Sehnsucht

[168] O könnt' ich einmal los

Von all dem Menschentreiben,

Natur! in deinem Schoß

Ein herzlich Kind verbleiben![168]


Mich rief ein Traum so schwer

Aus deinen Mutterarmen,

Seitdem kann nimmermehr

Das kranke Herz erwarmen.


Der Menschen Treiben, ach!

Das hält mich nun gefangen,

Das folgt mir störend nach,

Wo Erd' und Himmel prangen.


Doch ist dies Treiben mir

So fremd und so unherzlich,

Und, Mutter, ach! nach dir

Zieht mich ein Heimweh schmerzlich!


O nimm dein reuig Kind

In deine Mutterarme,

Daß dir's am Busen lind

Zu neuer Lieb' erwarme!


Wie ist's ergangen mir,

Daß ich verirrt so lange!

Mutter! zu dir, zu dir!

Wie ist mir weh und bange!


Bis ich wie Blum' und Quell

Dir darf im Herzen bleiben,

Mutter! o führ' mich schnell

Hin, wo kein Menschentreiben!

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 168-169.
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