Nothwendiger Vorbericht an den guhthertzigen Leser

Wer in seiner grünen Jugend hat wohl nie den Pegasum geritten? Dihses ädle Thier ist seit Olims Zeiten/inssondre seit der lihbe Herr Opitius uns durch seine kluge aber zihrliche Leyer von[7] denen schrökklichten Schulmeistren befreyt hat/ dermahßen hergenommen worden/ die Pritzschenmeistrische Poëtastri und Wortefolterer haben sich mit Reveräntz zuvermälden/so Hümpelweis an seinen Schwantz gehänckt/ daß es fast Verwundrens ist/ wie das geqwählte Lufft-Pferd nicht schon lengst seinen letzten Othem von sich gegäben.


Dannenhero hätte auch ich es fürgezogen/ meine schlächten Mißgebuhrten billig unter der Banck vermodern zu lassen/ alß meine wenige Fehder durch den Trukk ans Licht zu gebären/ wenn einige lose Leute/[8] die ihre Weißheit mehr dem Ovidio alß denen Scriptoribus Sacris verdancken/ meine einfältige Wihsen-Lider nicht schon auff allen Märckten und in den Schäncken sängen.


Sich auf dihse Ahrt bey der Posterität fortzupflantzen/ erachte ich aber for eine eusserste Gefahr. Der Vinum terribile zu Teutsch Land-Wein verkehrt seine Momus-Brüder nicht blohß zu stinckente Huren-Jäger und Ehebrecher/ er bewegt sie auch gleichsahm nur all zu offt/ unter die zihrlichste Inventiones ihr eigen albres Gemächte zu mängen; wordurch dan auß[9] einem vihlleicht lob-würdigsten Pindus-Rösgen im Huy eine Sau-Distel geworden.


Homerus/ der Kayser aller griechischen Tichtmeister/ wäre so heut seinem eignen Eumaeo gleich/ hätte er es for klüglich erachtet/ uns seine ohnstärbligte Arien nur durch die Gurgeln solcher sich blizz-blazz voll gesoffen habenter Susannen-Brüder zu vermachen; und gar von des ohnvergleichlichen Maro göldener Eneïs wäre kein Fäzzgen mehr gantz/ wenn dihser Venusinische Adler aller Boeten es sich nicht hätte verdrüßen lassen/ seine mit zihmlichem[10] Fleiß verfärtigte Libligkeiten – wie beym Plinio gebührlich nach zu läsen – Syllaba for Syllaba in gleichsahm wäckserne Täfelgens zu ezzen.


Kortz/ ich will itzt meine boetische Kinder/ nachdäme ich ihre Vatterschafft vor der gelährten Welt nun doch nicht mehr abstreitten kan/ allen der Teutschen Boeterey vernünfftigen Lihbhaberen zu sonderbahrlichem Gefallen herfür und an den Tag gegäben sehn/ nicht wie sie zu ihren Zincken/ Krumbhörnern und Cythren jene söffische Nacht-Raben im[11] Blauen Frosch oder im Nakkten Bauch brüllen/ sondern wie ich sie fürmahls in meinem blühenden Frühling/ als Justgen noch ihren Zahn hatte und Pärlindgen noch an jener Ekke wohnte/ nicht ohne Vergnügen gemacht habe.


Ob wohl ich über die erste Kützel-Jahre lengst hinauß bün/ ob wohl dihses schwartze Falten-Kleid/ daß schon Lutherum gezihrt/ dihsen schorbigten Mahden-Sakk nunmehro gnädigst fast ins dreissigste Jahr däkkt – die Pesth-Zeit darbey ein-berechnet – so bekänne ich doch gern/ daß ich[12] stähts mit grosser Lust frölig war. Der blawe Himmel/ die kleine weisse Anemonen/ der Bäche Silber-Fluß/ der bundten Fehder-Singer Hertz-zwingente Musica sind mir sälbst heute/wo mein Fuhß bereits wanckt und die Hahre auff meinem Haubte beginnen gezählt zu werden/ noch ümmer allzeit recreationes animi. Und möchte ich drümb spähter auch ins hellische Fewer geworffen und zu Aschen verbrännt werden – ich weiß es wohl/ der for uns am Creutze gehangen/ wird daß nicht zu lassen – so stipulirte ich[13] trutzdem: ich halte dihse Ahrt Fröligkeit for eine rächte Gemühts-Artzeney!


Johanna Catharina Barbara/ der ich von meinen sächzehn Söhnen – vier läben noch – die erste sihben dancke/ habe ich auff ihrem Hügel äben sovihle Rohsen-Stökke gesäzzt und mein altes Hertz freut sich/wenn morgens im Junio bey lihblich herfürbrechenter Morgen-Röhte das runde Himmels-Naß vergleichbahr fast Pärlen dran hanget. Sollt ich drümb drauern/ daß sie schon sälig ist? Der HERR hat sie mir gegäben/der HERR[14] hat sie mir genommen/ der Nahme des HERRN sey gelohbt!


Marianne Charlotte Elisabeth! Deine Hände auff mir ruhten weich und dein zahrter Leib schänckte mir von meinen Söhnen – von meinen Töchtern räde ich nicht – die nächsten sechs. Ümb dein Grab stehn Lilgen und über ihm/ abens im Mandel-Baum/ wenn der silbre May-Mohnd gleichsahm wie auß unsrem kleinen Kürchlein scheint/ singt der Vagel Kiwitt. Sollt ich mich drümb mit Thränen blagen/ daß du schon Oben[15] auff mir wartest? Der HERR hat dich mir gegäben/ der HERR hat dich mir genommen/ der Nahme des HERRN sey gelohbt!


Concordia Beate Emerentia! Du gebahrst mir die übrige drey/ und so der HERR will/ druckstu mir mahl die Augen zu. Sollt ich schon itzt mich drümb verschrökken?


Ich weiß/ daß mein Erlöser lebt!


»Meinen JESUM lass ich nicht; weil er sich for mir gegäben/ so erfordert meine Pflicht/ Kletten-weis an ihm zu kläben.[16] Er ist meines Läbens Licht/ meinen JESUM lass ich nicht!«


Möchte aber einem nihdrichten/ nichtsnüzzichen Zoilo/ auß dessen unlihblichen Phrasibus der gestern getrunckene Broihan rülpst/ beyfallen/ daß ich mich dermahlß zu vergnügt gezeigt und daß/ wie dem Aeschylo seine Tragödien allzusehr nach der Bouteille geschmäkkt/ so meine Bucolica nach der Venus röchen/ so recriminire nur/ daß schon Salomo in seinem Canto Canticorum nicht die Buhlerin Abisag vermeynt hat/ sondern das Newe[17] Jerusalem. Also habe auch ich nie die zerlumpte und außgeflikkte Pauren-Magd/ des Marsyas Tochter/ Mopsa auß Frygien vermeynt/ sondern stähts nur die Dame Sophia; zu Teutsch die Aedle Weißheit!


Mollinchens Cädern-Leib/ der Nivula vollkommentliche Brüste/ Laurettens Spihl-Krystalle sampt aller übrigen verlihbten Materie/ sowie jene haarichte Wald-Gespenster und verwunderliche Meer-Monstra waren mir nur Repositoria Apollinis. Nicht/ weil ich mich dardurch in das Concept einer geschikkten Person[18] sezzen wollte/ sondern auß Modestie. Denn jene ungesalzzte Witzdölpel und Bappihr-Beschmizzer/jene neue eingebüldete Klüglinge/ die da meynen/man könne alles/ auch ohne das kluge Alterthum/gleichsahm auß seinem eigenen Cerebello zihn/ sähe ich mit dem berühmbten Scaliger lihber for Pikkelhäringe/ denn for Boeten an. (C'est entre nous!) Alle gescheute und civilisirte Gemühter werden solche tölpische Ertz-Bärenheutter mit grohßer Hertzhafftigkeit verlachen. Es ist ein tieffer Sinn/ daß die [19] Gracien nakkend gehn. Hoffe demnach gäntzlich/ man wird meine wohl-gemeinte Metaphores nicht for grohbe Realia nähmen und in meinem schlächten Buche nichts fünden/ waß GOTTES Wort oder der Augspurgischen Confession zurwihder lieffe. Die mir von Natur ankläbenten Fehler habe ich nie zu verbergen gedrachtet/ aber ich bün kein dorckelnder Silen und halte den Parnass nicht for einen Sau-Koben.


Sollten jedoch wihder Verhoffende die Pharisäische Mükken-Fänger und Sadduceische[20] Cameel-Verschlukker/ dihse Ornamenta Germaniae/ die nicht mehr Hirn in ihrem Kopff haben alß eine Märtens-Gantz/ auß einem vihlleicht zu nachdrükklichen Bey-Wort die Occasion suchen/ mich mit ihren verleumbdischen und stachlichten Ottern-Zungen auß dem majestätischen Musen-Saal unter die Sakk-Pfeiffer und Orgel-Dreher zu drängen/ so dörfften dihse Licht scheuente Anonymi/ dihse höchst gelährte Kaninichen sich füglig fürsehn for ihr auff geworffenes Wurst-Maul; sintemahlen es eine besondere Force meines Naturells[21] ist/ daß ich die göldene Heer-Trompete nicht minder zu blahsen verstähe/ wie die buchserne Flöhte.


Die Guhtwilligen aber/ denen ich mit Verschweigung ihrer Vorzüge nichts an ihrer Würde entzogen haben will/ wollen bedäncken/ daß die Versche/ die ich hihr alß Errores juventutis mich nicht scheue ihrem Judicio zu unterbreiten/ blohß meine schlächten sind. Die guhten habe ich for mir sälbst behalten.


Adieu!

Quelle:
Arno Holz: Dafnis. München 1904, S. 7-22.
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