[197] Vorige. Baronesse. Hinter ihr Leopoldine.
BARONESSE stürmt herein. Nein – das – das hätte ich nie geglaubt! Sie setzt sich auf's Kanapee.
LEOPOLDINE ihr nach, zu ihren Füßen. Sie fordern, was über meine Kräfte ist.
BARONESSE steht auf – wüthend. Verstumm', Unglückliche!
LEOPOLDINE tritt zurück. Ach Gott!
BARONESSE. Greif, lassen Sie das Instrument von dem Notar, das zu der Zeremonie gehört – lassen Sie die Schloßkapelle und alles zu der Feierlichkeit bereiten.
GREIF. Sogleich. Geht ab.
LEOPOLDINE. Ach Mutter, liebe Mutter!
BARONESSE dem Rath Greif nach. Ohne einen Augenblick Verzug! Ich opfere lieber die Garantie, als –
LEOPOLDINE. Lieber alles, als Ihre Rache?
BARONESSE. Als das Gefühl für die gekränkte Ehre. Herr Willner! Gut, daß Er hier ist. Er hat ja meine Tochter im Christentum unterrichtet – Jetzt sag' Er ihr, daß alle Flüche der Natur auf einer Tochter ruhen, die ihre Mutter durch Ungehorsam tödtet. Sie setzt sich entkräftet.
LEOPOLDINE. Bin ich deß fähig, Willner? – Lieber Willner[197] – ich, die um ein gutes Wort von meiner Mutter von jeher alles that – auch was mir keine Freude machte?
BARONESSE steht rasch auf. Da hört Er's doch! Es macht ihr keine Freude mir zu gehorchen! Da sieht Er doch, was Er aus ihr gezogen! – was ich Ihm schuldig bin!
WILLNER der beim Eintritt der Baronesse sich zurückgezogen hatte. Gnädige Frau – ich kann mich kaum erholen –
BARONESSE. Das ist ein Resultat von Eurer Aufklärung, von Euern Sitten – von der Erziehung Eurer Deutschen! – O – seht Euch nicht an! gebt Euch nicht Zeichen! Ihr habt die volle Macht Euch über die Moralität von meinem Plan im Mondscheine zu unterhalten! – Empfinde wie du willst – handeln mußt du wie ich will! – Was Ehre ist – weiß ich – will ich nicht von Schulmeistern lernen – von achtzehnjährigen Töchtern nicht. Ich werde ordnen – und du – du wirst gehorchen.
LEOPOLD verzweifelnd. Oder sterben.
BARONESSE hingeworfen. Wenn dir es –
WILLNER fällt schnell ein. Nein, Fräulein! Sie verkennen die Frau Mutter. – Der Mutter Pflicht wird sie niemals vergessen.
BARONESSE sanfter. Ich übe sie – indem ich ihr den Grafen Boga zum Gemahl bestimme.
LEOPOLDINE. Den ich nicht lieben kann! – Ist der, dem ich mein Herz gegeben, wohl dessen unwerth?
WILLNER mit Wärme. Und hatten Sie nicht selbst vor wenig Jahren noch den Plan mit Ihrer guten Tochter?
LEOPOLDINE nimmt ihrer Mutter Hand. Da freuten Sie sich meiner Zärtlichkeit – und wenn ich weinte, als er abwesend war, so schlossen Sie mich fest in Ihre Arme und sagten:[198] – »Er ist ja dein! Sei ruhig, gutes Mädchen!« Jetzt soll ich ihn verlieren und nicht weinen? – soll in den Armen des Grafen Boga sterben und nicht weinen? – O meine Mutter – gute Mutter! – fühlt denn Ihr Herz nichts mehr für Ihre Tochter? – für Ihre einzige Tochter nichts, die Sie so herzlich liebt, und um Erbarmen, um Ihr zärtliches Versprechen, um das Wort des Trostes: »Er ist ja dein!« so innig, so herzlich bittet?
BARONESSE nach einer tiefen Pause und bedeutendem Blick, öffnet die Arme. Embrassons-nous, ma fille! Ernst. Willner, entferne Er sich.
WILLNER geht ab.
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