Der Lehrling der Griechen

Wen des Genius Blick, als er gebohren ward,

Mit einweihendem Lächeln sah,

Wen, als Knaben, ihr einst Smintheus Anakreons

Fabelhafte Gespielinnen,

Dichtrische Tauben umflogt, und sein mäonisch Ohr

Vor dem Lerme der Scholien

Sanft zugirrtet, und ihm, dass er das Alterthum

Ihrer faltigen Stirn nicht säh,

Eure Fittige lieht, und ihn umschattetet,

Den ruft, stolz auf den Lorberkranz,[3]

Welcher vom Fluche des Volks welkt, der Eroberer

In das eiserne Feld umsonst,

Wo kein mütterlich Ach bang bey dem Scheidekuss,

Und aus blutender Brust geseufzt,

Ihren sterbenden Sohn dir, unerbittlicher,

Hundertarmiger Tod, entreisst!

Wenn das Schicksal ihn ja Königen zugesellt,

Umgewöhnt zu dem Waffenklang,

Sieht er, von richtendem Ernst schauernd, die Leichname

Stumm und seelenlos ausgestreckt,

Segnet dem fliehenden Geist in die Gefilde nach,

Wo kein tödtender Held mehr siegt.

Ihn lässt gütiges Lob, oder Unsterblichkeit

Dess, der Ehre vergeudet, kalt!

Kalt der wartende Thor, der, des Bewunderns voll,

Ihn grossäugichten Freunden zeigt,

Und der lächelnde Blick einer nur schönen Frau,

Der zu dunkel die Singer ist.

Thränen nach besserem Ruhm werden Unsterblichen,

Jenen alten Unsterblichen,

Deren daurender Werth, wachsenden Strömen gleich,

Jedes lange Jahrhundert füllt,

Ihn gesellen, und ihn jenen Belohnungen,

Die der Stolze nur träumte, weihn![4]

Ihm ist, wenn ihm das Glück, was es so selten that,

Eine denkende Freundin giebt,

Jede Zähre von ihr, die ihr sein Lied entlockt,

Künftiger Zähren Verkünderin!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 3-5.
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