Sechster Auftritt.

[187] Vorige. Jakob.


JAKOB. Gnädiger Herr – Er winkt ihm.

HERR VON WALLENFELD geht zu ihm. Sie reden leise. Pause.

HERR VON POSERT. Nun? Meine Zahlung –

HERR VON WALLENFELD. Geht zum Teufel!

HERR VON POSERT. Denn wenn man hoch geht, muß man rasch auszahlen. Sonst ist's gefehlt.

HERR VON WALLENFELD zu Jakob. Ich würde gleich selbst kommen. Sagt ihm das. Ich käme gleich.

JAKOB geht.

HERR VON WALLENFELD geht nachdenkend auf und ab.

HERR VON POSERT hustet. Nun, wer ist denn draußen? Wie es scheint, Hustet. sind die Aktien gefallen. – Ha ha ha! der Seelenreichthum ist außer Kours gekommen! he?

HERR VON WALLENFELD. Seid Ihr ein Mensch, Posert?

HERR VON POSERT. Ei ja freilich!

HERR VON WALLENFELD. Setzt Euch an meine Stelle.

HERR VON POSERT steht auf. Würde mich inkommodiren. Meine Stelle ist besser.[187]

HERR VON WALLENFELD. Ich bin auf so gutem Wege.

HERR VON POSERT. Nun so zahlt mich.

HERR VON WALLENFELD. Posert – ich bin in großer Verlegenheit – ich läugne es Euch nicht – ich habe Wechselarrest.

HERR VON POSERT. Ja. Hustet. Wenn man nicht einhält, und – dabei noch so – so – capriciös ist –

HERR VON WALLENFELD. Wegen tausend Thalern –

HERR VON POSERT. Und Gähnt. sonst so in miserablen Umständen ist – da geht es ordinär so.

HERR VON WALLENFELD. Geht einmal ab von Eurer Art, seid gut, wagt einmal auf die Karte von der Seligkeit einer ganzen Familie. Nehmt reine Dankbarkeit zum Zins – leiht mir tausend Thaler.

HERR VON POSERT. Bewahre mich Gott! Mein –

HERR VON WALLENFELD. Posert – ich stehe am Abgrunde!

HERR VON POSERT. Mein bischen Bares, das –

HERR VON WALLENFELD. Ihr habt ja mein ganzes Vermögen gewonnen –

HERR VON POSERT. Das roulirt in der Bank, und –

HERR VON WALLENFELD. Von achttausend Thalern, die mein waren, die Ihr eingestrichen habt, leiht mir tausend.

HERR VON POSERT. Und das muß ich Euch sagen, Ernstlich. darin habe ich Aberglauben: wenn ich etwas aus der Bank verborgte, so hätte ich mein Glück verborgt.

HERR VON WALLENFELD. Je nun denn – so gehe es, wie es kann! – Ich bin arretirt. Ich bin verloren.

JAKOB. Gnädiger Herr! –

HERR VON WALLENFELD. Rede laut! – Es wird jetzt alles laut werden.[188]

JAKOB. Der Eigenthümer des Wechsels – ist – er ist sehr ungestüm. Er droht. –

HERR VON WALLENFELD. Ich kenne den Teufel.

JAKOB. Er verlangt Personal-Arrest auf dem Thore.

HERR VON WALLENFELD. Wie?

JAKOB. Man spräche in der Stadt, daß Sie flüchtig werden würden.

HERR VON POSERT. Ja, das sagt man –

JAKOB. Er verlangte deshalb, daß Sie eingezogen würden.

HERR VON WALLENFELD. So ist alles hin, und ich bin ohne Rettung.

HERR VON POSERT. Ja, da hat nun jeder seine Mesures zu nehmen. Ich bin denn doch – mitleidiger.

UNTEROFFIZIER öffnet die Thüre, und sieht herein.

HERR VON WALLENFELD. Gleich, mein Herr – gleich! Nur einen Augenblick noch Geduld!

UNTEROFFIZIER macht zu.

HERR VON WALLENFELD. Jakob, geh zu meiner Frau, beschäftige sie nur einen Augenblick, daß sie nichts merkt.

JAKOB geht.

HERR VON WALLENFELD. Posert – um alles, was Ihnen jemals theuer war, beschwöre ich Sie.

HERR VON POSERT. Freilich, Hustet. ist zu erachten, daß, wenn Sie einmal arretirt sind, die andern Schuldner auch aufstehen werden –

HERR VON WALLENFELD. Soll mein getreues Weib vor dem Gefängniß jammern? – –

HERR VON POSERT. Nun da ist ja Hilfe – Zugegriffen!

HERR VON WALLENFELD. Wo ist Hilfe?

HERR VON POSERT. Werdet mein Croupier, ich bin ein gutes[189] Thier – so zahle ich den Wechsel, als Vorschuß auf Ihr Zehntheil –

HERR VON WALLENFELD. Nein, nein! in Ewigkeit nicht! Ich kann nicht, ich kann nicht.

HERR VON POSERT. Dann zahle ich den Kerl –

HERR VON WALLENFELD. Lieber arretirt –

HERR VON POSERT. Wenn Sie Ihren Part so ein zehn Jahre gezogen haben, Ihre eigene Bank etabliren können, und die Frömmigkeit chicanirt Sie dann noch – oder die Noblesse – was weiß ich, welche von beiden! nun – dann können Sie ein Waisenhaus bauen, und noch alljährlich, Hustet. sich eine Gedächtnißrede fundiren.

HERR VON WALLENFELD. Posert! eine gute Handlung lohnt sich so süß.

HERR VON POSERT. Ein blankes Zehntheil, das ist doch gewiß eine freigebige Handlung!

UNTEROFFIZIER sieht herein, macht ganz auf, man sieht drei Mann Wache.

HERR VON WALLENFELD ringt die Hände.

HERR VON POSERT sieht nach der Uhr. Je nun – Ihr wollt lieber in Arrest kriechen, und die Frau herum vagiren lassen. Meinetwegen! so macht Gedichte in der Gefangenschaft. Ich pränumerire auf zehn Exemplare. Ich will auch meine fünfundvierzig Dukaten noch zur Zeit stehen lassen. Es ist spät. – Adieu! Geht.

HERR VON WALLENFELD. Posert! –

HERR VON POSERT. Was ist's? Kommt zurück.

HERR VON WALLENFELD. Posert! – Nein, nichts! Geht! – Ich bitte Euch – geht schnell fort – der Augenblick ist schrecklich – geht![190]

HERR VON POSERT. Nun ja, ich gehe ja auch. Geht.

HERR VON WALLENFELD verzweifelnd. Posert!

HERR VON POSERT. Nun was wollt Ihr denn?

HERR VON WALLENFELD reicht ihm die Hand. Da!

HERR VON POSERT. Was soll das? –

HERR VON WALLENFELD. Nimm mich – habe mich – ich bin dir verkauft mit Leib und Seele; Gott wird es von dir fordern; ich kann nicht anders. – Jetzt zahl' aus!

HERR VON POSERT. Seid Ihr mein Croupier?

HERR VON WALLENFELD. Ja doch – in's Teufels Namen! Ich bin's.

HERR VON POSERT. Wer flucht denn so gottlos? –

HERR VON WALLENFELD. Zahl' aus!

HERR VON POSERT. Gott verleihe uns Glück und Segen! Hustet. Ich will mit dem Manne reden –

HERR VON WALLENFELD. Zahlen!

HERR VON POSERT. Gut sagen. Er kennt mich.

HERR VON WALLENFELD. Da zahle her – blank und bar. – Für eine Gutsage bin ich nicht feil: Geld will ich.

HERR VON POSERT. Nun also heute Abend seid Ihr an der Bank?

HERR VON WALLENFELD. Und morgen in der Hölle? nicht? Allons Kamerad, Geld her!

HERR VON POSERT. Heute Abend geht Euer Sold an. Ihr müßt aber aufpassen. Denn –

HERR VON WALLENFELD schlägt sich an die Stirne. Ich bin gelehrig.

HERR VON POSERT. Denn es kommen gewandte Herren an den Tisch. Nun – den Handschlag darauf!

HERR VON WALLENFELD reicht ihm die Hand. Da denn – Nein! – [191] die Hand nicht! Die habe ich meiner Frau gegeben – zu einem Tugendgelübde. Ach Gott! – Ach Marie! – Marie! – Marie! die Liebe – die Tugend – die Noth verkaufen mich an das Laster! – Da nimm beide Hände! nimm mich ganz! umarme mich! laß mich nicht mehr aus den Klauen – Aber nun gib Geld her!

HERR VON POSERT. Da ist ein Ring von zwölf hundert Thalern, bis ich heim komme – den laßt ihnen zum Pfande. In einer Stunde könnt Ihr das Geld bei mir holen.

HERR VON WALLENFELD. Her damit! Er geht hinaus.

HERR VON POSERT. So, jetzt habe ich meinen Mann. Nun kann ich doch, wenn es nicht stark geht, mich in Gottes Namen schlafen legen, wenn's zwölf Uhr ist. Und er ist ein Kavalier – es hat mehr Ansehen! – Es verhütet manche impertinente Frage. Er führt auch seinen Degen etwas kitzlich – da kann man denn doch, Hustet. die insolenten Nachfrager auch je zuweilen auf die Finger pochen. Man wird zwar dies und das gewohnt, und Gott Lob, ich habe mir eine lederne Stirne acquirirt: aber so ein Bursche ist jung, und steht besser vor dem Riß; wird schon anbeißen, wenn er nur erst einmal so ein reines Sümmchen eingestrichen hat! Zuerst wird er ein bischen generös sein wollen – hernach – verliert sich auch das.

HERR VON WALLENFELD kommt wieder. Nun – der Schurke ist bezahlt. Unser Handel ist geschlossen; wann soll ich mein Gewissen abschwören?

HERR VON POSERT. Ei Gott wolle uns gnädig sein! niemals. – Wenn mir nur der Kerl keine Steine ausbricht.

HERR VON WALLENFELD. Seid ruhig! Ihr habt eben einen guten Stein ausgebrochen. Jetzt sagt mir die ganze Höllen-Praktik[192] auf einmal! Was muß ich lernen, um Euch nützlich zu sein?

HERR VON POSERT. Kurios, Hustet. von der Tugend zu reden! Man kann doch nicht tugendhaft sein, wenn man nichts zu essen hat!

HERR VON WALLENFELD. Richtig! Gott ehre mir Eure Philosophie! Ich werde auch, bei Gott! nur darum ein Gauner, daß meine Frau Brot hat.

HERR VON POSERT hustet. Ich ärgere mich über solche Reden.

HERR VON WALLENFELD. Gebt mir noch Geld! Geld her!

HERR VON POSERT. Wie? noch mehr Geld?

HERR VON WALLENFELD. Noch etwas auf die Seele. Ich will meiner Frau Presente machen, und meinem alten Diener. Ich will geweinte Thränen bezahlen, und Vorschuß auf Verwünschungen geben.

HERR VON POSERT. Wie viel Geld wollt Ihr denn?

HERR VON WALLENFELD. Fünfzehn Louisd'ors.

HERR VON POSERT. Einen?

HERR VON WALLENFELD. Mensch, biete mehr auf meine arme Seele.

HERR VON POSERT. Nun – da habt Ihr drei!

HERR VON WALLENFELD. Fünfe, nicht einen Heller minder, oder ich sage Euch den Handel auf! Fünf Louisd'ors.

HERR VON POSERT. Nun da denn! Hustet. Es ist aber schrecklich viel!

HERR VON WALLENFELD. Ihr kriegt auch viel! – Nun, daß ich Euch nicht betrüge bei unserm ehrlichen Handel, sagt mir gleich alles Gute, was ich noch ablegen muß –

HERR VON POSERT. Steh uns Gott bei! Sollte man doch denken –

HERR VON WALLENFELD. Ich kennte mein Handwerk? Das wohl noch nicht. Ihr habt einen guten Fang gethan an mir.[193]

HERR VON POSERT. Es geht alles bei mir redlich und ordentlich zu.

HERR VON WALLENFELD. Hört, nehmt mich schnell in die Lehre. Heimlich. Wenn Ihr dann einen Onkel wißt, reich wie ein Nabob, kalt wie ein Stein, und räuberisch wie wir, – den liefert mir an die Bank. Ausplündern will ich ihn, daß er seinen Leichnam an uns verpfänden soll.

HERR VON POSERT küßt ihn. Je du närrischer Teufel –

HERR VON WALLENFELD. Weg da – die Stelle hat meine Frau heute geküßt – Aber wenn ein armer Teufel kommt wie ich – Posert – dann jagt mich von der Bank – Ich schreie ihm laut zu, fort von hier! wir warten auf deine Seele. Dann stehe ich auf, erzähle meine Geschichte – Er bedeckt sich das Gesicht. Allons, fort! Champagner her! – Champagner bis in die Nacht! So oft mein Gewissen sich regt – Champagner! – so oft mich an Eurer Seite ein Schauder ergreift, ströme der Feuertrank in mein Blut, und schwemme die armen Tugendreste weg! Raub und Champagner ist die Losung – Er erschrickt, sinnt nach. Ich habe zwar Weich. meiner armen Marie eine andere Losung gegeben – – Nichts, nichts! Sie hat mich nur gebeten, Ihr habt mich gekauft – Raub und Champagner! das ist das Wort! Er geht, sieht seine Frau und erschrickt.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 187-194.
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