Dritter Auftritt

[58] Agathe, Max, verstört und heftig eintretend. Ännchen gleich rach ihm, in Nachtkleidern.


AGATHE. Bist du endlich da, lieber Max!

MAX. Meine Agathe! Sie umarmen sich, Agathe tritt still zurück, als sie statt des gehofften Straußes den Federbusch erblickt. Verzeiht, wenn ihr meinetwegen aufgeblieben seid! Leider komm' ich nur auf wenig Augenblicke.

AGATHE. Du willst doch nicht wieder fort? Es sind Gewitter im Anzug.

MAX. Ich muß! Er wirft den Hut auf den Tisch, daß das Lämpchen von dem Federbusch ausgelöscht wird. Die Gegend, in die man aus dem Altan hinaussieht, zeigt sich schon in dunklerer Beleuchtung.

ÄNNCHEN. Gut, daß der Mond scheint; sonst säßen wir im Finstern. Sie schlägt Feuer und brennt das Lämpchen wieder an. Zu Max. Wir sind ja recht lebhaft! Vermutlich getanzt?

MAX. Ja! ja! Vermutlich!

AGATHE furchtsam, mit allen Zeichen getäuschter Hoffnung. Du scheinst übel gelaunt. Wieder unglücklich gewesen?

MAX. Nein! nein! Im Gegenteil!

AGATHE. Nicht? Gewiß nicht?

ÄNNCHEN zu Max. Was hast du gewonnen? Wenn's ein Band ist, Vetter, mußt du mir's schenken. Bitte, bitte! Agathe hat schon Bänderkram genug von dir!

AGATHE. Was hast du getroffen, Max. Heute ist mir's von Wichtigkeit.

MAX mit ängstlicher Verlegenheit. Ich habe – ich war gar nicht beim Sternschießen!

AGATHE. Und sagst doch, du seist glücklich gewesen?[58]

MAX. Ja doch! wunderbar, unglaublich glücklich. Sieh! Er zeigt ihr mit solcher Heftigkeit den Federbusch auf dem Hut, daß sie zurückfährt. Den größten Raubvogel hab' ich aus den Wolken geholt!

AGATHE. Sei doch nicht so hastig, du fährst mir in die Augen!

MAX. Vergib! Er bemerkt Blut an ihrer Stirn. Aber was ist das? Du bist verwundet, deine Locken sind blutig, um aller Heiligen willen, was ist dir begegnet?

AGATHE. Nichts! soviel als nichts, es heilt noch vorm Brautgang. Sich sanft an ihn schmiegend. Du sollst dich drum deines Bräutchen nicht schämen!

MAX. Aber so sagt doch nur –

ÄNNCHEN. Das Bild dort fiel herunter –

MAX. Dort, der Urvater Kuno?

AGATHE. Wie bist du? Es ist sonst kein Bild hier.

MAX. Der wackere, gottesfürchtige Kuno?

ÄNNCHEN. Halb und halb war Agathe selbst schuld. Wer hieß ihr auch, schon nach sieben Uhr immer ans Fenster zu laufen! Da ließ sich doch kaum erwarten, daß du schon heimkämst.

MAX. Um sieben Uhr?

ÄNNCHEN. Du hörst's ja! die Turmuhr drüben im Dorf hatte kaum ausgeschlagen.

MAX. Seltsam! Für sich. Um diese Zeit schoß ich den Bergadler.

AGATHE. Du sprichst mit dir selbst. Was hast du?

MAX. Nichts! nichts auf der Welt!

AGATHE. Bist du unzufrieden mit mir?

MAX mit steigender Verlegenheit. Nein! wie könnt' ich – Ja denn! ich bringe dir eine Bürgschaft meines wiederkehrenden Glücks – sie hat mich viel gekostet, und du – du freust dich nicht einmal darüber. Ist das auch Liebe?

AGATHE. Sei nicht ungerecht, Max! Noch weiß ich ja nicht – so große Raubvögel, wie ich diesen mir denken muß, haben immer etwas Furchtbares.

ÄNNCHEN. Das dächt' ich nicht! Mir sehn sie recht stattlich aus.

AGATHE zu Max. O steh nicht so in dich gekehrt! Ich liebe dich ja so innig. Solltest du morgen nicht glücklich[59] sein, würdest du mir, ich dir entrissen, o gewiß, der Gram tötete mich!

MAX. Drum – ebendarum – muß ich wieder fort!

AGATHE. Aber was treibt dich?

MAX. Ich habe – ich bin noch einmal glücklich gewesen –

AGATHE. Noch einmal?

MAX. Ja doch! ja! Ohne Agathe ansehen zu können. Ich hab' in der Dämm'rung einen Sechzehnender geschossen; der muß noch hereingeschafft werden, sonst stehlen ihn des Nachts die Bauern.

AGATHE. Wo liegt der Hirsch?

MAX. Ziemlich weit – im tiefen Wald – bei der Wolfsschlucht!


Nr. 9. Terzett


AGATHE.

Wie? Was? Entsetzen!

Dort in der Schreckensschlucht?

ÄNNCHEN.

Der wilde Jäger soll dort hetzen,

Und wer ihn hört, ergreift die Flucht.

MAX.

Darf Furcht im Herz des Weidmanns hausen?

AGATHE.

Doch sündigt der, der Gott versucht!

MAX.

Ich bin vertraut mit jenem Grausen,

Das Mitternacht im Walde webt;

Wenn sturmbewegt die Eichen sausen,

Der Häher krächzt, die Eule schwebt.


Er nimmt Hut, Jagdtasche und Büchse.


AGATHE.

Mir ist so bang, o bleibe!

O eile nicht so schnell.

O eile, eile, eile nicht!

Mir ist so bang!

ÄNNCHEN.

Ihr ist so bang, o bleibe!

O eile nicht so schnell!

O eile, eile nicht so schnell!

O eile, eile nicht!

MAX nach dem Altan hinten schauend, düster für sich.

Noch trübt sich nicht die Mondenscheibe;

Noch strahlt ihr Schimmer klar und hell;

Doch bald wird sie den Schein verlieren –

ÄNNCHEN.

Willst du den Himmel observieren?

Das wär' nun meine Sache nicht![60]

AGATHE.

So kann dich meine Angst nicht rühren?

MAX.

Mich ruft von hinnen Wort und Pflicht,

Mich rufen Wort und Pflicht!

AGATHE, MAX UND ÄNNCHEN.

Leb' wohl! Lebe wohl!

MAX geht hastig fort, kehrt aber in der Tür noch einmal zurück.

Doch hast du auch vergeben

Den Vorwurf, den Verdacht?

AGATHE.

Nichts fühlt mein Herz als Beben,

Nimm meiner Warnung acht!

ÄNNCHEN.

So ist das Jägerleben!

Nie Ruh' bei Tag und Nacht! –

AGATHE.

Weh mir, ich muß dich lassen!

Denk' an Agathens Wort!

MAX düster.

Bald wird der Mond erblassen,

Mein Schicksal reißt mich fort!

ÄNNCHEN zu Agathe.

Such', Beste, dich zu fassen!


Zu Max.


Denk' an Agathens Wort!


Max den Hut tief in die Augen drückend, stürzt heftig ab.


Agathe und Ännchen ab.


Verwandlung


Furchtbare Waldschlucht, größtenteils mit Schwarzholz bewachsen, von hohen Gebirgen rings umgeben. Von einem derselben stürzt ein Wasserfall. Der Vollmond scheint bleich. Zwei Gewitter von entgegengesetzter Richtung sind im Anzug. Weiter vorwärts ein vom Blitz zerschmetterter, ganz verdorrter Baum, inwendig faul, so daß er zu glimmen scheint. Auf der andern Seite, auf einem knorrigen Ast, eine große Eule mit feurig rädernden Augen. Auf anderen Bäumen Raben und anderes Waldgevögel.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Leipzig [o.J.], S. 58-61.
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