Narciß und Echo,

[23] eine Romanze


Das Fräulein Echo sah einmal

Den Ahnherrn der Narcißen,

Der manches Jungfernherzgen stahl,

In grünen Finsternißen,

Sich einer Badequelle nahn.

Stracks schielten Ihro Gnaden,

Als sie den schönen Jüngling sahn,

Nach seinen vollen Waden.


Der sechzehn Ahnen Dunst verschwand

Gemach aus ihrem Hirne,

Sie bot ihm buhlerisch die Hand,

Wie eine Bürgerdirne.

Narciß dreht ihr den Rücken zu,

Und schreit ihr in die Ohren:

Mamsellchen, laß sie mich in Ruh,

Sie hat hier nichts verlohren.


Drauf schlich das Fräulein in den Wald,

Ihr Leben zu verweinen,

Sie starb, und ihre Stimme hallt

Noch itzt in unsern Hainen.[23]

Doch soll sie, wie die Rede geht,

Eh sie im Herrn entschlafen,

Die Götter haben angefleht,

Den Jüngling zu bestrafen.


Der letzte Seufzer ward erfüllt.

Er sah in einer Quelle,

Die silbern rann, sein eigen Bild,

Und liebt' es auf der Stelle.

Am Ufer lag er, wie behext,

Und floß in Klagen über.

Sein Pfarrer las ihm oft den Text,

Mit vielem Ernst, darüber.


Was halfs? Narciß, der Starrkopf, blieb

Bey seinen sieben Sinnen,

Und lief, wie ein verjagter Dieb,

Sein Gucken zu beginnen,

Sobald die liebe Sonne schien,

Zum Spiegel seiner Quelle,

Und sah, bedeckt vom Baldachin

Des Hains, in eine Stelle.


Er machte, wenn er nahe war,

Verliebte Reverenze,

Bot dem Phantom Geschenke dar,

Bald Sträußer, und bald Kränze.

Er reichte seiner Abgöttin

Einst eine Purpurrose.

Sie hielt ihm auch ein Röschen hin,

Und lächelte, die Lose.
[24]

Sein Röschen fiel ihm in den Bach,

Ich weiß nicht, wie's gekommen,

Stracks fiel das andre Röschen nach,

Doch kams nicht angeschwommen.

Er gab dem Bache Kuß auf Kuß.

So liebt' er, wie Poeten,

Ein Ideal, fern vom Genuß

Und den Realitäten.


Drauf macht' er, im Gehirn verrückt,

Das Ding noch immer bunter,

Und sprang, nachdem er gnug geguckt,

Husch, in den Bach hinunter.

Sein Name lebt, wie Doctor Duns

In dicken Folianten,

In einem Blümchen unter uns,

Das Gärtner nach ihm nannten.
[25]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 23-26.
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