Trauer-Ode

Uber Sr. Königl. Maj. von Preussen Friederich des Ersten Absterben

[71] Als wir in vollem Glücke lebten/

Das Friedrichs Tugend uns gebahr;

Als wir in tausend Aengsten schwebten/

Da unser König in Gefahr;

Als wir mit Freuden hörten sagen:

Die Kranckheit habe keine Noth:

So hören wir den Donner schlagen/

Daß Friederich der Erste todt.


Wie wenn in sechs und zwantzig Jahren

Ein Land in klarer Sonnen sitzt;

Kein feindlich Wetter recht erfahren;

Und denn mit eins der Himmel blitzt:

So wird ein gantzes Reich erzittern/

Da dieser hohe Fall erklingt:

Weil es das gröste von Gewittern/

Das Preussen in die Seele dringt.


Je mehr wir unser Wohl ergründen/

Das aus des Königs Liebe floß/

In welcher nie ein Grund zu finden:

Je mehr bricht unser Schmertzen loß.

Ihr Zeiten seyd zu gut gewesen/

Als daß die Nach-Welt unsre Lust/

Soll sonder unsern Jammer lesen/

Der uns durch Seinen Todt bewust.
[72]

Entkleidet euch/ belaubten Bäume!

Grün trauret nicht der Preussen Land.

Ihr Schätze der Natur seyd Träume

Vor unsern unglückseelgen Stand.

Der Himmel läßt den Frühling werden;

Uns wird das Hertz vor Schrecken kalt.

Die rauhe Zeit muß von der Erden/

Und nimt in uns den Aufenthalt.


Die Posten fliegen hin und wieder/

Und legen durch ein schwartzes Blat

Der grösten Fürsten Hertzen nieder/

Weil Friedrich sich geleget hat.

Welch klagen schallet auf der Höhe!

Das Seuffzen dringt durch jedes Thal.

Von Preussens-Wonne/ Preussens-Wehe

Gehn die Concerten allzumahl.


Wie traurig klingen doch die Glocken!

Wer fürchtet nicht den herben Thon/

Dadurch ein gantzes Reich erschrocken?

Diß Ertz klagt allenthalben schon.

Die Lufft muß unser Leiden sagen.

Man wird kein Jahr an diß Metall/

Doch länger an die Hertzen schlagen/

Ob unsers theuren Königs-Fall.


Des Hofes Seele wird gerühret/

Der Friedrichs Tugend hat gekennt.

Der Friedrichs Gnade hat verspüret/

Der noch vor Ihn von Liebe brennt.

Die Großen klagen in die Wette.

Berlin dringt mit Gewalt zur Bahr/

Und sieht auf seinem Purpur-Bette

Noch einst/ was sein Vergnügen war.
[73]

Der Unterthan kan nichts mehr sprechen;

Die Angst redt immer einerley.

Nur diß muß aus der Seelen brechen:

Daß Friederich gestorben sey.

Genug gesagt/ sich zu betrüben:

Ihr König/ der ihr aller Hertz

Und Vater biß ins Grab geblieben/

Ist auch im Todt ihr aller Schmertz.


Ihr Lebenden mögt immer weinen/

Beweint ein unvergleichlich Gut.

Denn solt' ein Todten-Heer erscheinen/

Das dreysig Jahr im Sande ruht/

Es würde mit Verwundrung sehen

Berlin in Pracht/ und Hall im Flor/

Sein Reich vermehrt/ und denn gestehen:

Dein Fürst gieng allen Fürsten vor.


Ihr Musen legt den Lorber nieder/

Cypressen stehn euch besser an.

Singt bey dem Sarge Schwanen Lieder/

Um euren König ists gethan.

Fridriciana geht im Leide/

Weil sie den Stiffter nun verliehrt/

Der sie mit Purpur und Geschmeide

Vor allen Weißheits Töchtern ziert.


Die Danckbarkeit fließt aus den Augen

In aller Wissenschafften Mund/

Der muß das Saltz der Thränen saugen/

Und machet nichts als Leiden kund.

Diß Klagen soll die Nach-Welt lesen/

Doch sonder eitler Worte Schein:

Ein König/ der so fromm gewesen/

Will fromm von uns betrauret seyn.
[74]

Der Tag/ der Ihn zur Welt gebohren/

War groß in der Zufriedenheit

Der Tag/ der Ihn zur Chur erkohren/

War noch von mehrer Herrlichkeit.

Doch dieser Tag/ der uns das Leben

Zu eben dieser Zeit verliehn/1

Da es der Himmel Ihm gegeben/

Ist allen Tagen vorzuziehn.


Wenn andre dieses Fest begehen

In eitler Lust/ und bloßer Pracht/

War hier der Weißheit Pomp zu sehen/

Die allen Glantz zu nichte macht.

Da hat ein Friedrich triumphiret/

So herrlich leicht kein Fürst gethan;

Und weil die Welt die Tugend zieret/

Steht Sein Gedächtniß oben an.


Wer feyrt der Todten Lebens-Tage?

Weil dieser Tugend-Tempel prangt/

Weil hier nach Weißheit eine Frage/

Wo man sie mehr als sonst erlangt/

Wird man in Reden und in Schrifften

So einer unschätzbaren That/

Dem Tag' ein Ehren Denckmahl stifften/

Da Friedrich uns geliebet hat./


Fridriciana ward gebohren/

Da man der Musen sonst vergißt/

So daß die Zeit/ die sie erkohren/

Höchst rühmlich vor den Stifter ist.

Die Weißheit bildet man in Wassen2

Sein Heer zog damahls in das Feld/[75]

So hat er dieses Kind erschaffen

Im Harnisch als ein weiser Held.


So kondten wir glückseelig schauen

Die Feinde fern von uns bekrigt/

Den Hahn in unsers Adlers Klauen/

Der/ wenn er über ihn gesiegt/

Mit Palmen kam zurück gezogen.

Uns aber sind in stoltzer Ruh

Nur holde Tauben zugeflogen/

Die brachten uns den Oelzweig zu.


So hoch hat Friedrich uns beglücket.

Ein danckbahr Hertz vergißt es nicht.

Das gantze Reich ist noch entzücket/

Wenn es von diesem Fürsten spricht.

Verfolgte/ die Er hat geschützet/

Die rühmen Preussens Canaan/

So daß Sein Denckmahl unterstützet/

Was lebt/ und ewig leben kan.


Um Sein so Königlich bezeigen/

Da Gott voraus an Ihm gekandt/

Ließ Er Ihn wunderbahrlich steigen:

Ihm ward das Erb-Recht zugewandt.

Diß Glück war groß/ für Ihn zuwenig.

Als Chur-Fürst saß Er auf dem Thron.

Und endlich herrschte der als König/

Der in der Weißheit Salomon.


Die Welt muß zu den Wundern zehlen/3

Sein selbst gepflantztes Königreich.

Gott/ der die Crone seiner Seelen/

Der krönt und salbet Ihn zugleich.

Die Fürsten hatt' Er sich verbunden/

Daß sie durch Sein Verdienst gerührt/[76]

Aus Lieb' Ihm freudig zugestunden/

Was Seiner Tugend längst gebührt.4


Was kan wohl mehr gesaget werden:

Als daß Ihn alle Welt geliebt?

Durch Liebe that Er mehr auf Erden/

Als andre durch ein Heer verübt.

Und wenn man in den schwersten Dingen

Zum öftern an zu zweifeln fieng/

Half Ihm die Gottesfurcht vollbringen/

Was über Menschen Kräfte gieng.


Ihr Großen/ diese Kunst zu lernen/

Wie Euer Scepter glücklich sey/

So wachet bey dem Glantz der Sternen/

Eh noch die Morgen-Röth herbey/

Daß Ihr ins Cabinet Euch schliesset/

Und da in tiefster Niedrigkeit

In heissen Thränen fast zerfliesset

Um Eures Landes Sicherheit.


Denn so hats Friedrich angefangen.

Aurora stund so früh nicht auf/

Als Ihm die Thränen auf den Wangen.5

Des Himmels-Seegen folgte drauf.

Ihm ward auf Lebens-lang beschieden/

Was eines frommen Fürsten Lust:

Das Reich bekam den güldnen Frieden/

Den Himmlischen des Königs-Brust.


Kein Herr hat iemahls größre Gaben/

Kein Herr hat ein vollkommner Lob/[77]

Als unser weiser Held muß haben.

Doch wenn Ihn alles nun erhob/

Wenn aus dem allerbesten Grunde

Sein hoher Ruhm: so hörten wir

Die Demuth aus dem Königs-Munde:

Mein Ruhm ist immer/ Gott von dir.6


Nun dieser Ruhm wird vor uns bleiben:

Die Ehrfurcht schweigt/ o König still/

Weil ihn kein Redner kan beschreiben,

Wenn er Dich würdig preisen will.

Was Klugheit/ Helden Muth erworben/

Faßt ein Geschichts-Buch kaum in sich.

Wie Du gelebt/ wie Du gestorben/

Das ist weit mehr/ als Königlich.


Wenn wir nun höchst empfindlich weinen

Um dein so gnädigs Vater Hertz:

Muß uns durch dich ein Trost erscheinen;

Du machst und linderst auch den Schmertz:

Die Hand rührt ihre schwache Glieder/

Zeigt auf den Erben deiner Cron:

Hier habt ihr einen Vater wieder7

In meinem auserwehlten Sohn.


So sprach dein gründliches Vertrauen.

Nun Friedrich Wilhelm sey beglückt/

Der alle Tugend lässet schauen/

Die Helden Könige geschmückt.

Gott wohnte Friedrichs seinen Wegen

Mit großer Ehr und Gnade bey:

Herr! gib durch deinen Wunder-Seegen/

Daß Friedrich Wilhelm grösser sey.


Fußnoten

1 Es ist bekandt/ daß dieser Glorwürdigste Herr die Hochlöbl. Friedrichs-Universität an Dero Geburts-Tage gestiftet und derselben Einweihung 1694. in hoher Person beygewohnet.


2 die Weißheit wird in Harnisch abgebildet/ und auf Se. Kön. Maj gedeutet/ weil Sie damahls wieder Franckreich und den Türcken Krieg führten.


3 lettres Histor. T. 19. p. 5. und Mere. Hist. T. 30. p. 3.


4 die Gratulations-Schreiben der Könige/ Chur-Fürsten etc. in germani Senceri Hof- und Staats-Schreiben.


5 daß dieser unvergleichliche König bey anbrechenden Tage sich in sein Cabinet verschlossen/ und mit solcher Inbrünstigkeit gebetet/ daß Ihm die Thränen/wenn Er heraus gegangen/ auf den Wangen gestanden/ ist dem Hoffe gar bekandt.


6 Se Königl Maj. haben im 71. Psalm den 5/ und 6. Verß zu Ihrem Leichen-Text/ aus welchen so wohl/als aus Dero gantzen Leben die Gottseligkeit Ihres Hertzens zu erkennen.


7 welches Sie vor Ihrem Ende zu den Umstehenden gethan: in dem Ehren-Gedächtniß dieses glorwürd Königes p. 20.
[78]

Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713.
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