Zweite Vorstellung.

[127] Als ich durch das Tor wieder einging, fuhr ein Reisewagen hinein, auf dem hinten ein kleiner Mohr saß, der mir wie ein Bekannter freundlich zuwinkte.

Der Wagen hielt vor dem Wirtshause zum Walfisch, dahin ging ich, um ein Mittagbrot zu verzehren. Der weiße Mann saß in diesem Wirtshause ganz betrübt unter vielen Tabakrauchern in einem der Zimmer, das voll Rauch war. Es hatte derselbe zwar ein Rohr im Munde, aber es war keine Pfeife daran. »Sehen Sie,« sprach er zu mir, »in einem solchen Rauchzimmer, das gleichsam schon eine große Pfeife voll Rauch darstellt, pflege ich nur ein Rohr in den Mund zu nehmen, vermöge dessen ich den überflüssigen Rauch um mich auffange und[127] wieder verrauche, so habe ich keinen Tabak nötig, auch brauche ich keine Pfeife zu stopfen und anzuzünden.

Nun nehme ich eine Prise,« sprach er, indem er das Fenster wie eine Tabaksdose öffnete; »die Sonne ist der allerherrlichste Schnupftabak«, sprach er weiter, »und macht mich stets niesen, wenn ich so recht einen kräftigen Strahl in meine Nase fallen lasse, hutscha!«

Ich lobte seine Erfindung und bat ihn, sie zum Besten aller tabakrauchenden und schnupfenden Dichter im Reichsanzeiger bekanntzumachen. Danach lud ich ihn ein, mit mir in das nächste Zimmer zu gehen, um ein Mittagbrot zu verzehren, maßen er mir nicht anders vorkam, als wie ein aus einem alten Torschreiber vor Hunger entlaufener Speisekanal.


Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 127-128.
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