Zweite Scene.

[47] Ein im besten Geschmacke jener Zeit ausgeschmücktes Zimmet. An der Wand hängt ein großes weibliches Konterfei.

Diether Faust an seinem Stabe hereintappend. Käthe von der andern Seite.


DIETHER.

Wo bist du Tochter Käthe?

KÄTHE in besserer Kleidung, eine goldene Kette um den Hals.

Hier, mein Vater!

DIETHER.

Du ließest mich allein!

KÄTHE.

Ihr schlummertet![47]

DIETHER.

Ich hörte Lärmen und Geräusch im Hause,

Man rannte hin und wieder –

KÄTHE im Zimmer umherblickend.

Ha was seh' ich?

Schon alles hier in Ordnung – und wie glänzend!

DIETHER.

Was gibt es?

KÄTHE.

O wie soll ich's euch erzählen! –

Ich betete zu unsrer lieben Frauen

Für meinen Faust das angelobte Ave;

Da wurd' ich plötzlich wie mir selbst entnommen

Und in der Phantasei hinaus geführt

In einen Wald voll finstrer Felsenklüfte;

Und wollte mir's allda seltsam bedäuchten,

Als hört' ich seine Stimme zu mir schallen;

Doch wieder war das ganze Bild zerronnen,

Und ich lag knieend an dem vor'gen Orte,

Und kalter Angstschweiß rann mir von der Stirne! –

Wie ich mich von dem Schrecken nun erholt,

Trat auf der Heimkehr jemand mir entgegen,

Der brachte einen Brief –[48]

DIETHER rasch.

Mit Gold!

KÄTHE scheu.

Ihr wißt es?

DIETHER wie vorher.

Es brennt, wirf es von hinnen!

KÄTHE.

Nicht doch, Vater!

DIETHER.

War es nicht Gold?

KÄTHE ängstlich.

Nur leichter Schmuck, mein Vater!

DIETHER der in dem Augenblicke ihre Halskette berührte.

Leicht sagst du? Nicht doch – schwer – fürwahr sehr schwer!

Ist das die Kette von dem Höllenbuche?


Käthe tritt erschrocken zurück.


Wo nicht – so ist es Gold. Und du belogst mich!

Der Bube hat dich wieder neu versucht. –

Verhungre lieber, Käthe! Wirf es von dir![49]

KÄTHE legt sich an seine Brust.

Ach, nur für ihn hab' ich es angenommen!

Er hat mich nie um meiner selbst geliebt,

Zu einfach ist mein Wort und meine Sitte;

Da dacht' ich, würde dies mir Reize leihen,

Der Glanz für seine Kathe ihn bestechen!

DIETHER.

Du armes Weib! – – Wirf diese Kette von dir!

KÄTHE sie legt sie ab.

Du willst's, mein Vater!

DIETHER.

Fühlst du dich jetzt leichter?

KÄTHE aufathmend.

Es wälzt sich tiefe Angst von meiner Brust!

DIETHER feierlicher.

Denkst du an Gott den Herrn?

KÄTHE.

Mit Heiterkeit!

DIETHER küßt sie auf die Stirn.

So ist es gut, mein Kind!

KÄTHE.

Doch in dem Briefe

Hat unsern Argwohn treu er widerlegt! –[50]

Verzweiflung trieb in jener Wetternacht

Ihn weit hinaus – so lauten seine Worte –

Doch eben als die Noth am höchsten drängte,

War Hülfe nahe, und ein reicher Herr

Nahm ihn zum Führer mit in's ferne Welschland. –

Das übrige schreibt er auf unsre Angst

Und Phantasei!

DIETHER.

Doch hörtest du nicht selbst –

KÄTHE.

Ich war betäubt – und Stimmen täuschen leichtlich!

DIETHER.

Und was sein Famulus –

KÄTHE.

Den kennt ihr ja; –

Die Furcht schuf Teufel ihm in's wilde Wetter!

DIETHER warnend.

O trau' ihm nicht!

KÄTHE innig.

Es ist dieselbe Hand,

Mit der er schrieb so treue gute Briefe!

Die liebe Hand kann mich ja nicht betrügen![51]

DIETHER.

O Käthe – – und was hier im Innern vorgeht!

Ich hör' es wohl, wenn gleich mein Auge schlummert.

KÄTHE.

Für neuen Hausrath hat er sich bemüht;

Und wie er meldet, werden hohe Herren,

Ob der Verbindung, öfter hier verkehren!

DIETHER schwer wiederholend.

Ob der Verbindung!

KÄTHE.

Nimm es nicht so finster!

DIETHER.

Nimm du's so leicht nicht! – Deine blauen Augen

Sind – Ihm! ein Zugang, der bei mir verschlossen!

KÄTHE umherschauend.

Wie schnell es sich im Hause hier verwandelt,

Und wie so reich und köstlich jedes glänzt;

Es muß ein hoher Herr seyn, der's bescherte! –


Sie erblickt das Gemälde.


Ein weiblich Konterfei – – ha, wunderschön –


Indem sich ihre Augen darauf heften.


So wunder – schrecklich – –! Welches süße Lächeln –[52]

Nein, tückisch – schneidend –! Himmel, diese Augen –

Sie flammen, stechen – – wie sie mich verfolgen!

Hu, wie sie schleichen – wie sie nach mir zielen!


Angstvoll aufrufend, indem sie sich an Diethers Brust wirft.


Ha, schütze mich! – Sie wollen mich ermorden!

DIETHER.

Was ist dir, Käthe?

KÄTHE schaudernd.

Schütze mich, mein Vater!

Vor diesen Mörderaugen! – Welch ein Bild!

DIETHER.

Sprich deutlicher!

KÄTHE.

Ach könntest du's nur sehen,

Wie schön und furchtbar! – Sagen kann ich's nicht!

Doch zielt mir's, wie mit Dolchen, nach dem Herzen!

Ich halt's nicht aus –!


Indem sie außer sich einen Schleier ergreift und ihn halb abgewendet und schaudernd über das Konterfei hängt.


So! – So bin ich gerettet!

DIETHER.

Wie deut' ich das?[53]

KÄTHE noch grausend.

Seh' ich die Augen wieder,

So tödten sie dein treues Kind, mein Vater!


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 47-54.
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