Zehnter Auftritt

[314] Eginhardt und Astolf treten auf. Die Vorigen.


EGINHARDT.

Mein Fürst, die Hörner rufen dich! Brich auf!

Du darfst, willst du das Schlachtfeld noch erreichen,

Nicht, wahrlich! einen Augenblick mehr säumen.

HERMANN steht auf.

Gertrud!

EGINHARDT.

Was fehlt der Königin?

HERMANN.

Nichts, nichts!


Die Frauen der Thusnelda treten auf.


Hier! Sorgt für eure Frau! Ihr seht, sie weint.


Er nimmt Schild und Spieß.


Astolf ist von dem Kriegsplan unterrichtet?[314]

EGINHARDT.

Er weiß von allem.

HERMANN zu Astolf.

Sechshundert Krieger bleiben dir

In Teutoburg zurück, und ein Gezelt mit Waffen,

Cheruskas ganzes Volk damit zu rüsten.

Teuthold bewaffnest, und die Seinen, du,

Um Mitternacht, wenn alles schläft, zuerst.

Sobald der Morgen dämmert brichst du los.

Crassus und alle Führer der Kohorten,

Suchst du in ihren Zelten auf;

Den Rest des Haufens fällst du, gleichviel, wo?

Auch den Ventidius empfehl ich dir.

Wenn hier in Teutoburg der Schlag gefallen,

Folgst du, mit deinem ganzen Troß,

Mir nach dem Teutoburger Walde nach;

Dort wirst du weiteren Befehl erhalten. –

Hast du verstanden?

ASTOLF.

Wohl, mein erlauchter Herr.

EGINHARDT besorgt.

Mein bester Fürst! Willst du nicht lieber ihn

Nach Norden, an den Lippstrom, schicken,

Cheruska vor dem Pästus zu beschirmen,

Der dort, du weißt, mit Holm, dem Herrn der Friesen, kämpft.

Cheruska ist ganz offen dort,

Und Pästus, wenn er hört, daß Rom von dir verraten,

Beim Styx! er sendet, zweifle nicht,

Gleich einen Haufen ab, in deinem Rücken,

Von Grund aus, alle Plätze zu verwüsten.

HERMANN.

Nichts, nichts, mein alter Freund! Was fällt dir ein?

Kämpf ich auch für den Sand, auf den ich trete,

Kämpf ich für meine Brust?

Cheruska schirmen! Was! Wo Hermann steht, da siegt er,

Und mithin ist Cheruska da.

Du folgst mir, Astolf, ins Gefild der Schlacht;

Wenn Varus, an der Weser, sank,

Werd ich, am Lippstrom, auch den Pästus treffen!

ASTOLF.

Es ist genug, o Herr! Es wird geschehn.[315]

HERMANN wendet sich zu Thusnelda.

Leb wohl, Thusnelda, mein geliebtes Weib!

Astolf hat deine Rache übernommen.

THUSNELDA steht auf.

An dem Ventidius?


Sie drückt einen heißen Kuß auf seine Lippen.


Überlaß ihn mir!

Ich habe mich gefaßt, ich will mich rächen!

HERMANN.

Dir?

THUSNELDA.

Mir! Du sollst mit mir zufrieden sein.

HERMANN.

Nun denn, so ist der erste Sieg erfochten!

Auf jetzt, daß ich den Varus treffe:

Roms ganze Kriegsmacht, wahrlich, scheu ich nicht!


Alle ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 314-316.
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