[285] Varus tritt auf. Ihm folgen Ventidius, der Legat; Crassus und Septimius, zwei römische Hauptleute; und die deutschen Fürsten Fust, Gueltar und Aristan. – Die Vorigen.
HERMANN indem er ihm entgegengeht.
Vergib, Quintilius Varus, mir,
Daß deine Hoheit mich hier suchen muß!
Mein Wille war, dich ehrfurchtsvoll
In meines Lagers Tore einzuführen,
Oktav August in dir, den großen Kaiser Roms,
Und meinen hochverehrten Freund, zu grüßen.
VARUS.
Mein Fürst, du bist sehr gütig, in der Tat.
Ich hab von außerordentlichen
Unordnungen gehört, die die Kohorten sich
In Helakon und Herthakon erlaubt;
Von einer Wodanseiche unvorsichtiger
Verletzung – Feuer, Raub und Mord,
Die dieser Tat unsel'ge Folgen waren,
Von einer Aufführung, mit einem Wort,
Nicht eben, leider! sehr geschickt,
Den Römer in Cheruska zu empfehlen.
Sei überzeugt, ich selbst befand mich in Person[285]
Bei keinem der drei Heereshaufen,
Die von der Lippe her ins Land dir rücken.
Die Eiche, sagt man zwar, ward nicht aus Hohn verletzt,
Der Unverstand nur achtlos warf sie um;
Gleichwohl ist ein Gericht bereits bestellt,
Die Täter aufzufahn, und morgen wirst du sie,
Zur Sühne deinem Volk, enthaupten sehn.
HERMANN.
Quintilius! Dein erhabnes Wort beschämt mich!
Ich muß dich für die allzuraschen
Cherusker dringend um Verzeihung bitten,
Die eine Tat sogleich, aus Unbedacht geschehn,
Mit Rebellion fanatisch strafen wollten.
Mißgriffe, wie die vorgefallnen, sind
Auf einem Heereszuge unvermeidlich.
Laß diesen Irrtum, ich beschwöre dich,
Das Fest nicht stören, das mein Volk,
Zur Feier deines Einzugs, vorbereitet.
Gönn mir ein Wort zugunsten der Bedrängten,
Die deine Rache treffen soll:
Und weil sie bloß aus Unverstand gefehlt,
So schenk das Leben ihnen, laß sie frei!
VARUS reicht ihm die Hand.
Nun, Freund Armin; beim Jupiter, es gilt!
Nimm diese Hand, die ich dir reiche,
Auf immer hast du dir mein Herz gewonnen! –
Die Frevler, bis auf einen, sprech ich frei!
Man wird den Namen ihres Retters ihnen nennen,
Und hier im Staube sollen sie,
Das Leben dir, das mir verwirkt war, danken. –
Den einen nur behalt ich mir bevor,
Der, dem ausdrücklichen Ermahnungswort zuwider,
Den ersten Schlag der Eiche zugefügt;
Der Herold hat es mehr denn zehnmal ausgerufen,
Daß diese Eichen heilig sind,
Und das Gesetz verurteilt ihn des Kriegs,
Das kein Gesuch entwaffnen kann, nicht ich.[286]
HERMANN.
– Wann du auf immer jeden Anlaß willst,
Der eine Zwistigkeit entflammen könnte,
Aus des Cheruskers treuer Brust entfernen,
So bitt ich, würd'ge diese Eichen,
Quintilius, würd'ge ein'ger Sorgfalt sie.
Von ihnen her rinnt einzig fast die Quelle
Des Übels, das uns zu entzweien droht.
Laß irgend, was es sei, ein Zeichenbild zur Warnung,
Wenn du dein Lager wählst, bei diesen Stämmen pflanzen:
So hast du, glaub es mir, für immer
Den wackern Eingebornen dir verbunden.
VARUS.
Wohlan! – Woran erkennt man diese Eichen?
HERMANN.
An ihrem Alter und dem Schmuck der Waffen,
In ihres Wipfels Wölbung aufgehängt.
VARUS.
Septimius Nerva!
SEPTIMIUS tritt vor.
Was gebeut mein Feldherr?
VARUS.
Laß eine Schar von Römern gleich
Sich in den Wald zerstreun, der diese Niederlassung,
Cheruskas Hauptplatz Teutoburg umgibt.
Bei jeder Eiche grauen Alters,
In deren Wipfel Waffen aufgehängt,
Soll eine Wache von zwei Kriegern halten,
Und jeden, der vorübergeht, belehren,
Daß Wodan in der Nähe sei.
Denn Wodan ist, daß ihr's nur wißt, ihr Römer,
Der Zeus der Deutschen, Herr des Blitzes
Diesseits der Alpen, so wie jenseits der;
Er ist der Gott, dem sich mein Knie sogleich,
Beim ersten Eintritt in dies Land, gebeugt;
Und kurz, Quintilius, euer Feldherr, will
Mit Ehrfurcht und mit Scheu, im Tempel dieser Wälder,
Wie den Olympier selbst, geehrt ihn wissen.
SEPTIMIUS.
Man wird dein Wort, O Herr, genau vollziehn.
VARUS zu Hermann.
Bist du zufrieden, Freund?
HERMANN.
Du überfleuchst,
Quintilius, die Wünsche deines Knechts.[287]
VARUS nimmt ein Kissen, auf welchem Geschenke liegen, aus der Hand eines Sklaven, und bringt sie der Thusnelda.
Hier, meine Fürstin, überreich ich dir,
Von August, meinem hohen Herrn,
Was er für dich mir jüngsthin zugesandt,
Es sind Gesteine, Perlen, Federn, Öle –
Ein kleines Rüstzeug, schreibt er, Kupidos.
August, erlauchte Frau, bewaffnet deine Schönheit,
Damit du Hermanns großes Herz,
Stets in der Freundschaft Banden ihm erhaltest.
THUSNELDA empfängt das Kissen und betrachtet die Geschenke.
Quintilius! Dein Kaiser macht mich stolz.
Thusnelda nimmt die Waffen an,
Mit dem Versprechen, Tag und Nacht,
Damit geschirrt, für ihn zu Feld zu ziehn.
Sie übergibt das Kissen ihren Frauen.
VARUS zu Hermann.
Hier stell ich Gueltar, Fust dir und Aristan,
Die tapfern Fürsten Deutschlands vor,
Die meinem Heereszug sich angeschlossen.
Er tritt zurück und spricht mit Ventidius.
HERMANN indem er sich dem Fürsten der Cimbern nähert.
Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fust,
Aus Gallien, von der Schlacht des Ariovist.
FUST.
Mein Prinz, ich kämpfte dort an deiner Seite.
HERMANN lebhaft.
Ein schöner Tag, beim hohen Himmel,
An den dein Helmbusch lebhaft mich erinnert!
– Der Tag, an dem Germanien zwar
Dem Cäsar sank, doch der zuerst
Den Cäsar die Germanier schätzen lehrte.
FUST niedergeschlagen.
Mir kam er teuer, wie du weißt, zu stehn.
Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder,
Den ich nur Augusts Gnade jetzt verdanke. –
HERMANN indem er sich zu dem Fürsten der Nervier wendet.
Dich, Gueltar, auch sah ich an diesem Tag?[288]
GUELTAR.
Auf einen Augenblick. Ich kam sehr spät.
Mich kostet' er, wie dir bekannt sein wird,
Den Thron von Nervien; doch August hat
Mich durch den Thron von Äduen entschädigt.
HERMANN indem er sich zu dem Fürsten der Ubier wendet.
Wo war Aristan an dem Tag der Schlacht?
ARISTAN kalt und scharf.
Aristan war in Ubien,
Diesseits des Rheines, wo er hingehörte.
Aristan hat das Schwert niemals
Den Cäsarn Roms gezückt, und er darf kühnlich sagen:
Er war ihr Freund, sobald sie sich
Nur an der Schwelle von Germania zeigten.
HERMANN mit einer Verbeugung.
Arminius bewundert seine Weisheit.
– Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter sprechen.
Ein Marsch in der Ferne.
Ausgewählte Ausgaben von
Die Hermannsschlacht
|
Buchempfehlung
Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro