Die todte Clarissa

[93] Blume, du stehst verpflanzet, wo du blühest,

Werth, in dieser Beschattung nicht zu wachsen,

Werth, schnell wegzublühen, der Blumen Edens

Bessre Gespielin!


Lüfte, wie diese, so die Erd' umathmen,

Sind, die leiseren selbst, dir rauhe Weste.

Doch ein Sturmwind wird (o er kömt! entflieh du,

Eh er daherrauscht,)


Grausam, indem du nun am hellsten glänzest,

Dich hinstürzen! allein, auch hingestürzet,

Wirst du schön seyn, werden wir dich bewundern,

Aber durch Thränen!
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Reizend noch stets, noch immer liebenswürdig,

Lag Clarissa, da sie uns weggeblüht war,

Und noch stille Röthe die hingesunkne

Wange bedeckte.


Freudiger war entronnen ihre Seele,

War zu Seelen gekommen, welch' ihr glichen,

Schönen, ihr verwandten, geliebten Seelen,

Die sie empfingen,


Dass in dem Himmel sanft die liedervollen,

Frohen Hügel umher zugleich ertönten:

Ruhe dir, und Kronen des Siegs, o Seele,

Weil du so schön warst!


So triumphirten, die es würdig waren.

Kom, und lass wie ein Fest die Stund' uns, Cidli,

Da sie fliehend uns ihr erhabnes Bild liess,

Einsamer feyren!


Samle Zipressen, dass des Trauerlaubes

Kränz' ich winde, du dann auf diese Kränze

Mitgeweinte Thränen zur ernsten Feyer

Schwesterlich weinest!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 93-95.
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