Ehescheidung

[283] Zum Pfäffel kam ein Pärchen und schrie:

»Geschwinde laßt uns frein!

Wir können nicht eine einzige Stund

Mehr ohne einander sein!«


Und aber ein Jährlein kaum verstrich,

Sie liefen herbei und schrien:

»Herr Pfarrer, trennt und scheidet uns,

Laßt keine Minute verziehn!«
[283]

Das Pfäfflein runzelte sich und sprach:

»Macht euch die Scham nicht rot?

Wir haben es alle drei beschworn:

Euch trenne nur der Tod!« –


»Rot macht die Scham, doch Reue bleich!

Herr Pfarrer, gebt uns frei!«

Der Mann bot einen Beutel dar,

Die Frau der Beutel zwei.


Da tat das Pfäffel zwischen sie

Ein Kätzelein, heil und ganz;

Der Mann, der hielt es bei dem Kopf,

Die Frau hielt es am Schwanz.


Der Pfaff mit großem Messer hieb

Das Kätzelein entzwei:

»Es trennt, es trennt, es trennt der Tod!«

Da waren sie wieder frei.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 283-284.
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