Der Garten zu Schwaigern

[202] (An den Herrn Grafen Alfred v. Neipperg.)


Zu Schwaigern steht ein schöner Garten,

Ich schau' ihn stets mit Freuden nur,

Mit Lust bemüht ist ihn zu warten

Ein edler Liebling der Natur.[202]


Der Rosenflor, den er gezogen,

Der Georginen bunte Zahl

Gleicht einem farb'gen Regenbogen,

Der von dem Himmel sank zu Tal.


Platanen auch und Pinien heben

Ihr grünend Haupt zum Himmel fromm,

Ein Zeuge von vergangnem Leben

Schaut ernst durch sie der alte Dom.


Ein Schloß, von Efeu grün umfangen,

Begrenzet diese bunte Flur,

Üppig in warmen Beeten prangen

Die Kinder südlicher Natur.


Hier hängen der Hortensia Dolden

Herab in schwerer Blüten Wucht,

Dort glänzt aus dunklem Laube golden

Italiens Orangenfrucht.


Noch dunkler Laub! noch schönre Blüten,

Wie sie nur Edens Garten sah!

Feurig, wie kaum je Rosen glühten,

Erglüht hier die Kamelia.


Des Mittlers Leidenspflanze säumet

Mit heil'ger Blüt' des Hauses Wand,

Dran eine Palme lehnt und träumet

Von ihrer Heimat fernem Land.


Pfleger des Gartens! laß mich weilen

Bei ihr! mitträumen ihren Traum,

Glut jenes Himmels mit ihr teilen,

An Euphrats Strand ein heil'ger Baum.


Da sieht sie hoch den Ibis fliegen

Von heil'gen Stätten hergeweht,

Zephire ihre Blätter wiegen,

Die säuseln wie ein still Gebet.


Ein Singen rings um sie und Düften

Von bunten Vögeln, Blüten viel,

Und vor ihr in azurnen Lüften

Der Fee Morgana Zauberspiel.


So träumt die Palme, kennt die Ferne

Nicht, die sie von der Heimat trennt,

Weil sie nicht Nordens kalte Sterne

Bei dieser milden Pflege kennt.[203]


Oft ist's auch mir schon vorgekommen,

Als sei aus einem wärmern Land

Ich auf die kalte Flur gekommen,

Dir, Südens Palme, so verwandt.


Es dringt das Eis von Deutschlands Fluren

Gar schmerzlich in das Herze mir,

Dann treibt's zu sonnigern Naturen

Mich oft in Träumen weit von hier.


Doch wie hier wärmrer Zonen Kinder

Treu deine Hand, du Edler, pflegt,

So hast du schützend mich nicht minder

Auch an dein warmes Herz gelegt.


Seitdem fällt mir, die ich verloren,

Die wärmre Heimat seltner ein,

Und heut am Tag, der dich geboren,

Fühl' ich kein Eis – nur Sonnenschein.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 202-204.
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