|
[37] Die Oberpriesterin der Diana mit ihren Priesterinnen treten auf. Ihnen folgen eine Schar junger Mädchen mit Rosen in Körben auf den Köpfen, und die Gefangenen, geführt von einigen bewaffneten Amazonen.
DIE OBERPRIESTERIN.
Nun, ihr geliebten, kleinen Rosenjungfraun,
Laßt jetzt die Frucht mich eurer Wandrung sehn.
Hier, wo die Felsenquelle einsam schäumt,
Beschattet von der Pinie, sind wir sicher:
Hier schüttet eure Ernte vor mir aus.
EIN JUNGES MÄDCHEN ihren Korb ausschüttend.
Sieh, diese Rosen pflückt ich, heil'ge Mutter!
EIN ANDERES ebenso.
Hier diesen Schoß voll ich!
EIN DRITTES.
Und diesen ich!
EIN VIERTES.
Und diesen ganzen üpp'gen Frühling ich!
Die andern jungen Mädchen folgen.
DIE OBERPRIESTERIN.
Das blüht ja wie der Gipfel von Hymetta!
Nun solch ein Tag des Segens, o Diana!
Ging deinem Volke herrlich noch nicht auf.
Die Mütter bringen mir, die Töchter, Gaben;
Nicht, von der Pracht, der doppelten, geblendet,
Weiß ich, wem schönrer Dank gebühren mag. –
Doch ist dies euer ganzer Vorrat, Kinder?
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Mehr nicht, als du hier siehst, war aufzufinden.
DIE OBERPRIESTERIN.
So waren eure Mütter fleißiger.
DAS ZWEITE MÄDCHEN.
Auf diesen Feldern, heil'ge Priestrin, ernten
Gefangne leichter auch, als Rosen, sich.
Wenn dichtgedrängt, auf allen Hügeln rings,
Die Saat der jungen Griechen steht, die Sichel[37]
Nur einer muntern Schnitterin erwartend,
So blüht so sparsam in den Tälern rings,
Und so verschanzt, versichr ich dich, die Rose,
Daß man durch Pfeile sich und Lanzen lieber,
Als ihr Geflecht der Dornen schlagen möchte.
– Sieh nur die Finger an, ich bitte dich.
DAS DRITTE MÄDCHEN.
Auf eines Felsens Vorsprung wagt ich mich,
Um eine einz'ge Rose dir zu pflücken.
Und blaß nur, durch des Kelches Dunkelgrün,
Erschimmerte sie noch, ein Knösplein nur,
Für volle Liebe noch nicht aufgeblüht.
Doch greif ich sie, und strauchl und sinke plötzlich
In einen Abgrund hin, der Nacht des Todes
Glaubt ich, Verlorne, in den Schoß zu sinken.
Mein Glück doch war's, denn eine Rosenpracht
Stand hier im Flor, daß wir zehn Siege noch
Der Amazonen hätten feiern können.
DAS VIERTE MÄDCHEN.
Ich pflückte dir, du heil'ge Priesterin,
Dir pflückt ich eine Rose nur, nur eine;
Doch eine Rose ist's, hier diese, sieh!
Um eines Königs Scheitel zu bekränzen:
Nicht schöner wünscht Penthesilea sie,
Wenn sie Achill, den Göttersohn, sich fällt.
DIE OBERPRIESTERIN.
Wohlan, wenn ihn Penthesilea fällt,
Sollst du die königliche Ros ihr reichen.
Verwahre sie nur sorgsam, bis sie kömmt.
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Zukünftig, wenn, beim Zimbelnschlag, von neuem
Das Amazonenheer ins Schlachtfeld rückt,
Ziehn wir zwar mit, doch nicht mehr, das versprichst du,
Durch Rosenpflücken bloß und Kränzewinden,
Den Sieg der Mütter zu verherrlichen.
Sich, dieser Arm, er schwingt den Wurfspieß schon,
Und sausend trifft die Schleuder mir das Ziel:
Was gilt's? Mir selbst schon blüht ein Kranz zusammen,[38]
– Und tapfer im Gedräng schon mag er kämpfen,
Der Jüngling, dem sich diese Sehne strafft.
DIE OBERPRIESTERIN.
Meinst du? – Nun freilich wohl, du mußt es wissen,
– Hast du die Rosen schon drauf angesehn?
– Den nächsten Lenz, sobald sie wieder reif,
Sollst du den Jüngling, im Gedräng dir suchen.
Doch jetzt, der Mütter frohe Herzen drängen:
Die Rosen schnell zu Kränzen eingewunden!
DIE MÄDCHEN durcheinander.
Fort zum Geschäft! Wie greifen wir es an?
DAS ERSTE MÄDCHEN zum zweiten.
Komm her, Glaukothoe!
DAS DRITTE zum vierten.
Komm, Charmion!
Sie setzen sich paarweise.
DAS ERSTE MÄDCHEN.
Wir – der Ornythia winden wir den Kranz,
Die sich Alcest, mit hohen Büschen, fällte.
DAS DRITTE.
Und wir – Parthenion, Schwester: Athenäus,
Mit der Medus' im Schilde, soll sie fesseln.
DIE OBERPRIESTERIN zu den bewaffneten Amazonen.
Nun? Wollt ihr eure Gäste nicht erheitern?
– Steht ihr nicht unbehülflich da, ihr Jungfraun,
Als müßt ich das Geschäft der Lieb euch lehren! –
Wollt ihr das Wort nicht freundlich ihnen wagen?
Nicht hören, was die Schlachtermüdeten,
Was sie begehren? Wünschen? Was sie brauchen?
DIE ERSTE AMAZONE.
Sie sagen, sie bedürfen nichts, Ehrwürd'ge.
DIE ZWEITE.
Bös sind sie uns.
DIE DRITTE.
Wenn man sich ihnen nahet,
So wenden sich die Trotzigen schmähnd hinweg.
DIE OBERPRIESTERIN.
Ei, wenn sie bös euch sind, bei unsrer Göttin,
So macht sie wieder gut! Warum auch habt ihr[39]
So heftig sie im Kampfgewühl getroffen?
Sagt ihnen, was geschehn wird, sie zu trösten:
So werden sie nicht unerbittlich sein.
DIE ERSTE AMAZONE zu einem gefangenen Griechen.
Willst du auf weichen Teppichen, o Jüngling,
Die Glieder ruhn? Soll ich von Frühlingsblumen,
Denn müde scheinst du sehr, ein Lager dir,
Im Schatten jenes Lorbeerbaums, bereiten?
DIE ZWEITE ebenso.
Soll ich das duftendste der Perseröle
In Wasser mischen, frisch dem Quell entschöpft,
Und dir den staubbedeckten Fuß erquicken?
DIE DRITTE.
Doch der Orange Saft verschmähst du nicht
Mit eigner Hand dir liebend dargebracht?
DIE DREI AMAZONEN.
Sprecht! Redet! Womit dient man euch?
EIN GRIECHE.
Mit nichts!
DIE ERSTE AMAZONE.
Ihr sonderbaren Fremdlinge! Was härmt euch?
Was ist's, da uns der Pfeil im Köcher ruht,
Daß ihr vor unserm Anblick euch entsetzt?
Ist es die Löwenhaut, die euch erschreckt? –
Du, mit dem Gürtel, sprich! Was fürchtest du?
DER GRIECHE nachdem er sie scharf angesehn.
Wem winden jene Kränze sich? Sagt an!
DIE ERSTE AMAZONE.
Wem? Euch! Wem sonst?
DER GRIECHE.
Uns! und das sagt ihr noch,
Unmenschliche! Wollt ihr, geschmückt mit Blumen,
Gleich Opfertieren, uns zur Schlachtbank führen?
DIE ERSTE AMAZONE.
Zum Tempel euch der Artemis! Was denkt ihr?
In ihren dunkeln Eichenhain, wo eurer
Entzücken ohne Maß und Ordnung wartet!
DER GRIECHE erstaunt, mit unterdrückter Stimme, zu den andern Gefangenen.
War je ein Traum so bunt, als was hier wahr ist?[40]
Ausgewählte Ausgaben von
Penthesilea
|
Buchempfehlung
Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.
158 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro