Sechstes Lied

[19] In meinem Arme, freudig, und weisheitsvoll,

Sang Ebert: Evan, Evoe Hagedorn!

Da tritt er auf dem Rebenlaube

Muthig einher, wie Lyäus, Zeus Sohn!


Mein Herz entglühet! herschend und ungestüm

Bebt mir die Freude durch mein Gebein dahin!

Evan, mit deinem Weinlaubstabe

Schone mit deiner gefüllten Schale!


Ihn deckt' als Jüngling eine Lyäerin,

Nicht Orpheus Feindin, weislich mit Reben zu!

Und diess war allen Wassertrinkern

Wundersam, und die in Thälern wohnen,


In die des Wassers viel von den Hügeln her

Stürzt, und kein Weinberg längere Schatten streckt.

So schlief er, keinen Schwätzer fürchtend,

Nicht ohne Götter, ein kühner Jüngling.
[20]

Mit seinem Lorber hat dir auch Patareus

Und eingeflochtner Myrte das Haupt umkränzt!

Wie Pfeile von dem goldnen Köcher,

Tönet dein Lied, wie des Jünglings Pfeile


Schnellrauschend klangen, da der Unsterbliche

Nach Peneus Tochter durch die Gefilde flog!

Oft wie des Satyrs Hohngelächter,

Als er den Wald noch nicht laut durchlachte.


Zu Wein und Liedern wähnen die Thoren dich

Allein geschaffen. Denn den Unwissenden

Hat, was das Herz der Edlen hebet,

Stets sich in dämmernder Fern' verloren!


Dir schlägt ein männlich Herz auch! Dein Leben tönt

Mehr Harmonieen, als ein unsterblich Lied!

In unsokratischem Jahrhundert

Bist du für wenige Freund' ein Muster!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 19-21.
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