Siebenter Auftritt

[254] Adam im Ornat, doch ohne Perücke, tritt auf. Die Vorigen.


ADAM für sich.

Ei, Evchen. Sieh! Und der vierschröt'ge Schlingel,

Der Ruprecht! Ei, was Teufel, sieh! die ganze Sippschaft!

– Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?

EVE.

O liebste Mutter, folgt mir, ich beschwör Euch,

Laßt diesem Unglückszimmer uns entfliehen!

ADAM.

Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die?

LICHT.

Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien.

Es ist ein Krug zerbrochen worden, hör ich.

ADAM.

Ein Krug! So! Ei! – Ei, wer zerbrach den Krug?

LICHT.

Wer ihn zerbrochen?

ADAM.

Ja, Gevatterchen.

LICHT.

Mein Seel, setzt Euch: so werdet Ihr's erfahren.

ADAM heimlich.

Evchen!

EVE gleichfalls.

Geh Er.

ADAM.

Ein Wort.[254]

EVE.

Ich will nichts wissen.

ADAM.

Was bringt ihr mir?

EVE.

Ich sag Ihm, Er soll gehn.

ADAM.

Evchen! Ich bitte dich! Was soll mir das bedeuten?

EVE.

Wenn Er nicht gleich –! Ich sag's Ihm, laß Er mich.

ADAM zu Licht.

Gevatter, hört, mein Seel, ich halt's nicht aus.

Die Wund am Schienbein macht mir Übelkeiten;

Führt Ihr die Sach, ich will zu Bette gehn.

LICHT.

Zu Bett –? Ihr wollt –? Ich glaub, Ihr seid verrückt.

ADAM.

Der Henker hol's. Ich muß mich übergeben.

LICHT.

Ich glaub, Ihr rast, im Ernst. Soeben kommt Ihr –?

– Meinthalben. Sagt's dem Herrn Gerichtsrat dort.

Vielleicht erlaubt er's. – Ich weiß nicht, was Euch fehlt?

ADAM wieder zu Even.

Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!

Was ist's, das ihr mir bringt?

EVE.

Er wird's schon hören.

ADAM.

Ist's nur der Krug dort, den die Mutter hält,

Den ich so viel –?

EVE.

Ja, der zerbrochne Krug nur.

ADAM.

Und weiter nichts?

EVE.

Nichts weiter.

ADAM.

Nichts? Gewiß nichts?

EVE.

Ich sag Ihm, geh Er. Laß Er mich zufrieden.

ADAM.

Hör du, bei Gott, sei klug, ich rat es dir.

EVE.

Er, Unverschämter!

ADAM.

In dem Attest steht

Der Name jetzt, Frakturschrift, Ruprecht Tümpel.

Hier trag ich's fix und fertig in der Tasche;

Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du,

Auf meine Ehr, heut übers Jahr dir holen,

Dir Trauerschürz und Mieder zuzuschneiden,

Wenn's heißt: der Ruprecht in Batavia

Krepiert' – ich weiß, an welchem Fieber nicht,

War's gelb, war's scharlach, oder war es faul.[255]

WALTER.

Sprecht nicht mit den Partein, Herr Richter Adam,

Vor der Session! Hier setzt Euch, und befragt sie.

ADAM.

Was sagt er? – Was befehlen Euer Gnaden?

WALTER.

Was ich befehl? – Ich sagte deutlich Euch,

Daß Ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt

Mit den Partein zweideut'ge Sprache führen.

Hier ist der Platz, der Eurem Amt gebührt,

Und öffentlich Verhör, was ich erwarte.

ADAM für sich.

Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen –!

– Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm –

LICHT ihn aufschreckend.

Herr Richter! Seid Ihr –?

ADAM.

Ich? Auf Ehre nicht!

Ich hatte sie behutsam drauf gehängt,

Und müßt ein Ochs gewesen sein –

LICHT.

Was?

ADAM.

Was?

LICHT.

Ich fragte –!

ADAM.

Ihr fragtet, ob ich –?

LICHT.

Ob Ihr taub seid, fragt ich.

Dort Seiner Gnaden haben Euch gerufen.

ADAM.

Ich glaubte –! Wer ruft?

LICHT.

Der Herr Gerichtsrat dort.

ADAM für sich.

Ei! Hol's der Henker auch! Zwei Fälle gibt's,

Mein Seel, nicht mehr, und wenn's nicht biegt, so bricht's.

– Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Euer Gnaden?

Soll jetzt die Prozedur beginnen?

WALTER.

Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt Euch?

ADAM.

– Auf Ehr! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,

Das ich von einem Indienfahrer kaufte,

Den Pips: ich soll es nudeln, und versteh's nicht,

Und fragte dort die Jungfer bloß um Rat.

Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht,

Und meine Hühner nenn ich meine Kinder.[256]

WALTER.

Hier. Setzt Euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn.

Und Ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll.

ADAM.

Befehlen Euer Gnaden den Prozeß

Nach den Formalitäten, oder so,

Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?

WALTER.

Nach den gesetzlichen Formalitäten,

Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders.

ADAM.

Gut, gut. Ich werd Euch zu bedienen wissen.

Seid Ihr bereit, Herr Schreiber?

LICHT.

Zu Euren Diensten.

ADAM.

– So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!

Klägere trete vor.

FRAU MARTHE.

Hier, Herr Dorfrichter!

ADAM.

Wer seid Ihr?

FRAU MARTHE.

Wer –?

ADAM.

Ihr.

FRAU MARTHE.

Wer ich –?

ADAM.

Wer Ihr seid!

Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter.

FRAU MARTHE.

Ich glaub, Er spaßt, Herr Richter.

ADAM.

Spaßen, was!

Ich sitz im Namen der Justiz, Frau Marthe,

Und die Justiz muß wissen, wer Ihr seid.

LICHT halblaut.

Laßt doch die sonderbare Frag –

FRAU MARTHE.

Ihr guckt

Mir alle Sonntag in die Fenster ja,

Wenn Ihr aufs Vorwerk geht!

WALTER.

Kennt Ihr die Frau?

ADAM.

Sie wohnt hier um die Ecke, Euer Gnaden,

Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht;

Witw' eines Kastellans, Hebamme jetzt,

Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe.

WALTER.

Wenn Ihr so unterrichtet seid, Herr Richter,

So sind dergleichen Fragen überflüssig.

Setzt ihren Namen in das Protokoll,

Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.[257]

ADAM.

Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.

Tut so, wie Seiner Gnaden anbefohlen.

WALTER.

Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt.

ADAM.

Jetzt soll ich –?

WALTER.

Ja, den Gegenstand ermitteln!

ADAM.

Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht.

WALTER.

Wie? Gleichfalls!

ADAM.

Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,

Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

LICHT.

Auf meine hingeworfene Vermutung

Wollt Ihr, Herr Richter –?

ADAM.

Mein Seel, wenn ich's Euch sage,

So schreibt Ihr's hin. Ist's nicht ein Krug, Frau Marthe?

FRAU MARTHE.

Ja, hier der Krug –

ADAM.

Da habt Ihr's.

FRAU MARTHE.

Der zerbrochne –

ADAM.

Pedantische Bedenklichkeit.

LICHT.

Ich bitt Euch –

ADAM.

Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel –?

FRAU MARTHE.

Ja, er, der Schlingel dort –

ADAM für sich.

Mehr brauch ich nicht.

RUPRECHT.

Das ist nicht wahr, Herr Richter.

ADAM für sich.

Auf, aufgelebt, du alter Adam!

RUPRECHT.

Das lügt sie in den Hals hinein –

ADAM.

Schweig, Maulaffe!

Du steckst den Hals noch früh genug ins Eisen.

– Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt,

Zusamt dem Namen des, der ihn zerschlagen.

Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein.

WALTER.

Herr Richter! Ei! Welch ein gewaltsames Verfahren.

ADAM.

Wieso?

LICHT.

Wollt Ihr nicht förmlich –?

ADAM.

Nein! sag ich;

Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht.[258]

WALTER.

Wenn Ihr die Instruktion, Herr Richter Adam,

Nicht des Prozesses einzuleiten wißt,

Ist hier der Ort jetzt nicht, es Euch zu lehren.

Wenn Ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben,

So tretet ab: vielleicht kann's Euer Schreiber.

ADAM.

Erlaubt! Ich gab's, wie's hier in Huisum üblich;

Euer Gnaden haben's also mir befohlen.

WALTER.

Ich hätt –?

ADAM.

Auf meine Ehre!

WALTER.

Ich befahl Euch,

Recht hier nach den Gesetzen zu erteilen;

Und hier in Huisum glaubt ich die Gesetze,

Wie anderswo in den vereinten Staaten.

ADAM.

Da muß submiß ich um Verzeihung bitten!

Wir haben hier, mit Euerer Erlaubnis,

Statuten, eigentümliche, in Huisum,

Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch

Bewährte Tradition uns überliefert.

Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen,

Bin ich noch heut kein Jota abgewichen.

Doch auch in Eurer andern Form bin ich,

Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause.

Verlangt Ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!

Ich kann Recht so jetzt, jetzo so erteilen.

WALTER.

Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter.

Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. –

ADAM.

Auf Ehr! Gebt acht, Ihr sollt zufrieden sein.

– Frau Marthe Rull! Bringt Eure Klage vor.

FRAU MARTHE.

Ich klag, Ihr wißt's, hier wegen dieses Krugs;

Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde

Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe

Was er vorher mir war.

ADAM.

Das Reden ist an Euch.

FRAU MARTHE.

Seht ihr den Krug, ihr wertgeschätzten Herren?

Seht ihr den Krug?

ADAM.

O ja, wir sehen ihn.[259]

FRAU MARTHE.

Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;

Der Krüge schönster ist entzweigeschlagen.

Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,

Sind die gesamten niederländischen Provinzen

Dem span'schen Philipp übergeben worden.

Hier im Ornat stand Kaiser Karl der Fünfte:

Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.

Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:

Der liegt im Topf, bis auf den Hinterteil,

Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.

Dort wischten seine beiden Muhmen sich,

Der Franzen und der Ungarn Königinnen,

Gerührt die Augen aus; wenn man die eine

Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,

So ist's, als weinete sie über sich.

Hier im Gefolge stützt sich Philibert,

Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,

Noch auf das Schwert; doch jetzo müßt er fallen,

So gut wie Maximilian: der Schlingel!

Die Schwerter unten jetzt sind weggeschlagen.

Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze,

Sah man den Erzbischof von Arras stehn;

Den hat der Teufel ganz und gar geholt,

Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.

Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,

Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,

Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,

Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster:

Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.

ADAM.

Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Paktum,

Wenn es zur Sache nicht gehört.

Uns geht das Loch – nichts die Provinzen an,

Die darauf übergeben worden sind.

FRAU MARTHE.

Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache! –[260]

Den Krug erbeutete sich Childerich,

Der Kesselflicker, als Oranien

Briel mit den Wassergeusen überrumpelte.

Ihn hatt ein Spanier, gefüllt mit Wein,

Just an den Mund gesetzt, als Childerich

Den Spanier von hinten niederwarf,

Den Krug ergriff, ihn leert', und weiter ging.

ADAM.

Ein würd'ger Wassergeuse.

FRAU MARTHE.

Hierauf vererbte

Der Krug auf Fürchtegott, den Totengräber;

Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne,

Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug.

Das erstemal, als er im Sechzigsten

Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf,

Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte;

Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,

Trank er zum dritten Male, als sie starb.

ADAM.

Gut. Das ist auch nicht übel.

FRAU MARTHE.

Drauf fiel der Krug

An den Zachäus, Schneider in Tirlemont,

Der meinem sel'gen Mann, was ich euch jetzt

Berichten will, mit eignem Mund erzählt.

Der warf, als die Franzosen plünderten,

Den Krug, samt allem Hausrat, aus dem Fenster,

Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte,

Und dieser irdne Krug, der Krug von Ton,

Aufs Bein kam er zu stehen, und blieb ganz.

ADAM.

Zur Sache, wenn's beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache!

FRAU MARTHE.

Drauf in der Feuersbrunst von sechsundsechzig,

Da hatt ihn schon mein Mann, Gott hab ihn selig –

ADAM.

Zum Teufel! Weib! So seid Ihr noch nicht fertig?

FRAU MARTHE.

– Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam,

So bin ich unnütz hier, so will ich gehn,

Und ein Gericht mir suchen, das mich hört.[261]

WALTER.

Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht,

Die Eurer Klage fremd. Wenn Ihr uns sagt,

Daß jener Krug Euch wert, so wissen wir

So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen.

FRAU MARTHE.

Wieviel ihr brauchen möget, hier zu richten,

Das weiß ich nicht, und untersuch es nicht;

Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,

Muß vor euch sagen dürfen, über was.

WALTER.

Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?

Was? – Was geschah dem Krug im Feuer

Von Anno sechsundsechzig? Wird man's hören?

Was ist dem Krug geschehn?

FRAU MARTHE.

Was ihm geschehen?

Nichts ist dem Krug, ich bitt euch sehr, ihr Herren,

Nichts Anno sechsundsechzig ihm geschehen.

Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,

Und aus des Hauses Asche zog ich ihn

Hervor, glasiert, am andern Morgen, glänzend,

Als käm er eben aus dem Töpferofen.

WALTER.

Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen

Wir alles, was dem Krug geschehn, was nicht.

Was gibt's jetzt weiter?

FRAU MARTHE.

Nun diesen Krug jetzt seht – den Krug,

Zertrümmert einen Krug noch wert, den Krug

Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst

Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht,

Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,

Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.

ADAM.

Wer?

FRAU MARTHE.

Er, der Ruprecht dort.

RUPRECHT.

Das ist gelogen,

Herr Richter.

ADAM.

Schweig Er, bis man Ihn fragen wird.

Auch heut an Ihn noch wird die Reihe kommen.

– Habt Ihr's im Protokoll bemerkt?[262]

LICHT.

O ja.

ADAM.

Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe.

FRAU MARTHE.

Es war Uhr eilfe gestern –

ADAM.

Wann, sagt Ihr?

FRAU MARTHE.

Uhr eilf.

ADAM.

Am Morgen!

FRAU MARTHE.

Nein, verzeiht, am Abend,

Und schon die Lamp im Bette wollt ich löschen,

Als laute Männerstimmen, ein Tumult,

In meiner Tochter abgelegnen Kammer,

Als ob der Feind einbräche, mich erschreckt.

Geschwind die Trepp eil ich hinab, ich finde

Die Kammertür gewaltsam eingesprengt,

Schimpfreden schallen wütend mir entgegen,

Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte,

Was find ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find ich?

Den Krug find ich zerscherbt im Zimmer liegen,

In jedem Winkel liegt ein Stück,

Das Mädchen ringt die Händ, und er der Flaps dort,

Der trotzt, wie toll, Euch in des Zimmers Mitte.

ADAM.

Ei, Wetter!

FRAU MARTHE.

Was?

ADAM.

Sieh da, Frau Marthe!

FRAU MARTHE.

Ja! –

Drauf ist's, als ob in so gerechtem Zorn,

Mir noch zehn Arme wüchsen, jeglichen

Fühl ich mir wie ein Geier ausgerüstet.

Ihn stell ich dort zu Rede, was er hier

In später Nacht zu suchen, mir die Krüge

Des Hauses tobend einzuschlagen habe:

Und er, zur Antwort gibt er mir, jetzt ratet?

Der Unverschämte! Der Halunke, der!

Aufs Rad will ich ihn sehen, oder mich

Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen:

Er spricht, es hab ein anderer den Krug

Vom Sims gestürzt – ein anderer, ich bitt Euch,[263]

Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;

– Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen.

ADAM.

Oh! faule Fische – Hierauf?

FRAU MARTHE.

Auf dies Wort

Seh ich das Mädchen fragend an; die steht

Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve! –

Sie setzt sich; ist's ein anderer gewesen,

Frag ich? Und Joseph und Maria, ruft sie,

Was denkt Ihr Mutter auch? – So sprich! Wer war's?

Wer sonst, sagt sie, – und wer auch konnt es anders?

Und schwört mir zu, daß er's gewesen ist.

EVE.

Was schwor ich Euch? Was hab ich Euch geschworen?

Nichts schwor ich, nichts Euch –

FRAU MARTHE.

Eve!

EVE.

Nein! Dies lügt Ihr. –

RUPRECHT.

Da hört ihr's.

ADAM.

Hund, jetzt, verfluchter, schweig,

Soll hier die Faust den Rachen dir noch stopfen!

Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.

FRAU MARTHE.

Du hättest nicht –?

EVE.

Nein, Mutter! Dies verfälscht Ihr.

Seht, leid tut's in der Tat mir tief zur Seele,

Daß ich es öffentlich erklären muß:

Doch nichts schwor ich, nichts, nichts hab ich geschworen.

ADAM.

Seid doch vernünftig, Kinder.

LICHT.

Das ist ja seltsam.

FRAU MARTHE.

Du hättest mir, o Eve, nicht versichert?

Nicht Joseph und Maria angerufen?

EVE.

Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht dies jetzt schwör ich,

Und Joseph und Maria ruf ich an.

ADAM.

Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht Sie?

Wie schüchtert Sie das gute Kind auch ein.

Wenn sich die Jungfer wird besonnen haben,

Erinnert ruhig dessen, was geschehen,[264]

– Ich sage, was geschehen ist, und was,

Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch kann.

Gebt acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern,

Gleichviel, ob sie's beschwören kann ob nicht.

Laßt Joseph und Maria aus dem Spiele.

WALTER.

Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den

Parteien so zweideut'ge Lehren geben.

FRAU MARTHE.

Wenn sie ins Angesicht mir sagen kann,

Schamlos, die liederliche Dirne, die,

Daß es ein andrer, als der Ruprecht war,

So mag meintwegen sie – ich mag nicht sagen, was.

Ich aber, ich versichr' es Euch, Herr Richter,

Und kann ich gleich nicht, daß sie's schwor, behaupten,

Daß sie's gesagt hat gestern, das beschwör ich,

Und Joseph und Maria ruf ich an.

ADAM.

Nun weiter will ja auch die Jungfer –

WALTER.

Herr Richter!

ADAM.

Euer Gnaden? – Was sagt er? – Nicht, Herzens-Evchen?

FRAU MARTHE.

Heraus damit! Hast du's mir nicht gesagt?

Hast du's mir gestern nicht, mir nicht gesagt?

EVE.

Wer leugnet Euch, daß ich's gesagt –

ADAM.

Da habt ihr's.

RUPRECHT.

Die Metze, die!

ADAM.

Schreibt auf.

VEIT.

Pfui, schäm Sie sich.

WALTER.

Von Eurer Aufführung, Herr Richter Adam,

Weiß ich nicht, was ich denken soll. Wenn Ihr selbst

Den Krug zerschlagen hättet, könntet Ihr

Von Euch ab den Verdacht nicht eifriger

Hinwälzen auf den jungen Mann, als jetzt. –

Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber,

Als nur der Jungfer Eingeständnis, hoff ich,

Vom gestrigen Geständnis, nicht vom Facto.

– Ist's an die Jungfer jetzt schon auszusagen?

ADAM.

Mein Seel, wenn's ihre Reihe noch nicht ist,

In solchen Dingen irrt der Mensch, Euer Gnaden.[265]

Wen hätt ich fragen sollen jetzt? Beklagten?

Auf Ehr! Ich nehme gute Lehre an.

WALTER.

Wie unbefangen! – Ja, fragt den Beklagten.

Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt Euch sehr:

Dies ist die letzte Sache, die Ihr führt.

ADAM.

Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!

Wohin auch, alter Richter, dachtest du?

Verflucht, das pips'ge Perlhuhn mir! Daß es

Krepiert wär an der Pest in Indien!

Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn.

WALTER.

Was liegt? Was für ein Kloß liegt Euch –?

ADAM.

Der Nudelkloß,

Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll.

Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,

Mein Seel, so weiß ich nicht, wie's werden wird.

WALTER.

Tut Eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker!

ADAM.

Beklagter trete vor.

RUPRECHT.

Hier, Herr Dorfrichter.

Ruprecht, Veits des Kossäten Sohn, aus Huisum.

ADAM.

Vernahm Er dort, was vor Gericht soeben

Frau Marthe gegen Ihn hat angebracht?

RUPRECHT.

Ja, Herr Dorfrichter, das hab ich.

ADAM.

Getraut Er sich

Etwas dagegen aufzubringen, was?

Bekennt Er, oder unterfängt Er sich,

Hier wie ein gottvergeßner Mensch zu leugnen?

RUPRECHT.

Was ich dagegen aufzubringen habe,

Herr Richter? Ei! Mit Euerer Erlaubnis,

Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat.

ADAM.

So? Und das denkt Er zu beweisen?

RUPRECHT.

O ja.

ADAM.

Die würdige Frau Marthe, die.

Beruhige Sie sich. Es wird sich finden.

WALTER.

Was geht Ihn die Frau Marthe an, Herr Richter?

ADAM.

Was mir –? Bei Gott! Soll ich als Christ –?[266]

WALTER.

Bericht

Er, was Er für sich anzuführen hat. –

Herr Schreiber, wißt Ihr den Prozeß zu führen?

ADAM.

Ach, was!

LICHT.

Ob ich – ei nun, wenn Euer Gnaden –

ADAM.

Was glotzt Er da? Was hat Er aufzubringen?

Steht nicht der Esel, wie ein Ochse, da?

Was hat Er aufzubringen?

RUPRECHT.

Was ich aufzubringen?

WALTER.

Er ja, Er soll den Hergang jetzt erzählen.

RUPRECHT.

Mein Seel, wenn man zu Wort mich kommen ließe.

WALTER.

's ist in der Tat, Herr Richter, nicht zu dulden.

RUPRECHT.

Glock zehn Uhr mocht es etwa sein zu Nacht, –

Und warm, just diese Nacht des Januars

Wie Mai, als ich zum Vater sage: Vater!

Ich will ein bissel noch zur Eve gehn.

Denn heuren wollt ich sie, das müßt ihr wissen,

Ein rüstig Mädel ist's, ich hab's beim Ernten

Gesehn, wo alles von der Faust ihr ging,

Und ihr das Heu man flog, als wie gemaust.

Da sagt' ich: willst du? Und sie sagte: ach!

Was du da gakelst. Und nachher sagt' sie, ja.

ADAM.

Bleib Er bei seiner Sache. Gakeln! Was!

Ich sagte, willst du? Und sie sagte, ja.

RUPRECHT.

Ja, meiner Treu, Herr Richter.

WALTER.

Weiter! Weiter!

RUPRECHT.

Nun –

Da sagt ich: Vater, hört Er? Laß Er mich.

Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen.

Na, sagt er, lauf; bleibst du auch draußen, sagt er?

Ja, meiner Seel, sag ich, das ist geschworen.

Na, sagt er, lauf, um eilfe bist du hier.

ADAM.

Na, so sag du, und gakle, und kein Ende.

Na, hat er bald sich ausgesagt?

RUPRECHT.

Na, sag ich,[267]

Das ist ein Wort, und setz die Mütze auf,

Und geh; und übern Steig will ich, und muß

Durchs Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen.

Ei, alle Wetter, denk ich, Ruprecht, Schlag!

Nun ist die Gartentür bei Marthens zu:

Denn bis um zehn läßt 's Mädel sie nur offen,

Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht.

ADAM.

Die liederliche Wirtschaft, die.

WALTER.

Drauf weiter?

RUPRECHT.

Drauf – wie ich übern Lindengang mich näh're,

Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt,

Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind,

Hör ich die Gartentüre fernher knarren.

Sieh da! Da ist die Eve noch! sag ich,

Und schicke freudig Euch, von wo die Ohren

Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach –

– Und schelte sie, da sie mir wiederkommen,

Für blind, und schicke auf der Stelle sie

Zum zweitenmal, sich besser umzusehen,

Und schimpfe sie nichtswürdige Verleumder,

Aufhetzer, niederträcht'ge Ohrenbläser,

Und schicke sie zum drittenmal, und denke,

Sie werden, weil sie ihre Pflicht getan,

Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen,

Und sich in einen andern Dienst begeben:

Die Eve ist's, am Latz erkenn ich sie,

Und einer ist's noch obenein.

ADAM.

So? Einer noch? Und wer, Er Klugschwätzer?

RUPRECHT.

Wer? Ja, mein Seel, da fragt Ihr mich –

ADAM.

Nun also!

Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

WALTER.

Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!

Was unterbrecht Ihr ihn, Herr Dorfrichter?

RUPRECHT.

Ich kann das Abendmahl darauf nicht nehmen,

Stockfinster war's, und alle Katzen grau.

Doch müßt Ihr wissen, daß der Flickschuster,[268]

Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen,

Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging.

Ich sagte vor'gen Herbst schon: Eve, höre,

Der Schuft schleicht mir ums Haus, das mag ich nicht;

Sag ihm, daß du kein Braten bist für ihn,

Mein Seel, sonst werf ich ihn vom Hof herunter.

Die spricht: ich glaub, du schierst mich, sagt ihm was,

Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch:

Drauf geh ich hin, und werf den Schlingel herunter.

ADAM.

So? Lebrecht heißt der Kerl?

RUPRECHT.

Ja, Lebrecht.

ADAM.

Gut.

Das ist ein Nam. Es wird sich alles finden.

– Habt Ihr's bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?

LICHT.

O ja, und alles andere, Herr Richter.

ADAM.

Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.

RUPRECHT.

Nun schießt,

Da ich Glock eilf das Pärchen hier begegne,

– Glock zehn Uhr zog ich immer ab – das Blatt mir.

Ich denke, halt, jetzt ist's noch Zeit, o Ruprecht,

Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht: –

Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen,

Ob dir von fern hornartig etwas keimt.

Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte,

Und berg in einen Strauch von Taxus mich:

Und hör Euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,

Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,

Mein Seel, ich denk, ich soll vor Lust –

EVE.

Du Böswicht!

Was das, o schändlich ist von dir!

FRAU MARTHE.

Halunke!

Dir weis ich noch einmal, wenn wir allein sind,

Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir

Die Haare wachsen! Du sollst's erfahren!

RUPRECHT.

Ein Viertelstündchen dauert's so, ich denke,

Was wird's doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit?[269]

Und eh ich den Gedanken ausgedacht,

Husch! sind sie beid ins Haus schon, vor dem Pastor.

EVE.

Geht, Mutter, mag es werden, wie es will –

ADAM.

Schweig du mir dort, rat ich, das Donnerwetter

Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin!

Wart, bis ich auf zur Red dich rufen werde.

WALTER.

Sehr sonderbar, bei Gott!

RUPRECHT.

Jetzt hebt, Herr Richter Adam

Jetzt hebt sich's, wie ein Blutsturz, mir. Luft!

Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt!

Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt sag ich!

Und geh, und drück, und tret und donnere,

Da ich der Dirne Tür verriegelt finde,

Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

ADAM.

Blitzjunge, du!

RUPRECHT.

Just da sie auf jetzt rasselt,

Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,

Und husch! springt einer aus dem Fenster Euch:

Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn.

ADAM.

War das der Leberecht?

RUPRECHT.

Wer sonst, Herr Richter?

Das Mädchen steht, die werf ich übern Haufen,

Zum Fenster eil ich hin, und find den Kerl

Noch in den Pfählen hangen, am Spalier,

Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach.

Und da die Klinke in der Hand mir blieb,

Als ich die Tür eindonnerte, so reiß ich

Jetzt mit dem Stahl eins pfundschwer übern Detz ihm:

Den just, Herr Richter, konnt ich noch erreichen.

ADAM.

War's eine Klinke?

RUPRECHT.

Was?

ADAM.

Ob's –

RUPRECHT.

Ja, die Türklinke.

ADAM.

Darum.

LICHT.

Ihr glaubtet wohl, es war ein Degen?

ADAM.

Ein Degen? Ich – wieso?[270]

RUPRECHT.

Ein Degen!

LICHT.

Je nun!

Man kann sich wohl verhören. Eine Klinke

Hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Degen.

ADAM.

Ich glaub –!

LICHT.

Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr Richter?

ADAM.

Der Stiel!

RUPRECHT.

Der Stiel! Der war's nun aber nicht.

Der Klinke umgekehrtes Ende war's.

ADAM.

Das umgekehrte Ende war's der Klinke!

LICHT.

So! So!

RUPRECHT.

Doch auf dem Griffe lag ein Klumpen

Blei, wie ein Degengriff, das muß ich sagen.

ADAM.

Ja, wie ein Griff.

LICHT.

Gut. Wie ein Degengriff.

Doch irgendeine tück'sche Waffe mußt es

Gewesen sein. Das wußt ich wohl.

WALTER.

Zur Sache stets, ihr Herrn, doch! Zur Sache!

ADAM.

Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! – Er, weiter!

RUPRECHT.

Jetzt stürzt der Kerl, und ich schon will mich wenden,

Als ich's im Dunkeln auf sich rappeln sehe.

Ich denke, lebst du noch? und steig aufs Fenster

Und will dem Kerl das Gehen unten legen:

Als jetzt, ihr Herrn, da ich zum Sprung just aushol,

Mir eine Handvoll grobgekörnten Sandes –

– Und Kerl und Nacht und Welt und Fensterbrett,

Worauf ich steh, denk ich nicht, straf mich Gott,

Das alles fällt in einen Sack zusammen –

Wie Hagel, stiebend, in die Augen fliegt.

ADAM.

Verflucht! Sieh da! Wer tat das?

RUPRECHT.

Wer? Der Lebrecht.

ADAM.

Halunke!

RUPRECHT.

Meiner Treu! Wenn er's gewesen.

ADAM.

Wer sonst![271]

RUPRECHT.

Als stürzte mich ein Schloßenregen

Von eines Bergs zehn Klaftern hohen Abhang,

So schlag ich jetzt vom Fenster Euch ins Zimmer:

Ich denk, ich schmettere den Boden ein.

Nun brech ich mir den Hals doch nicht, auch nicht

Das Kreuz mir, Hüften, oder sonst, inzwischen

Konnt ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden,

Und sitze auf, und wische mir die Augen.

Die kommt, und ach, Herr Gott! ruft sie, und Ruprecht!

Was ist dir auch? Mein Seel, ich hob den Fuß,

Gut war's, daß ich nicht sah, wohin ich stieß.

ADAM.

Kam das vom Sande noch?

RUPRECHT.

Vom Sandwurf, ja.

ADAM.

Verdammt! Der traf!

RUPRECHT.

Da ich jetzt aufersteh

Was sollt ich auch die Fäuste hier mir schänden?

So schimpf ich sie, und sage liederliche Metze,

Und denke, das ist gut genug für sie.

Doch Tränen, seht, ersticken mir die Sprache.

Denn da Frau Marthe jetzt ins Zimmer tritt,

Die Lampe hebt, und ich das Mädchen dort

Jetzt schlotternd, zum Erbarmen vor mir sehe,

Sie, die so herzhaft sonst wohl um sich sah,

So sag ich zu mir, blind ist auch nicht übel.

Ich hätte meine Augen hingegeben,

Knippkügelchen, wer will, damit zu spielen.

EVE.

Er ist nicht wert, der Böswicht –

ADAM.

Sie soll schweigen.

RUPRECHT.

Das Weitre wißt ihr.

ADAM.

Wie, das Weitere?

RUPRECHT.

Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte,

Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar,

Und Muhme Sus' und Muhme Liese kamen,

Und Knecht und Mägd und Hund und Katzen kamen,

's war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte

Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerschlagen,[272]

Und die, die sprach, ihr wißt's, daß ich's gewesen.

Mein Seel, sie hat so unrecht nicht, ihr Herren.

Den Krug, den sie zu Wasser trug, zerschlug ich,

Und der Flickschuster hat im Kopf ein Loch. –

ADAM.

Frau Marthe! Was entgegnet Ihr der Rede?

Sagt an!

FRAU MARTHE.

Was ich der Red entgegene?

Daß sie, Herr Richter, wie der Marder einbricht,

Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwürgt.

Was Recht liebt, sollte zu den Keulen greifen,

Um dieses Ungetüm der Nacht zu tilgen.

ADAM.

Da wird Sie den Beweis uns führen müssen.

FRAU MARTHE.

O ja, sehr gern. Hier ist mein Zeuge. – Rede!

ADAM.

Die Tochter? Nein, Frau Marthe.

WALTER.

Nein? Warum nicht?

ADAM.

Als Zeugin, gnäd'ger Herr? Steht im Gesetzbuch

Nicht titulo, ist's quarto? oder quinto?

Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich?

Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden,

So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?

WALTER.

In Eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrtum

Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen;

Mit jedem Schnitte gebt Ihr mir von beidem.

Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklariert jetzt;

Ob, und für wen, sie zeugen will und kann,

Wird erst aus der Erklärung sich ergeben.

ADAM.

Ja, deklarieren. Gut. Titulo sexto.

Doch was sie sagt, das glaubt man nicht.

WALTER.

Tritt vor, mein junges Kind.

ADAM.

He! Lies' –! – Erlaubt!

Die Zunge wird sehr trocken mir – Margrete![273]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 254-274.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug: Ein Lustspiel. Textausgabe mit Materialien
Der zerbrochene Krug. Ein Lustspiel.
Klassische Schullektüre, Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon