Dritter Auftritt

[984] Grimaldi. Vorige. Hernach Bediente.


GRIMALDI. Ist Guelfo noch nicht da? Wo ist Guelfo? Ha, Alter! wo ist dein Sohn?

ALTER GUELFO. Wo ist er? Wo ist er?

GRIMALDI. Verflucht sei mein Schlaf! verflucht sei ich! Guelfo! Guelfo! Alter, ich will dir's abzwingen, das Geheimnis! Wo[984] bist du mit dem Ritter hingekommen? Wo hast du ihn hingeschafft?

ALTER GUELFO. Wollen Sie die Weibsleute zu Tode ängstigen?

GRIMALDI. Vater! Du hast den Guelfo ausgestoßen! hast dein bestes Kind ausgestoßen! Wo ist er?

ALTER GUELFO. Sind Sie wahnwitzig?

GRIMALDI. Wär ich's! von Sinnen und Verstand völlig! Wo ist Ferdinando?

ALTER GUELFO. Ausgeritten – und er ausgeritten.

GRIMALDI fällt traurig auf einen Stuhl. O Grimaldi! dein Guelfo! dein Freund!

ALTER GUELFO. Weg von hier! Was? Wollen Sie uns hier alle den Toten ähnlich machen?

GRIMALDI. Guelfo! Guelfo! Du brichst mir 's Herz!


Ab.


ALTER GUELFO. Er ist rasend worden.

CAMILLA. Wenn ich nur fort könnte!

AMALIA. Horch! horch! ein Pferd!

CAMILLA. Ha, mein Ferdinando! Laßt mich ans Fenster, daß ich ihm ruf, ihm zuwink! Ans Fenster. Ein Pferd ohne Reuter jagt scheu herein. Ist das Ferdinandos Pferd? Vater, ist's deines Sohnes Pferd? – O geschwind! geschwind!

AMALIA. Ist's Ferdinandos Pferd? Willst du nicht reden?

ALTER GUELFO ohne Antwort.

AMALIA. Er sagt nichts – Ferdinando! Ferdinando!

CAMILLA. Hinaus! Ich will ihn aufsuchen – er ist gestürzt, er ist tot!

ALTER GUELFO. Bleibt ruhig, ich will hinausreiten. Klingelt.

BEDIENTE kommen.

ALTER GUELFO. Sattelt Pferde! sitzt auf!

BEDIENTE. Unsers Herrn Pferd läuft ledig.

ALTER GUELFO. Eilt euch! – Halt't euch aufrecht, Weiber! Wer weiß, was es ist!

CAMILLA. Das Pferd sieht scheu. O Blut! Blut! am Sattel! Guelfo, deines Sohns Blut!

AMALIA. Gott! Gott! –


Sie sinken beide am Fenster nieder.


ALTER GUELFO. Wollt ihr mich umbringen? Wollt ihr mir allen Entschluß nehmen? Wenn ihr's so forttreibt, kann ich nicht aus der Stelle. Der Schreck ist mir in alle Glieder gefallen. Weiber! Weiber! Will sie aufrichten. Gott, der Allmächtige, heb euch auf! ich bin zu schwach. Ab.

AMALIA. Geh! geh! Schick eilends Boten zurück! – Komm zu[985] dir, Tochter! es ist ihm nichts. Laß mich nicht! O bei deiner Liebe, bei deinem Ferdinando, verlaß mich nicht! Komm zu dir! Erbarm dich, zartes Mädchen! – So! schlage deine Augen auf! Wein nicht! – O ich danke dir! – Sieh mich an!

CAMILLA. Ist er noch nicht da?

AMALIA. Ein Pferd!

CAMILLA. Mein Ferdinando!

AMALIA. Ritter Guelfo sprengt wütend herein. Stürz nicht! Ha! halt dich! – Guelfo, wo ist Ferdinando?

CAMILLA. Ruft ihm der Vater zu?

AMALIA. Ja, ja. – Er lacht bitter. – »Was weiß ich's!« sagt er.

CAMILLA aus dem Fenster. Guelfo, wo ist er? – Nicht so unfreundlich, Guelfo! – Wo ist Ferdinando? Gib mir das Leben mit einer Antwort!

AMALIA. Noch nicht? – Mein Sohn! – Er ist weg.

CAMILLA. Er kömmt herauf. Laufen nach der Tür.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 984-986.
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