Dritter Auftritt

[279] Thusnelda tritt aus dem Zelt. – Die Vorigen.


HERMANN heiter.

Ei, Thuschen! Sieh! Mein Stern! Was bringst du mir?


Er sieht wieder, mit vorgeschützter Hand, in die Ferne hinaus.


THUSNELDA.

Ei nun! Die Römer, sagt man, ziehen ein;

Die muß Arminius' Frau doch auch begrüßen.

HERMANN.

Gewiß, gewiß! So will's die Artigkeit.

Doch weit sind sie im Felde noch;

Komm her und laß den Zug heran uns plaudern!


Er winkt ihr, sich unter der Eiche niederzulassen.


THUSNELDA den Sitz betrachtend.

Der Sybarit! Sieh da! Mit seinen Polstern!

Schämst du dich nicht? – Wer traf die Anstalt hier?


Sie setzt sich nieder.


HERMANN.

Ja, Kind! Die Zeiten, weißt du, sind entartet. –

Holla, schafft Wein mir her, ihr Knaben,

Damit der Perserschach vollkommen sei!


Er läßt sich an Thusneldens Seite nieder und umarmt sie.


Nun, Herzchen, sprich, wie geht's dir, mein Planet?

Was macht Ventidius, dein Mond? Du sahst ihn?


Es kommen Knaben und bedienen ihn mit Wein.


THUSNELDA.

Ventidius? Der grüßt dich.

HERMANN.

So! Du sahst ihn?

THUSNELDA.

Aus meinem Zimmer eben ging er fort!

– Sieh mich mal an![279]

HERMANN.

Nun?

THUSNELDA.

Siehst du nichts?

HERMANN.

Nein, Thuschen.

THUSNELDA.

Nichts? Gar nichts! Nicht das mindeste?

HERMANN.

Nein, in der Tat! Was soll ich sehn?

THUSNELDA.

Nun wahrlich,

Wenn Varus auch so blind, wie du,

Der Feldherr Roms, den wir erwarten,

So war die ganze Mühe doch verschwendet.

HERMANN indem er dem Knaben, der ihn bedient, den Becher zurückgibt.

Ja, so! Du hast, auf meinen Wunsch, den Anzug

Heut mehr gewählt, als sonst –

THUSNELDA.

So! Mehr gewählt!

Geschmückt bin ich, beim hohen Himmel,

Daß ich die Straßen Roms durchschreiten könnte!

HERMANN.

Potz! Bei der großen Hertha! Schau! – Hör, du!

Wenn ihr den Adler seht, so ruft ihr mich.


Der Knabe, der ihn bedient, nickt mit dem Kopf.


THUSNELDA.

Was?

HERMANN.

Und Ventidius war bei dir?

THUSNELDA.

Ja, allerdings. Und zeigte mir am Putztisch,

Wie man, in Rom, das Haar sich ordnet,

Den Gürtel legt, das Kleid in Falten wirft.

HERMANN.

Schau, wie er göttlich dir den Kopf besorgt!

Der Kopf, beim Styx, von einer Juno!

Bis auf das Diadem sogar,

Das dir vom Scheitel blitzend niederstrahlt!

THUSNELDA.

Das ist das schöne Prachtgeschenk,

Das du aus Rom mir jüngsthin mitgebracht.

HERMANN.

So? Der geschnittne Stein, gefaßt in Perlen?

Ein Pferd war, dünkt mich, drauf?

THUSNELDA.

Ein wildes, ja,

Das seinen Reiter abwirft. –


Er betrachtet das Diadem.
[280]

HERMANN.

Aber, Thuschen! Thuschen.

Wie wirst du aussehn, liebste Frau,

Wenn du mit einem kahlen Kopf wirst gehn?

THUSNELDA.

Wer? Ich?

HERMANN.

Du, ja! – Wenn Marbod erst geschlagen ist,

So läuft kein Mond ins Land, beim Himmel!

Sie scheren dich so kahl wie eine Ratze.

THUSNELDA.

Ich glaub, du träumst, du schwärmst! Wer wird den Kopf mir –?

HERMANN.

Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer,

Mit denen ich alsdann verbunden bin.

THUSNELDA.

Die Römer! Was!

HERMANN.

Ja, was zum Henker, denkst du?

– Die röm'schen Damen müssen doch,

Wenn sie sich schmücken, hübsche Haare haben?

THUSNELDA.

Nun haben denn die röm'schen Damen keine?

HERMANN.

Nein, sag ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen!

Nicht hübsche, trockne, goldne, so wie du!

THUSNELDA.

Wohlan! So mögen sie! Der trift'ge Grund!

Wenn sie mit hübschen nicht begabt,

So mögen sie mit schmutz'gen sich behelfen.

HERMANN.

So! In der Tat! Da sollen die Kohorten

Umsonst wohl übern Rhein gekommen sein?

THUSNELDA.

Wer? Die Kohorten?

HERMANN.

Ja, die Varus führt.

THUSNELDA lacht.

Das muß ich sagen! Der wird doch

Um meiner Haare nicht gekommen sein?

HERMANN.

Was? Allerdings! Bei unsrer großen Hertha!

Hat dir Ventidius das noch nicht gesagt?

THUSNELDA.

Ach, geh! Du bist ein Affe.

HERMANN.

Nun, ich schwör's dir. –

Wer war es schon, der jüngst beim Mahl erzählte,

Was einer Frau in Ubien begegnet?

THUSNELDA.

Wem? Einer Ubierin?[281]

HERMANN.

Das weißt du nicht mehr?

THUSNELDA.

Nein, Lieber! – Daß drei Römer sie, meinst du,

In Staub gelegt urplötzlich und gebunden –?

HERMANN.

Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg,

Das Haar, das goldene, die Zähne auch,

Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug,

Auf offner Straße, aus dem Mund genommen?

THUSNELDA.

Ach, geh! Laß mich zufrieden.

HERMANN.

Das glaubst du nicht?

THUSNELDA.

Ach, was! Ventidius hat mir gesagt,

Das wär ein Märchen.

HERMANN.

Ein Märchen! So!

Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig,

Sein Schäfchen, für die Schurzeit, sich zu kirren.

THUSNELDA.

Nun, der wird doch den Kopf mir selber nicht –?

HERMANN.

Ventidius? Hm! Ich steh für nichts, mein Kind.

THUSNELDA lacht.

Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich gestehn –!

HERMANN.

Du lachst. Es sei. Die Folge wird es lehren.


Pause.


THUSNELDA ernsthaft.

Was denn, in aller Welt, was machen sie

In Rom, mit diesen Haaren, diesen Zähnen?

HERMANN.

Was du für Fragen tust, so wahr ich lebe!

THUSNELDA.

Nun ja! Wie nutzen sie, bei allen Nornen!

Auf welche Art gebrauchen sie die Dinge?

Sie können doch die fremden Locken nicht

An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne

Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen?

HERMANN.

Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen!

THUSNELDA.

Nun also! Wie verfahren sie? So sprich!

HERMANN mit Laune.

Die schmutz'gen Haare schneiden sie sich ab,

Und hängen unsre trocknen um die Platte![282]

Die Zähne reißen sie, die schwarzen, aus,

Und stecken unsre weißen in die Lücken!

THUSNELDA.

Was!

HERMANN.

In der Tat! Ein Schelm, wenn ich dir lüge. –

THUSNELDA glühend.

Bei allen Rachegöttern! Allen Furien!

Bei allem, was die Hölle finster macht!

Mit welchem Recht, wenn dem so ist,

Vom Kopf uns aber nehmen sie sie weg?

HERMANN.

Ich weiß nicht, Thuschen, wie du heut dich stellst.

Steht August nicht, mit den Kohorten,

In allen Ländern siegreich aufgepflanzt?

Für wen erschaffen ward die Welt, als Rom?

Nimmt August nicht dem Elefanten

Das Elfenbein, das Öl der Bisamkatze,

Dem Panthertier das Fell, dem Wurm die Seide?

Was soll der Deutsche hier zum voraus haben?

THUSNELDA sieht ihn an.

Was wir zum voraus sollen –?

HERMANN.

Allerdings.

THUSNELDA.

Daß du verderben müßtest, mit Vernünfteln!

Das sind ja Tiere, Querkopf, der du bist,

Und keine Menschen!

HERMANN.

Menschen! Ja, mein Thuschen,

Was ist der Deutsche in der Römer Augen?

THUSNELDA.

Nun, doch kein Tier, hoff ich –?

HERMANN.

Was? – Eine Bestie,

Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft!

Ein Tier, das, wo der Jäger es erschaut,

Just einen Pfeilschuß wert, mehr nicht,

Und ausgeweidet und gepelzt dann wird!

THUSNELDA.

Ei, die verwünschte Menschenjägerei!

Ei, der Dämonenstolz! Der Hohn der Hölle!

HERMANN lacht.

Nun wird ihr bang, um ihre Zähn und Haare.

THUSNELDA.

Ei, daß wir, wie die grimm'gen Eber, doch

Uns über diese Schützen werfen könnten![283]

HERMANN ebenso.

Wie sie nur aussehn wird! Wie 'n Totenkopf!

THUSNELDA.

Und diese Römer nimmst du bei dir auf?

HERMANN.

Ja, Thuschen! Liebste Frau, was soll ich machen?

Soll ich, um deiner gelben Haare,

Mit Land und Leut in Kriegsgefahr mich stürzen?

THUSNELDA.

Um meiner Haare! Was? Gilt es sonst nichts?

Meinst du, wenn Varus so gestimmt, er werde

Das Fell dir um die nackten Schultern lassen?

HERMANN.

Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht ich nicht.

Es sei! Ich will die Sach mir überlegen.

THUSNELDA.

Dir überlegen! – Er rücket ja schon ein!

HERMANN.

Je nun, mein Kind. Man schlägt ihn wieder 'naus.


Sie sieht ihn an.


THUSNELDA.

Ach, geh! Ein Geck bist du, ich seh's, und äffst mich!

Nicht, nicht? Gesteh's mir nur: du scherztest bloß?

HERMANN küßt sie.

Ja. – Mit der Wahrheit, wie ein Abderit.

– Warum soll sich, von seiner Not,

Der Mensch, auf muntre Art, nicht unterhalten? –

Die Sach ist zehnmal schlimmer, als ich's machte,

Und doch auch, wieder so betrachtet,

Bei weitem nicht so schlimm. – Beruh'ge dich.


Pause.


THUSNELDA.

Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht!

Die Hand, die in den Mund mir käme,

Wie jener Frau, um meiner Zähne:

Ich weiß nicht, Hermann, was ich mit ihr machte.

HERMANN lacht.

Ja, liebste Frau, da hast du recht! Beiß zu!

Danach wird weder Hund noch Katze krähen. –

THUSNELDA.

Doch sieh! Wer fleucht so eilig dort heran?[284]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 279-285.
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