Zwanzigster Auftritt.

[247] Vorige. Adjutant. Major Stern. Frau von Wallenfeld und Karl.

Sie treten ohne Geräusch ein.


HERR VON POSERT. Six et cinq.

GENERAL. Nur näher! Zu den Herren von Posert und von Wallenfeld. Je mehr Spieler, je besser für die Bank. Zu den Kommenden, der Frau von Wallenfeld, dem Major Stern und seinem kleinen Enkel. Nur zu uns her!

HERR VON WALLENFELD steht auf und ruft unwillkürlich. Marie![247]

GENERAL. Platz genommen, Frau Baronin.

ADJUTANT holt ihr einen Stuhl, setzt ihn neben den General, aber nicht an den Tisch.

GEHEIMERATH halb laut, zum General. Ich habe sie ja nicht anerkannt!

GENERAL. Aber ich. Und – Kavalier-Parole, Herr Geheimerath! – Ausgehalten, Herr von Fernau! Zu Herrn von Posert. Weiter, mein Herr! Zu Herrn von Wallenfeld. Die Gesellschaft wird größer; geben Sie Acht, Herr Croupier.

HERR VON WALLENFELD. Ihro Excellenz, ich beschwöre Sie –

GENERAL. Was gehen die Bank ihre Gäste an? Was geht den Bankier die Welt an? Die Bank ist seine Seele und Ehre und Seligkeit – weiter also; nicht wahr, Herr von Posert?

HERR VON POSERT. Wenn – wenn – Hustet.

GENERAL zur Frau von Wallenfeld. Da, meine gnädige Frau, setzen Sie sich zu mir her. Es gilt Ihr letztes Glück! – Herr Major – nehmen Sie eine Karte – Und du Kleiner, probire dein Heil. Komm her, zu mir her.

FRAU VON WALLENFELD führt ihn zum General, setzt sich und bedeckt das Gesicht mit dem Tuche.

GENERAL. Hast du Geld, Kleiner?

KARL. Der Vater hat mir welches geschenkt.

GENERAL. Nun, wir wollen sehen, was dein Vater für dich thun kann. Gib mir alle dein Geld. Er nimmt eine Karte. Setze das Geld hieher – hier, auf diese Karte. Er führt ihm die Hand, und setzt seinen Thaler, den das Kind in der Hand hat, auf die Karte. Die Karte gehört deinem Vater.

KARL. Willst du mein Geld wieder haben, Vater?

HERR VON WALLENFELD. Herr General![248]

GENERAL. Es sind mehr Thaler da auf dem Tische, die dein gehört haben, guter Junge! Heftig zu Herrn von Posert. Fortgefahren!

HERR VON POSERT ernsthaft. Deux et trois.

GENERAL. Gewonnen! Bravo, Herr von Posert! Gewonnen, lieber Kleiner! – Nun es gilt! Du soll einmal jetzt dein Glück und Heil poussiren. Er biegt ein Paroli in Karl's Karte.

HERR VON POSERT. Huit et dame! Er zahlt den Geheimenrath aus, der nicht wieder setzt.

HERR VON POSERT. Trois et sept.

GENERAL. Verloren, armer Knabe!

KARL. Nimmst du mir mein Geld wieder weg, Vater?

HERR VON WALLENFELD stößt einen Ausruf des tiefsten Jammers aus.

GENERAL. Du hast nichts mehr? Armer Spieler! – Mache es wie dein Vater. Hat der kein Geld mehr, so setzt er sich selbst, und Weib und Kind, Ehre und Leben. Er hebt das Kind auf den Tisch. Der Vater ist schon verloren, ich setze den Sohn! Abgezogen! – es gilt eine Seele – wer wird gewinnen?

HERR VON WALLENFELD springt hin, reißt das Kind in seine Arme. Karl! Barmherzigkeit, Herr General! – Das geht über Menschenkräfte; – ich halte es nicht aus.

HERR VON POSERT steht auf.

GENERAL tritt vom Tische weg, der Geheimerath und Fernau auch. Weib – Mutter – Vater – die Rinde um sein Herz ist gesprengt – tretet zu ihm. Laß sehen, was er thun will, euch wieder zu gewinnen und sich selbst.

HERR VON WALLENFELD setzt das Kind nieder. Wo soll ich hin? Wer[249] rettet mich vor mir selbst? vor dem Gefühl, das mich zermalmt! diesem gräßlichen Gefühl!

FRAU VON WALLENFELD geht zu ihm. Dies Gefühl ist die Tugend, die niemals ganz von dir gewichen war. In dieser Angst, in diesen Thränen behauptet sie ihre Gewalt. Diese Zernichtung deines ganzen Wesens ist dein Fürsprecher bei mir, bei der Welt, bei dir selbst. Davon hoffe ich Rückkehr. Dies Gefühl rufe ich jetzt auf, schenke deinem Sohne einen Vater wieder.

HERR VON WALLENFELD. Ich bin ja Fluch für dich und ihn! Was kann euch durch mich werden, als Schande und Mangel? Laßt mich fort! Laßt mich gehen! Tretet zurück! Nur Eine Genugthuung kann ich euch geben – meinen Tod. Laßt mich von hier weg, um Gottes willen, laßt mich fort.

MAJOR STERN faßt ihn auf. Lebe in Handlungen; dann gibst du Genugthuung.

FRAU VON WALLENFELD. Ich nehme dich wie du jetzt bist, und baue alles auf diesen Augenblick.

HERR VON WALLENFELD. Marie! – Vater! – Karl! – Können Sie von mir noch hoffen? Kannst du mir vergeben? Nein, nein!

GENERAL stark. Es ist genug! – Frau von Wallenfeld – Hoffnung und Vergebung!

FRAU VON WALLENFELD die ihn in ihre Arme schließt. Beides in der Umarmung deines Weibes, das dich ja nie verlassen hat.

GENERAL. Herr von Posert – dies Band ist geschlossen. Das Band mit Ihnen zerreiße ich im Namen der Ehre und der Tugend.

HERR VON POSERT. Ihro Excellenz –

GENERAL. Die deutschen Herren waren vor Alters verbunden, gegen Räuber zu kämpfen. Nun dann – Kampf[250] gegen dich, Räuber, vom deutschen Manne! – Herr Adjutant! hier sind die Papiere gegen ihn. Nun fort mit ihm! Wie ich befohlen habe, stark und kurz!

HERR VON POSERT. Ihro, Ihro –

GENERAL. Fort!

ADJUTANT UND HERR VON POSERT gehen ab.

GEHEIMERATH. Ich muß sagen – Was wollt' ich doch sagen?

MAJOR STERN. Ihro Excellenz handeln bei Gott sehr edelmüthig!

GENERAL. Erschüttert ist Ihr Schwiegersohn: das hat die Gewalt der Natur bewirkt. – Aber er ist arm, durch Thorheit und Unglück arm. Was ist nun zu thun? Er muß leben. Wovon soll er leben? – Wer gibt ihm zu leben? – – Keine Antwort? Junger Mensch, dein stärkster Schuldner ist insolvent geworden, du dauerst mich.

HERR VON WALLENFELD. Mir ist Niemand schuldig –

GENERAL. Dein Onkel ist dein Schuldner; durch Reichthum hat er dich verwahrloset: darf er dich also wohl in Verzweiflung verschmachten lassen?

GEHEIMERATH. Verwahrlost? Ich habe ihm alle Maitres gehalten, eine Edukation gegeben –

GENERAL. Hätten Sie ihm statt der ritterlichen Erziehung eine menschliche gegeben, so brauchte er jetzt weder Sie noch mich. Zum Hofrath. Und Sie, warum haben Sie Gläubiger und Polizei hinter ihm gehetzt? Das muß vor der Verlobung mit meiner Nichte erst klar werden; sonst fällt sie weg.

HOFRATH. Ich? Ich sollte etwas –


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 247-251.
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