Fünfte Szene.

[35] Robert. Toßmann.


TOSSMANN tritt während des Vivatrufes ein. Was ist das für ein Geschrei? – Sind doch fast scheu geworden meine Pferde.

ROBERT ihm entgegengehend. Herr von Toßmann ich danke Ihnen, daß Sie meiner Einladung so freundlich nachkommen.

TOSSMANN. 's ist eigentlich zu wundern, – denn ich sollte Sie als meinen Feind betrachten.

ROBERT. Warum dies?

TOSSMANN. Weil Sie leben! Sie wissen doch, daß Ihr seliger Onkel in unserem Großhandlungshause konditionierte und deshalb in seinem Testament für den Fall, daß Sie nicht mehr am Leben wären, sein ganzes Vermögen uns vermachte. –

ROBERT. Ich begreife! – Indes, was ist zu tun – ich lebe nun einmal!

TOSSMANN. Nun ja – Ihr Leben ist – sozusagen – ein fait accompli! – Sie sind durch diese Erbschaft einer der reichsten Männer der Stadt geworden und es ist mir daher sehr angenehm, mit Ihnen in freundschaftlichen Verkehr zu treten.

ROBERT. Dann habe ich nur zu bedauern, daß ich Ihre Freundschaft nur meinem Reichtume zu verdanken habe.[35]

TOSSMANN. Je nun – man wird doch nur der Freund eines Menschen seiner guten Eigenschaften wegen und man kann nicht leicht eine bessere Eigenschaft besitzen als zwei Millionen; denn Geld ist alles und alles ist nichts ohne Geld. – Wollen Sie sprechen vom Verstand? – Geld ist Verstand; denn wenn jemand Geld hat, arbeitet er mit fremden Köpfen, wenn er selbst keinen hat. Wollen Sie sprechen von Stärke? – Geld ist Stärke; denn nur wer keines hat, muß bei den meisten Gelegenheiten sagen: das übersteigt meine Kräfte. – Oder wollen Sie gar sprechen von Tugend? – Geld ist Tugend; denn die meisten Vergehen werden begangen aus Mangel an Geld und es gibt so wenig Tugend unter den Leuten, weil es gibt so wenig Geld unter den Leuten. – Oder wollen Sie endlich sprechen von Macht? – Nu sehen Sie, es war eine Zeit, wo nur allein eine tüchtige Faust, ein eiserner Harnisch, ein gewaltiges Schwert Macht war; dann ist gekommen eine Zeit, wo man glaubte, nur ein großer Geist sei eine große Macht und jetzt ist gekommen eine Zeit, wo Geld ist die größte Macht! – Aber man muß auch verstehn, diese Macht zu gebrauchen; und das, nehmen Sie mir's nicht übel, das verstehn Sie noch nicht.

ROBERT. Wie können Sie dies wissen?

TOSSMANN. Es ist klar! Um zu wissen, was Geld ist, muß man von Kindheit auf gelernt haben, zu arbeiten mit Geld. Sie aber, – verzeihen Sie mir, Sie sind ein Neuling; – Sie kommen mir vor wie ein Mensch, der in seinem Leben noch nicht einmal hat geschossen aus einer Schlüsselbüchse und der nun auf einmal gestellt[36] wird zu einer großen Batterie von Kanonen mit einer Menge Kugel und Pulver und soll damit eine Festung verteidigen. – Was wird er tun? – Er weiß nicht zu laden – nicht zu zielen; er wird zerstreuen nutzlos das Pulver oder er wird gar die eigene Festung in die Luft sprengen, statt zu schießen gegen den Feind.

ROBERT. Es mag sein, daß ich die Gebarung mit großen Summen noch nicht recht verstehe; darum eben ließ ich Sie bitten, mir Ihren Rat zu erteilen.

TOSSMANN. Sie haben schon zu viel getan ohne meinen Rat. – Sie haben das Gut hier gekauft viel zu teuer; – es wird Ihnen wenig tragen. Auch haben Sie, wie ich eben hörte, den Bauern alle Rückstände nachgelassen; – was haben Sie davon? Daß die Kerls Vivat schreien? – Hm, das hätten Sie billiger auch haben können; solche Leute schreien um ein Glas Wein auch Vivat!

ROBERT. Ich kaufte dieses Gut auch weniger, um Gewinn zu haben, sondern es war so eine Lieblingsidee von mir. –

TOSSMANN. Ein kluger Mann muß bei der jetzigen Zeit keine andere Lieblingsidee haben, als die, sein Geld zu vermehren.

ROBERT. Vermehren? Wozu? Ich habe genug!

TOSSMANN. Was – Sie haben genug? Was ist das für eine leichtfertige Rede! Wie der tugendhafte Mensch noch immer zu sündhaft ist, so ist der reichste Mann noch immer zu arm; und wie der leiseste noch immer sagen muß: ich weiß zu wenig, muß der Reichste noch immer sagen: ich habe zu wenig. – Aber es scheint Ihnen der Spekulationsgeist zu fehlen; das hab' ich gemerkt aus Ihrem ersten Offert.[37]

ROBERT. Aus welchem Offert?

TOSSMANN. Sie wollen Ihr bares Geld sicher anlegen; da trägt es vier Prozent – da wird sich das Kapital nie vermehren. – Wenn Sie sich aber einließen in großartige Unternehmungen – mit Ihrem Vermögen können Sie dies – so würden Ihre Millionen fruchtbar werden und wieder gebären Millionen. – Sie würden erst Bedeutung bekommen in der Welt; denn, glauben Sie mir, nur Geld haben, heißt noch nichts anderes als ein schönes Schwert in der Scheide tragen; wer aber mit Geld arbeitet, der steht da wie ein gewaltiger Krieger auf dem Schlachtfelde mit gezogenem Schwert; die Schwachen flüchten sich hinter ihn, die Starken fürchten ihn und er allein entscheidet die Schlacht.

ROBERT. Nun, so weisen Sie mich auf irgend eine große Unternehmung hin, bei der ich mich beteiligen kann.

TOSSMANN. Ich will Sie zuerst von einer Unternehmung abhalten, bei der Sie zu Schaden kommen. – Sehen Sie, die Heirat, die Sie da vorhaben – diese Heirat mit der Buchhändlerstochter, das ist das schlechteste Geschäft, was Sie nur machen können.

ROBERT verletzt. Ich dachte auch nie daran, meine Heirat als Geschäftssache zu betrachten; ich gehöre nicht zu jenen Verächtlichen, welche den Traualtar zur Krämerbude machen.

TOSSMANN ohne aus seiner Ruhe zu kommen. Was wollen Sie? – Die ganze Welt ist eine Krämerbude, wo jeder sein Gut so vorteilhaft als möglich an den Mann zu bringen sucht; – der erste sein Talent – der zweite seine Stärke, die[38] dritte ihre Schönheit und Tugend. Wer auf diesem Lebensmarkte irgend ein Gut umsonst hergibt, der ist ein Verschwender, wer aber sein größtes Gut, seine Freiheit an ein Weib verschenkt, der ist ein Wahnsinniger; nehmen Sie mir's nicht übel.

ROBERT. Die Liebe aber scheinen Sie gar nicht in Betracht zu ziehen, oder Sie wissen gar nicht, was Liebe ist!

TOSSMANN. Nun ja – das weiß ich sehr wohl; – die Liebe ist ein angenehmer Rausch – im Rausche soll man aber nichts Wichtiges unternehmen, folglich soll man das Wichtigste, eine Heirat, auch nicht aus Liebe schließen.

ROBERT. Und warum, meinen Sie, soll man denn überhaupt eine Ehe schließen?

TOSSMANN. Es gibt nur eine vernünftige Ursache, wenn man aus Vernunft heiratet, das heißt: um seinen Reichtum zu vermehren; und das sollten Sie auch tun. – – Ich wüßte eine sehr vernünftige Partie für Sie –

ROBERT. Für mich?

TOSSMANN. Eine Verwandte von mir, eine junge, sehr kluge Witwe, die es bewiesen hat, daß sie versteht, aus Vernunft zu heiraten. – Ihr erster Mann war achtzig alt, aber er starb ein halb Jahr nach der Hochzeit und hinterließ ihr ein Vermögen, welches dem Ihrigen beinahe gleichkommt. – Sie kennen diese Dame – Frau von Goldheim –

ROBERT. Goldheim! Ach ja, ich entsinne mich, ich hatte vor einem Jahre ungefähr in ihrem Hause wegen der Zusammenstellung einer Bibliothek zu tun –[39]

TOSSMANN. Richtig; – sie erzählte mir davon.

ROBERT. Und auf diese Dame sollte ich damals schon Eindruck gemacht haben?

TOSSMANN. Ich sage Ihnen, sie ist eine Verwandte von mir und eine kluge Frau und Sie – Sie waren damals ein armer Kommis – wie werden Sie Eindruck gemacht haben auf sie? – Aber jetzt – jetzt, glaub' ich, würden Sie Eindruck machen; – sie will sich wieder vermählen – aber vernünftig!

ROBERT. Vernünftig – das heißt. wir sollen aus unsern beiden Geldkassen eine machen und uns gegenseitig als Fasson des Metalls hinnehmen. Ich gestehe, ich kann mich zu diesem Grade von Vernunft nicht hinaufschwingen –

TOSSMANN. Dann sind Sie noch nicht so vernünftig als Ihre gegenwärtige Braut –

ROBERT. Wie meinen Sie das?

TOSSMANN. Sind Sie überzeugt, daß diese Sie nicht bloß Ihres Reichtums wegen zum Manne nimmt?

ROBERT pikiert. Das bin ich. Sie liebte mich, als ich noch arm war –

TOSSMANN. Nun ja – sie liebte Sie; – aber hätte sie Sie auch geheiratet, wenn Sie arm geblieben wären? Lieben kann man bald jemanden!

ROBERT. Sie suchen vergeblich solche Zweifel in mir zu wecken. –

TOSSMANN. Ich will dadurch Ihnen nur geraten haben, sich mit dieser Mariage nicht zu sehr zu übereilen; prüfen Sie sorgfältig, und wenn Sie Grund finden, dieses Verhältnis zu lösen, so gratulieren Sie sich. Denn sehen Sie, die Liebe ist wie ein überseeischer Wein und die Ehe ist der Äquator; wenn der[40] Liebeswein diesen passiert, so bricht er sich leicht und dann haben Sie die wertlose Ladung am Bord! – Aber Gold, mein Freund! Gold bleibt unter allen Himmelsstrichen Gold – und vier Millionen sind besser als zwei Millionen. – Also, ich werde indes Ihren Besuch anmelden bei der Frau von Goldheim.

ROBERT. Ich trage kein Verlangen –

TOSSMANN mit zusammengedrückten Augen zuversichtlich lachend. Sie werden meine Worte überlegen; und ich sage Ihnen, ich melde vor der Hand Ihren Besuch an. Ich empfehle mich Ihnen. Ab.

ROBERT. Der Mann hat mich ernst gemacht – er sprach nur Ansichten aus, die ich stets verwerflich fand – und doch – in mancher Beziehung hat er recht.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 35-41.
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