An Rosamunde

[152] Sommers, wann die Lilien blühen,

Nelk' und Rose duftend glühen,

Mägdlein durch die Gärten wallen,

Schön begrüßt von Nachtigallen:


Steh' ich wohl am fernen Meere –

Aber auf der öden Leere

Wird dein Garten mir erblühen,

Werden deine Rosen glühen;


Werden sich die blauen Wellen

Mir zu euren Bergen schwellen,

Werd' ich eure Täler, Auen

Blühend in der Tiefe schauen,


Und dann zieht wohl banges Sehnen

Mich darnieder, und mit Tränen

Will ich sinken in die Rosen; –

Aber rings nur Wellen tosen.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 152.
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