Zwölfte Szene

[434] Hans Karl sagt nichts, sieht verstört nach rechts.

Vinzenz ist von rechts eingetreten, im gleichen Anzug wie im ersten Akt, einen kleinen runden Hut in der Hand.

Crescence ist auf Vinzenz zugetreten.


HECHINGEN sehr betroffen durch Hans Karls Schweigen. Das ist der kritische Moment meines Lebens, den ich habe kommen sehen. Jetzt brauche ich deinen Beistand, mein guter Kari, wenn mir nicht die ganze Welt ins Wanken kommen soll.

HANS KARL. Aber mein guter Ado – Für sich, auf Vinzenz hinübersehend. Was ist denn das?

HECHINGEN. Ich will, wenn du es erlaubst, die Voraussetzungen rekapitulieren, die mich haben hoffen lassen –

HANS KARL. Entschuldige mich für eine Sekunde, ich sehe, da ist irgendwelche Konfusion passiert. Er geht hinüber zu Crescence und Vinzenz.


Hechingen bleibt allein stehen. Stani ist seitwärts zurückgetreten, mit einigen Zeichen von Ungeduld.


CRESCENCE zu Hans Karl. Jetzt sagt er mir: du reist ab, morgen in aller Früh – ja was bedeutet denn das?

HANS KARL. Was sagt er? Ich habe nicht befohlen –

CRESCENCE. Kari, mit dir kommt man nicht heraus aus dem Wiegel-Wagel. Jetzt hab ich mich doch in diese Verlobungsstimmung hineingedacht!

HANS KARL. Darf ich bitten –

CRESCENCE. Mein Gott, es ist mir ja nur so herausgerutscht!

HANS KARL zu Vinzenz. Wer hat Sie hergeschickt? Was soll es?

VINZENZ. Euer Erlaucht haben doch selbst Befehl gegeben, vor einer halben Stunde am Telephon.[434]

HANS KARL. Ihnen? Ihnen hab ich gar nichts befohlen.

VINZENZ. Der Portierin haben Erlaucht befohlen, wegen Abreise morgen früh sieben Uhr aufs Jagdhaus nach Gebhardtskirchen – oder richtig gesagt, heut früh, denn jetzt haben wir viertel eins.

CRESCENCE. Aber Kari, was heißt denn das alles?

HANS KARL. Wenn man mir erlassen möchte, über jeden Atemzug, den ich tu, Auskunft zu geben.

VINZENZ zu Crescence. Das ist doch sehr einfach zu verstehen. Die Portierin ist nach oben gelaufen mit der Meldung, der Lukas war im Moment nicht auffindbar, also hab ich die Sache in die Hand genommen. Chauffeur habe ich avisiert, Koffer hab ich vom Boden holen lassen, Sekretär Neugebauer hab ich auf alle Fälle aufwecken lassen, falls er gebraucht wird – was braucht er zu schlafen, wenn das ganze Haus auf ist? – und jetzt bin ich hier erschienen und stelle mich zur Verfügung, weitere Befehle entgegenzunehmen.

HANS KARL. Gehen Sie sofort nach Hause, bestellen Sie das Auto ab, lassen Sie die Koffer wieder auspacken, bitten Sie den Herrn Neugebauer sich wieder schlafenzulegen, und machen Sie, daß ich Ihr Gesicht nicht wieder sehe! Sie sind nicht mehr in meinen Diensten, der Lukas ist vom übrigen unterrichtet. Treten Sie ab!

VINZENZ. Das ist mir eine sehr große Überraschung.


Geht ab.


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 2–5: Dramen, Band 4, Frankfurt a.M. 1979, S. 434-435.
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