An die Königin Katharina

[105] Mit meiner Beschreibung des Wildbads.


In altem Tannenhaine

Tief aus kristallnem Grund,

Gibt deiner Schwestern eine

Sich uns durch Wohltun kund.


Es gießt die Himmelsklare

Aus ihrem Felsenhaus

Schon viele hundert Jahre

Nur Lieb' und Segen aus.


Nie wird ihr Auge trübe,

Nie wird ihr Herze kalt,

Stets bleibt sie jung an Liebe,

Stets jung auch an Gestalt.


Die Nymphe ist's – die helle,

Die sonnenwarme Flut,

Des Wildbads heil'ge Quelle,

Die tausend Wunder tut.


Ja! Tausend mögen nennen

Der Heil'gen Lieb' und Treu'

Und müssen all bekennen,

Daß sie verwandt dir sei;


Daß sie, wie du, Erbarmen

Trägt mit der Menschen Schmerz,

Daß sie, wie du, erwarmen

Macht manch erstarrtes Herz.


Und weil du so an Güte,

An Wohltun ganz ihr gleich,

Nur Leben und nur Blüte

Ausgießen willst im Reich,[105]


Läßt dich durch dieses grüßen

Die Heil'ge liebewarm,

Und sehnt sich, dich zu schließen

Als Schwester in den Arm.


Nachschrift zu vorstehendem Gedichte.


Im Jahre 1839.


Obgleich du tot, sei dies aufs neu' geschrieben:

Denn du bist scheinbar nur von uns geschieden,

Du segnest fort aus deines Himmels Frieden

Durchs Tochterherz – und bist uns so geblieben.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 105-106.
Lizenz:
Kategorien: