Sechster Auftritt.

[150] Kotzeluch. Vorige. Dann Franz und Louise.


KOTZELUCH. Wer ist der Fremde?

FRITZ indem er sich fortschleicht, sehr verlegen. Ich weeß nich; er spricht so komisch; er sagt, er wäre en Kalkbrenner.


Schnell ab.


KOTZELUCH. Kalkbrenner? – Wie? – Wär's möglich? – Der wunderbare Anzug? Zu Fuße? Englisch? – Kalkbrenner?

LORENZ. Nu jekersch, stell' a sich ock nich a su taprich. Sol' ich's ärnd nich sein?[150]

KOTZELUCH. Er redet englisch: er ist's! Heil ist meinem Hause widerfahren!

FRANZ UND LOUISE erscheinen horchend an der Thür.

KOTZELUCH. Mann! Künstler! Ihren hohen Genium verehrend, nah' ich mich Ihnen im Staube! Wie kommen Sie so schnell von Berlin hierher? Wann folgt Ihr Fortepiano nach? Werden Sie lange hier verweilen? Würden Sie sich vielleicht gar erflehen lassen, ein Konzert zu geben? Ich stehe für einen vollen Saal! Ich bin hier ein Mann von Bedeutung. Die Leute müssen Billets kaufen. Ich habe Mittel in Händen, sie zu zwingen. Ich allein schon nehme ein Dutzend für mich und mein Haus. – Reden Sie! Ich beschwöre Sie! Und wenn Sie Ihre Muttersprache in London verlernt haben, reden Sie Englisch; und wenn Sie noch nicht Englisch können, reden Sie gar nicht; nur einen, irgend einen Ton geben Sie von sich; wir werden uns schon verständigen. Mensch – Kalkbrenner –

LORENZ der schon abwechselnd mit Furcht und Zorn gekämpft. Hir' a, jetzunder giht a, – oder ich ... der Kerle is wul gar tälsch?

KOTZELUCH. Er drückt sich fortwährend Englisch aus. Franz und Louise erblickend. Kinder, kommt mir zu Hilfe! Hier steht der große Meister, der Kalkbrenner, von dem alle Blätter sprechen; der in London für seine Unterrichtstunden pfundweise bezahlt worden ist und in seinen Conzerten immer viele Centner eingenommen hat. Bittet ihn, daß er uns hier mit Tönen beglücke.[151]

FRANZ leise. Glücklicher Irrthum!

LOUISE eben so. Wir wollen ihn nähren.

LOUISE. FRANZ. KOTZELUCH.


Mel.: Mahadöh der Herr der Erde etc.


Großer Mann, lass' Dich erflehen,

Gieb den Bitten gütig nach!

Magst Du uns hier winseln sehen,

Hörst Du kalt ein flehend: Ach??

Könnt' es Deinen Ruhm verringern,

Wenn Du, eh' Du weiter strebst,

Mit den kunstgelenken Fingern

Dieser Stadt die Weihe gäbst?

Wir werfen vor Dir uns im Staube danieder,

O, sei doch barmherzig, erhebe uns wieder,

O, gieb hier in Süptiz, o, gieb ein Concert!!

LORENZ halb für sich. Nu sein se alle Drei verruckt gewur'n. Ich sa lieber gar nischte mehr, suste schnapp' ich ooch über.

FRANZ leise zu ihm. Geben Sie nach: Sie können Ihr Glück machen.

LOUISE. Sie sagen, Sie wären Kalkbrenner, Sie wollen ein Concert geben, Sie verdienen viel Geld.

LORENZ. Oder ich kann ju nich –

FRANZ. Das wird sich Alles finden. Sagen Sie nur ja.

KOTZELUCH noch auf den Knieen. Was entscheidet er über mein Geschick?

FRANZ. Er giebt nach.

LOUISE. Er will!

LORENZ. Nu, – wenn's nicht andersch sein kan, – do wil' ich.[152]

KOTZELUCH aufspringend. Er will! – Himmel! Musen! Olymp! Er will! Ihm die Hand küssend. Nun seht, Kinder, seht diese Hände an, – diese Hornhäute! Wie muß der Mann auf dem Klavier herumgearbeitet haben! Förmliche Hühneraugen hat er auf den Fingern. – Dank, tausend Dank, hoher Meister. Augenblicklich soll ein Instrument gebracht werden. – In der Stadt muß man es austrommeln lassen; – die Sturmglocke muß man läuten. – Ach, so schnell erfüllen sich meine kühnsten Wünsche.


Mel.: Es ist nichts mit den alten Weibern etc.


Ha, mir strahlt nun die größte Wonne,

Dieser Künstler giebt ein Concert;

Leuchte heller, Du hohe Sonne,

Auf den Gastwirth zur goldnen Tonne,

Wer's nicht fühlt, ist ein dummes Pferd.


Vom Dezember zum ersten Jänner,

Denk' ich täglich an diesen Tag,

Wo zur Freude für alle Kenner,

Der unsterbliche Kalkbrenner

Bei mir im Quartiere lag.


Streicht die Bogen und spannt die Saiten!

Ich lauf' in der Stadt herum:

Jeder Bürger muß subscribieren,

In's Concert will ich Alle führen,

Unser ganzes Publikum.


Schnell ab.

Lorenz. Louise. Franz.


LORENZ. Nu sa'n se mer ock um Alles in der Welt, was hot denn dieser Man im Kuppe?[153]

FRANZ. Ihr Bestes, Freund. Man wird in Sie dringen, ein Conzert zu geben. Lassen Sie sich's gefallen. Man wird Ihnen Billets abkaufen; das lassen Sie sich auch gefallen. Wenn es aber dazu kommt, daß Sie wirklich spielen sollen, so machen Sie sich mit dem Gelde heimlich aus dem Staube und kehren Sie nie wieder in diese Stadt. Wir wollen Ihnen zur Flucht behilflich sein.

FRANZ. Und das gewiß von ganzem Herzen.

LORENZ vertraulich. Ich muß ja in der Stadt bleiben; ich ha' eene Braut hie!

FRANZ leise zu Louisen. Hörst Du's? Laut. Eine Braut? Ei der Tausend, das mag ein schönes Gewächs sein!

LOUISE drohend. Du?

LORENZ. Ich ha' se noch gar nich gesehn. Ich thät' mer och nischte nich draus machen, wenn mer'sch nich um's Geld wär'! Uem das Geld, was se hot, bin ich nu hieher gekummen, durch Dick und Dünne. Nu kan' ich doch nich wieder weglofen, wie a Narr?

LOUISE. Wenn Sie Herr Lorenz Kegel aus Breslau sind –

LORENZ. Meiner Sieben, der bin ich.

FRANZ. Derselbe, der vermöge des Testaments seiner Mutter, deren Pflegetochter, die Louise Linse heirathen soll –

LORENZ. Meiner Sieben, der bin ich –

LOUISE. Dieselbe Louise, die, wie ich höre, bereits eine ganz ernsthafte Liaison mit einem jungen Windbeutel hat –

LORENZ. Oho!

LOUISE. So rath' ich Ihnen, als aufrichtige Freundin,[154] sie fahren zu lassen. Ihr Liebhaber ist ein junger, wilder Mensch, voll von Tücken und Uebermuth. Es kommt ihm gar nicht darauf an, Sie herauszufordern und sich mit Ihnen zu schießen. Ja, er könnte sogar kapabel sein, Sie todt zu schießen. –

LORENZ. Oho!

LOUISE. Und dann zu thun, als ob es aus Versehen vorgefallen wäre. Er hat schon mehrere Menschen Puff! – Sie verstehn mich?

LORENZ. Oho!

LOUISE. Und wenn er gleich seine Braut gar nicht liebt, ihr nicht im Geringsten treu ist, so läßt er doch schon aus Eigensinn nicht von ihr ab, weil's sein Vater nicht haben will, daß sie sich lieben sollen.

FRANZ. Demoiselle entwirft Ihnen da ein lebendiges Bild Ihres Nebenbuhlers. Sollte der aber noch so schonend mit Ihnen umgehn, – immer danken Sie dem Himmel, wenn Sie Ihre Braut los werden! Das ist, so schön sie aussieht, mit Respekt zu vermelden, ein wahrer Teufel! Keine Hecke ist ihr zu hoch und keine Bosheit zu boshaft. Sie ist kokett, zänkisch, eitel, verschwenderisch, launenhaft, unbeständig, naseweis. –

LOUISE. Genug! genug! Ich glaube, Sie werden nichts weiter zu hören wünschen?

LORENZ. Ne! Fur heute ha ich genung vo allen Beeden! Das sein ju a paar recht eseme Dingriche! Wenn mir ock, daß er mir nischte thäte thun, denn vur ihr ha ich keene Bange nich. Ihr wölld' ich schund a Kuller vertreiben, wenn sie wöllde rebellern.[155]

FRANZ zu Louisen. Glänzende Aussichten!

LOUISE verzweifelt, bei Seite. Wir gehn durch!

FRANZ leise. Wird nicht nöthig sein. Laut. Freund, mein Rath ist der: Sie erwarten hier meinen Vater, der Ihnen, wie ich seinen Eifer für die Musik kenne, gewiß sogleich das Eintrittsgeld für Ihr zu gebendes Concert, von allen Nachbarn überbringt. Sie nehmen es –

LORENZ. I nu ja, das wil ich schund dermachen.

FRANZ. Und fordern, daß er Ihnen sobald als möglich eine Probe auf dem Saale oben arrangieren soll. Dazu wird er augenblicklich bereit sein, und während er damit beschäftigt ist, fliehen Sie, und lassen sich nie mehr in dieser Stadt sehen.

LORENZ. Ja, das is schun gutt. – Oder de Braut? Sehn Se, was wird Er mir denn bringen? A paar lumpige Thaler. Die nützen mir nischte nich. Hingegen das Testamente ...

LOUISE. Wollen Sie von Ihrem Nebenbuhler umgebracht sein?

LORENZ. Ne!

FRANZ. Vertrau'n Sie mir. Sie können nichts Besseres thun, als entfliehn; und das geschieht doch immer leichter mit Geld, als ohne?

LORENZ. Ja!

FRANZ. Also: Muth! Fahren Sie nur fort, recht fremdartig zu reden.

LORENZ. Ja, ich wil reden, wie in Frankreich; wie ich unterm Militairwesen war.

FRANZ. Und wenn Sie in Breslau angekommen sind,[156] schreiben Sie, daß Sie nicht kommen könnten; daß Sie schon anderweitige Herzensbande geschlossen hätten.

LORENZ vertraulich. Ja, das is och wahr. Knaut's Lehnel thut mer schun lange nachstellen.

LOUISE sich vergessend. Sehen Sie, dann ist uns ja Allen geholfen!

LORENZ. Uns? – Was ha'n Sie denn derbeine zu thun?

FRANZ. Meine Schwester meint –

LOUISE verlegen. Weil –

FRANZ. Sie denkt nur –

LOUISE. Weil unser Antheil –

LORENZ. Nu, so mähren Se doch nich eine Ewigkeit und drei Minuten. Für sich. Hie ei dam Hause is ju rechtes Rindviehzeug beisammen.


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 3, Breslau 1867, S. 150-157.
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