleitet alles so.

Mir scheint, da trat der Vater schon ins Haus,

Und wir stehn da. Sagt mir, was soll ich sagen?


Sie rührt ihn leise an.


Weiß ich doch Euren Namen nicht einmal.

ELIS.

So sag ihm, daß ich Elis Fröbom heiß

Und fahren will in seinen Schacht, weils mir

Zu fahren nicht mehr taugt auf weitem Meer.

ANNA.

Ich will ihm sagen, du heißt Elis Fröbom

Und willst einstehn als Knapp in seinen Dienst,

Ja?


Sie gibt ihm die Hand, ihn in des Vaters Kammer zu führen.


ELIS.

Wie kalt jetzt deine Hand ist, kalt wie Stein.

ANNA.

Acht nicht darauf, mir kann ein Kindermärchen

Das Blut erstarren machen. Elis Fröbom,

Nicht wahr, so heißt du? Mir ist wie im Traum.


Sie führt ihn an die Türe rechts, dort horcht sie einen Augenblick, klopft dann an die Tür.

Vorhang.
[134]

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 2–5: Dramen, Band 2, Frankfurt a.M. 1979, S. 115-135.
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