Bergfrühling

[39] Der Lenz ist da, die Lauine fällt,

Sie rollt mit Tosen und Sausen ins Tal;

Ich hab mein Hüttlein daneben gestellt

Auf grünende Matten am sonnigen Strahl.


Und ob auch die Laue mein Hüttchen trifft

Und nieder es führt im donnernden Lauf –

Sobald wieder trocken die Alpentrift,

Bau ich mir singend ein neues auf.


Doch wenn in meines Landes Bann

Der Knechtschaft verheerende Löwin fällt,

Dann zünd ich selber die Heimstatt an

Und ziehe hinaus in die weite Welt!
[39]

Hinaus in die Welt, in das finstere Reich,

Zu dienen im Dunkel dem fremden Mann,

Ein armer Gesell, der die Sterne bleich

Der Heimat nimmer vergessen kann!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 39-40.
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