Vorwort

Mein Verleger fürchtet vielleicht, daß er in dieser Erzählung kein Product für die Leihbibliotheken, kein Büchelchen für Toiletten und Theetische herausgibt. Die Mittel, jene zum Ankauf zu ermuthigen, kenne ich nicht; sind es Recensionen, so brauche ich nur zu wünschen, daß Ellen Percy von den edelsten unsrer Recensenten beurtheilt werde – und so viel Selbstüberwindung es uns Recensirten kosten mag, müssen wir doch gestehen, daß es deren gibt und geben kann – um auch[5] diesen, trotz seinem ernsten Titel, empfohlen zu werden. Was aber den Theil meiner Landsmänninnen betrifft, die beim Putz- und Theetisch lesen, so versichre ich Herrn Brockhaus zuversichtlich, für sie ist meine Ellen Percy gemacht. Ich weiß, daß eine große Zahl, ja die Mehrzahl meines Geschlechts in der glänzenden Welt (gaudy World nennt sie der ernste Young), sich nach ernsten Gedanken, tröstenden Ansichten, erhabnen Hoffnungen sehnt; ich habe vielfach erfahren, wie die anscheinend Leichtgesinnte, im einzelnen Gespräch festgehalten, erfreut, erweckt ward, wenn ich zufällig einen geistigen Funken in ihr entzündet hatte, wie mir manches Gesichtchen unter seinem Blumenkranz, manche ältere Frau im Assembleeputz freundlicher zuwinkte, wenn ich Tags zuvor ein wahres, oft ernstes Wort zu[6] ihr gesagt hatte. Diesem Theil meiner Landsmänninnen habe ich Ellen Percy vorzüglich bestimmt. Ich stelle ihnen ein gedankenlos eitles, unbesonnen selbstsüchtiges, vom Glück verzognes Geschöpf dar, das, ohne alle Widerstandskraft im Unglück, ohne alle Fertigkeit zum Erwerb, in Armuth verfällt, aber durch Unglück und Armuth zur Entwicklung seiner moralischen und körperlichen Anlagen geführt, zu innerm Frieden und gesellschaftlichem Wohlstand gelangt. Ihr Leichtsinn verletzt nie die Schaam, der Schmerz um ihre Thorheit wird nie winselnde Reue, ihre Frömmigkeit bleibt von Kopfhängerei fern, ihre Armuth ist nie ein unthätiges Versinken in widrige Hülflosigkeit. – Ellen ist eine edle Natur, die durch harte Schicksale gebildet wird und Andre lehrt, wie sie Schicksale benutzen sollen.[7]

Meinen Stoff nahm ich aus einem ältern englischen Roman in drei ansehnlichen Bänden. Ich mußte sie nicht nur verkürzen, sondern ich faßte ihren Inhalt in mein Gemüth auf und erzählte ihn, meist ohne das Original vor Augen zu haben, in der Empfindungsweise eines deutschen Gemüths. So hoffe ich manchem lieben weiblichen Wesen Freude gemacht zu haben, und wünschte nur, daß es mir gelungen seyn möchte, meiner Erzählung auch die Vollendung im Styl und in der Sprache zu geben, die zu einem guten Buche so nothwendig ist.

Therese Huber.

Quelle:
Therese Huber: Ellen Percy oder Erziehung durch Schicksale. Theil 1–2, Teil 1, Leipzig 1822, S. 9.
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